Ami auf kleinem Fuße
Der neue Cadillac XT4
Niemand baut so viele unterschiedliche SUV wie die Amerikaner und General Motors hat mit seinen vielen Marken da wahrscheinlich die Nase vorn. Doch ausgerechnet Cadillac haben sie in Detroit offenbar vergessen. Aber das soll sich jetzt ändern. Die amerikanische Antwort auf Mercedes startet jetzt spät aber gewaltig ihre eigene SUV-Offensive und setzt die größten Hoffnungen dabei in das bislang kleinste Modell. Denn als erstes bringen die Amerikaner jetzt den XT4 im Boomsegment der kompakten Premium-SUV in Stellung. Daheim und in China, wo Cadillac mittlerweile die meisten Autos verkauft, beginnt die Aufholjagd schon in diesen Tagen. Zu uns, wo der XT4 die Marke nach nicht einmal 1.000 EU-Zulassungen im letzten Jahr endlich sichtbar machen soll, lässt die Markteinführung zu Preisen ab etwa 35.000 Euro aber noch bis Anfang 2020 auf sich warten.Von Thomas Geiger
Auf den ersten Blick hat der XT4 dabei ganz gute Chancen. Denn mit 4,60 Metern Länge setzen sich die Amerikaner genau in die Lücke zwischen Mercedes GLA und GLC, Audi Q3 und Q5 oder BMW X1 und X3, sind von außen etwas kleiner als die großen Deutschen, bieten innen aber deutlich mehr Platz als die kleinen. In der zweiten Reihe gibt es deshalb kaum ein SUV in diesem Segment, das mehr Beinfreiheit bietet. Und wo die anderen im Ringen um eine schlanke Silhouette im Fond oft nur noch verglaste Schießscharten bieten, genießen Hinterbänkler im XT4 eine ordentliche Aussicht.
Auch das Design passt: Es ist nicht mehr ganz so protzig und provozierend wie beim XXL-Modell Escalade, hebt sich aber mit markanten LED-Leuchten vorn und hinten, einem stolzen Gesicht und einer schnittigen Flanke erfreulich vom einerlei aus Europa ab – das ist der Vorteil, wenn man nur kleine Stückzahlen verkauft.
Beim näherem Hinsehen kühlt die Begeisterung allerdings merklich ab – vor allem beim Fahrer. Denn er blickt in ein Cockpit, das schon heute von gestern ist und bis zur Markteinführung in Europa gar vollends veraltet sein wird. Denn die analogen Instrumente wirken wie aus der Zeit gefallen, der Touchscreen für Navi & Co ist kaum größer als bei einem Smartphone und während die anderen Marken gerade die von BMW iDrive inspirierten Dreh-Drücksteller wieder ausmustern, führt Cadillac jetzt stolz so eine Bedienwüste ein. Dabei hätte der XT4 sonst alles, was es zum Achtungserfolg bräuchte: Es gibt die meisten wichtigen Assistenten, in der Scheibe flimmert ein Head-Up-Display, die Sitze sind klimatisiert und für jeden Handgriff von den Sesseln bis zur Heckklappe gibt es Servomotoren.
Wie ernst es Cadillac mit dem neuen Format ist, zeigt der Blick unter die Motorhaube. Denn dort, wo es sonst immer acht oder wenigstens sechs Zylinder gab, verliert sich nun ein Vierzylinder von gerade mal zwei Litern Hubraum, der obendrein auch noch mit Zylinder-Abschaltung ausgerüstet ist. Das soll bis zu 15 Prozent Sprit sparen und den Verbrauch unter acht Liter drücken, stellen die Amerikaner in Aussicht.
Auf dem Papier hat der Motor zwar knapp 240 PS und entwickelt 350 Nm. Doch auf dem Weg durch die neunstufige Automatik und den zuschaltbaren Allradantrieb bleibt davon offenbar einiges auf der Strecke. Wirklich kräftig jedenfalls wirkt das Turbo-Triebwerk nicht und auch sein Klang ist nicht der beste. Gut, dass die Amerikaner für den Export nach Europa ohnehin noch einmal Hand an den Motor legen müssen und dann nicht nur die Schadstoffe, sondern auch den Sound angehen können. Schon ein Vierzylinder mag für viele Cadillac-Fans eine Zumutung sein. Doch es kommt noch schlimmer. Während de Rest der Welt seit Monaten den Abgesang auf Diesel stimmt, planen ausgerechnet die Amerikaner für Europa auch einen Selbstzünder, der aus ebenfalls zwei Litern knapp 200 PS schöpfen soll.
Zwar wird der XT4 Autos wie dem Q5, dem X3 und dem GLC nicht ernsthaft gefährlich werden. Doch hat der kleine Geländewagen trotzdem das Zeug dazu, zum meistverkauften Cadillac in Europa zu werden und die Absatzzahlen mehr als zu verdoppeln. Bei nicht einmal 1.000 Zulassungen im Jahr sollte das ein Leichtes sein. Und für alle, die noch in der alten Welt verhangen sind, hat Europa-Chef Felix Weller einen guten Trost: In den nächsten drei Jahren kommt alle sechs Monate ein neues Modell. Da sollte dann bisweilen auch wieder was Großes dabei sein.