Flach spielen, hoch gewinnen: Mit dem neuen Audi A6 passt Ingolstadt den Ball jetzt in die elektrische Business-Klasse
von Thomas Geiger
Es war ein ganz schöner Kabelsalat in der elektrischen Entwicklung bei Audi und er hat die Herren der Ringe viel Zeit gekostet. Doch jetzt, wo die neue Premium-Plattform Elektro endlich läuft, geht es dafür Schlag auf Schlag. Denn noch bevor der Q6 als Vorläufer der neuen Zeit ausgeliefert wird, ziehen die Bayern auch schon das Tuch vom nächsten A6, der mit dem Generationswechsel zum reinen Elektriker wird und zugleich zum ersten Nicht-SUV der PPE-Familie. Und weil Businessclass bei Audi immer auch Avant heißt, gibt es den Stromer – anders als etwa den Mercedes EQE – nicht nur als Coupé-Limousine, sondern auch wieder als Kombi. Die genauen Preise nennt Audi zwar noch nicht, doch wer mit rund 60.000 Euro für den Sportback rechnet und für den Avant noch einmal 1 000 Euro Aufschlag einplant, der liegt nicht so ganz schecht.
Dafür gibt es einen 4,93 Meter langen Beau, der sich genau wie der Q6 streng an den bekannten Stil hält und den Technologiesprung beim Design nicht mitmacht. Evolution statt Revolution lautet die Devise und es braucht schon den invertierten Single-Frame-Grill und die digitalen Lichtspiele samt der frei wählbaren Signaturen und der Pictogramme in den Rückleuchten, um zumindest ein bisschen Fortschritt zu signalisieren. Im Windkanal eifert man dem einstigen cW-Weltmeister Audi 100 nach: mit CW-Wert 0,21 wird der neue A6 mal wieder zum bislang schnittigsten Audi aller Zeiten.
Audi A6: Neues auch innen
Innen ist der Fortschritt sehr viel deutlicher spürbar. Deshalb gibt es nicht nur schlauere Assistenzsysteme denn je und das größte und beste Head-Up-Dispaly und die brillantesten AR-Grafiken am Markt, sondern eben auch eine neues ein neues Bediensystem mit ChatGPT-Einbindung und eine neue Bildschirmlandschaft mit einem freistehenden, sanft geschwungenen Display bis weit über die Mittelkonsole, mit Sensorfeldern am Lenkrad und einer neue Bedieninsel in der Tür. Während da vom Licht über die Zentralverriegelung viele Schalter zusammengefasst werden, ist der Rest des Cockpits clean und kühl und es ist fast eine Überraschung, dass zumindest der Getriebeschalter noch immer da sitzt, wo Audi-Fahrer ihn gewohnt sind: Auf dem Mitteltunnel.
Was neu ist im Vergleich mit dem Q6, das ist allerdings das riesige Panoramdach, das sich auf Knopfdruck Schritt für Schritt verschatten lässt. Spätestens wenn alle Segmente transparent geschaltet sind, wirkt der A6 nicht nur in Längsrichtung wunderbar geräumig, was nicht zuletzt den 2,95 Metern Radstand geschuldet ist, . Sondern er ist plötzlich ganz schön luftig und man hat vergessen, dass man auf der Batterie im Boden halt doch ein bisschen höher sitzt.
Aber gerade beim Avant geht’s natürlich nicht nur um den Platz für Kind und Kegel, sondern auch um die Kisten und Koffer. Stolz verweisen die Bayern deshalb auf die elektrische Klappe, bei der jetzt ein Leuchtpfeil am Boden auch das Sensorfeld für die Öffnung per Fußkick markiert. Wer dort richtig trifft, der öffnet einen Laderaum für bis zu 1 422 Liter und wähnt sich plötzlich wieder in der alten Welt. Bis er vergebens nach dem Ladekabel sucht. Denn statt im Souterrain steckt das im Frunk, den endlich auch Audi entdeckt und bei der PPE-Familie zum Standard gemacht hat.
Technisch bedient sich der A6 aus dem gleichen Baukasten wie der Q6 e-tron, bietet aber mittelfristig ein paar mehr alternativen. So gibt es zu Preiskorrektur neben dem 100 kWh-Akku für rekordverdächtige Normreichweiten von bestenfalls mehr als 750 Kilometern auch ein Batteriepaket mit 83 kWh, das noch immer für über 600 Kilometer reichen soll.
Die Motoren: Alles Strom
Und die Liste der Motorisierungen umfasst mittelfristig vier Leistungsstufen – selbst ohne den RS6, der es natürlich irgendwann auch wieder geben wird. Los geht es mit einem Hecktriebler von 286 PS, darüber rangieren der Reichweitenchampion mit 367 PS, ein Quattro mit 428 PS und der natürlich ebenfalls allrad-getriebene S6, der auf 503 PS kommt und als schnellster der Truppe nicht bei spätestens 210, sondern erst bei 240 km/h eingebremst wird.
Schnell will der A6 aber nicht nur auf der Autobahn sein, sondern vor allem an der Ladesäule – zumindest, wenn die Gleichstrom führt. Dann stehen bis zu 270 kW auf dem Display, zehn Minuten reichen für 310 Kilometer und nach 21 Minuten ist der Hub von 10 auf 80 Prozent geschafft. An der Wallbox geht es dagegen erstmal nur beschaulich, weil anfangs 11 kW reichen müssen. Erst zum Facelift will Audi auch einen 22 kW-Lader anbieten.
Zwar beamt Audi mit dem A6 die Business-Class auf die Electric Avenue, lässt den Mercedes EQE weit hinter sich und kommt mindestens auf Augenhöhe mit Limousine und Touring des BMW i5. Doch wissen die Bayern auch, dass dabei ein paar konservative Kunden auf der Strecke bleiben werden. Doch auch für die haben sie einen Trost: Wenn noch vor dem A6 der neue A4 kommt, wechselt der nicht nur den Namen und wird zum A5 – sondern er geht auch deutlich in die Länge und wird so zu altmodischen Alternative für den Stromer im Anzug. Und obwohl eine Ende trotzdem noch eine Handbreit kürzer, bietet er – zumindest beim Avant sogar mehr Platz als sein großer Bruder.