Die Oberklasse mit emissionslosem Saft zu versorgen, ist nur schlau. Die Besitzer kaufen das Gefühl mit, etwas für die Umwelt zu tun und das Börserl dankt es auch. Wie gut die Plug-In Hybrid-Antriebe funktionieren, testen wir im BMX X5 xDrive 40e und Mercedes S500e.
Text: Rainer Behounek, Bernhard Katzinger Fotos: Bernhard Katzinger, Eryk Kepski, Daimler AG
Wir sind bei der Selbstverständlichkeit der Elektrifizierung angelangt. Supersportwägen, Kompakte, Vans – Auto und teilelektrischer Antrieb wachsen immer mehr zusammen, so wie Pommes mit Ketchup oder die Tschick zum Kaffee, nur schadstoffärmer.
Dass sich die Entwickler (EU-bedingt) immer intensiver damit beschäftigen müssen, kommt dem Endverbraucher nur zugute. Geringerer Anschaffungspreis und uneingeschränkte Praktikabilität sind das Ergebnis jahrelanger Forschung und Entwciklung. Der BMW X5 xDrive40e zum Beispiel würde komplett als klassischer SUV mit fossilem Brennststoff durchgehen, hätter er am Heck nicht den Zusatz „edrive“. Kofferraum normal, Innenleben normal, außen wie innen ein hoch luxuriöser, hochwertig verarbeiteter SUV. Bei vollen Akkus verblüfft die Antrittsstärke gleich auf den ersten Metern: Das Drehmoment, das der 83 kW und 250 Nm starke E-Motor bereits vom Fleck weg bereithält, harmoniert perfekt mit den vier Zylindern des 245 PS und 350 Nm starken Verbrennermotors, die naturgemäß erst in Fahrt kommen müssen. Die Systemleistung liegt bei 313 PS und 450 Nm.
Die Energie hält eine 9 kWh-Lithium-Ionen-Batterie bereit, die platzsparend unter dem Kofferraumboden platziert ist, weshalb der X5 auch 500 bis 1.720 Liter laden kann.
Wer will, fährt rein elektrisch, dann bleibt der antiqierte Antrieb völlig aus… zumindest für, laut Datenblatt, 31 Kilometer und laut eigener Erfahrung 16 Kilometer. Es ist immer wieder verwunderlich, wie solch riesige Autos mit cw-Werten wie Häuser und Tonnen an Gewicht so lange lautlos und emissionsfrei fahren können.
Ist der Akku leer oder klickt man sich durch die verschiedenen Modi „Akku zurückhalten“ oder „Automatisch“, vollführt die Regelelktronik einen kaum spürbaren Tanz aus den beiden Antrieben. Harmonie mit der Umwelt, Harmonie im Auto. Den Sprung nimmt man kaum war, ein leichtes Vibrieren sowie ein einsetzendes Motorengeräusch gesellen sich zur Fahrt hinzu, mehr nicht.
Wer sich den teilelektrischen X5 leisten kann, wird auch sicher eine Garage mit Stromanschluss haben. Bei ständigem Laden ergibt das Konzept nämlich Sinn. Wo es, wie bei jedem Plug-In-Hybrid, zu hapern beginnt, ist in der Bequemlichkeit oder im Umstand, dass die Lademöglichkeiten fehlen. Dann sitzt man einfach schlicht und ergreifend in einem schweren Benziner, der den Verbrauch von asketischen 3,3 Litern auf 100 Kilometer auf für heutige Verhältnisse fast schon obszöne elf Liter raufschraubt. An dieser Stelle müssen wir erwähnen, dass BMW auch keinen Hehl aus den Werten macht – im Gegenteil: Transparent und leicht erklärt stehen drei Verbrauchswerte auf der Website, für urbanes Fahren (3,3 Liter), Fahren im Alltag (6,5 Liter) und auf Langstrecken (11 Liter).
Bei all dem Öko-Stuff gingen die Leistungsdaten ja völlig unter! 6,8 Sekunden auf 100 km/h, 210 (abgeregelte nanona) km/h Spitze!
Steckdosensauger aus dem Schwabenland!
Mit dem Mercedes-Benz S500 e gibt’s natürlich auch aus dem Schwabenland eine Luxuskarosse mit den (nach der Testnorm) Verbrauchswerten einer Nähmaschine: 65 Gramm CO2 auf den Kilometer, Normverbrauch von 2,8 Liter auf 100 Kilometer stehen im Datenblatt und damit auch in den Tabellen des Finanzministeriums.Das ist nicht schlecht für eine S-Klasse mit langem Radstand, deren 2,2 Tonnen von einem 3,0 Liter V6-Motor in 5,2 Sekunden auf 100 Sachen beschleunigt werden, und die erst bei 250 km/h aufhört schneller zu werden. Wer diese Leistung täglich abruft, sollte allerdings etwas mehr Benzingeld bereithalten.
Wir haben uns ja schon daran gewöhnt: Die offiziellen Verbrauchswerte sind graue Theorie, eine rechnerische Übereinkunft, weil die teilelektrische S-Klasse halt unter Idealbedingungen bis zu 33 Kilometer rein elektrisch zurücklegen kann.
„Plug in“ ist keine Option, sondern Gebrauchsanweisung!
In der Praxis? In der Praxis langt es völlig, in der Garage eine Steckdose zu reservieren und eine ähnliche Ladeinfrastruktur auch an der täglichen Wirkungsstätte herzustellen. An der Wallbox saugt der S500 e gerade mal knapp zwei Stunden bis zur Sättigung, an einer 220 Volt-Haushaltssteckdose braucht einmal Aufladen ca. vier Stunden.Den S500 e als reinen Benzinhybriden zu fahren, ist Unsinn – nicht zuletzt, weil Mercedes-Benz mit dem S400 h ohnehin einen solchen bereithält. Das „Plug-in“ sollte nicht als zusätzliche Option, sondern als klare Anweisung für den Normalbetrieb gelesen werden, dann klappt’s auch mit den Vorteilen.
Der Gewichtsnachteil des Steckdosensaugers (gegenüber dem S400 4Matic, der auch einen 3,0 V6-Benziner hat) beträgt knapp über 200 Kilo. Beim Fahren merkt man davon nix, vor allem wenn der Elektromotor mit anschiebt. Wenn der S500 e nach dem Hundertersprint schon ausschnauft, ist genannter S400-Benziner noch 0,9 Sekunden unterwegs.
Auch vom Fahrkomfort her gibt’s der Masse wegen nichts zu bemängeln, im Gegenteil: Eine S-Klasse ist eine S-Klasse ist eine S-Klasse ist einfach ein Luxusdampfer, der alles wegbügelt und die Straße zu einem freundlichen, komfortablen Ort mit Konzertsaalbeschallung, optimal temperierter Belüftung und Lederpolsterung macht, fehlt eigentlich nur noch die Cohiba und der Laphroaig. Für Zigarrenhumidor und eine Kiste Whisky sind im Kofferraum neben dem 135 Liter fressenden Akkupack noch 395 Liter Platz.
Sagenhaft smooth erleben wir im S500 e die automatischen Wechsel zwischen Motorbetrieb, Segelmodus und elektrischem Vortrieb. Befürchtungen, dass der Antrieb durch zwei Motoren irgendwelche Einbußen beim Komfort bedeutet, kann man getrost vergessen. Im Landstraßenbetrieb gibt nur noch die Stellung des Drehzahlmesserzeigers Auskunft über den Betriebszustand des Wagens. Siehe das kurze Video anbei.
Fazit: Wenig spricht gegen „zero emission“ von Lärm und Abgasen beim Wegfahren im Wohngebiet. Man mag noch einwenden, dass es mehr Sinn ergeben würde, den elektrischen Antrieb mit von vornherein wirtschaftlicheren Motoren und Karosserien zu koppeln, was Mercedes-Benz mit dem C350 e ja auch tut. Ob sich die Anschaffung für die Umwelt und/oder einen selbst lohnt, hängt letztlich davon ab, wie man die Technologie im alltäglichen Betrieb einsetzt.