Dass der neue Range Rover ein ziemlich gutes Auto werden wird, war zu erwarten. Schließlich hat er in seinem Segment einiges an Konkurrenz, die es auch ganz gut kann. Allerdings ist es Land Rover gelungen, in hochtechnisierten Zeiten einem hochtechnisierten Auto ein unerwartetes Feature einzubauen: Freundschaft.
von Franz J. Sauer
Wenn man etwa an die linke Sitzflanke greift, um die Position der Rückenlehne, der Sitzfläche oder sonst eine der abertausenden Gelenkigkeiten der Sitze zu verstellen, fragt einen das Display höflich, ob man etwa auch gedenkt, die Massagefunktion zu aktivieren. Eines von vielen Beispielen, wo man das Gefühl hat: Der Range Rover denkt mit, oh wie höflich. Anders als andere Autos, die auch vieles bis alles können, gibt einem der große Brite damit eine Art Fernsteuerung in die Hand. Würde man nämlich in einem vergleichbaren Automobil beim Verstellen der Sitze denken, haltaus, da war ja noch was, was kann der Sitz eigentlich noch so alles, würde der nächste Schritt unweigerlich ins Dickicht der Menüs führen. Aber schon beim Aufrufen der obersten Etage selbiger, wenn man sich dann entscheiden muss, ob Sitzverstellung eher unter „Einstellung“, „My Car“, „Assistenz“ oder „Komfort“ fällt, vergeht einem die Lust am weiteren Suchen. Man bleibt einfach so sitzen, wie man sitzt und auch wenn man die Massage des Ischias-Nerv gerade dringend nötig hätte und der Wagen diese sogar mit Hot-Stone-Feature liefern könnte – man wird es nie erfahren. Im Range hingegen wird man längst geknetet. Weil er höflich danach gefragt hat.
Der neue Range Rover – Die Motoren.
Vergleichbares Mitdenken findet beim neuen Range Rover in vielerlei Hinsicht statt. Auch wenn das Urmeter vieler Geländeautos nicht darüber spricht. Etwa bei der Allradlenkung. Diese springt so unauffällig zur Seite, wenn man scharf einlenkt, dass man sich nur wundern kann, warum die Fuhre derart gut liegt. Und auch die Motoren glänzen bei ihrem Hauptjob, nämlich für kraftvollen Vortrieb zu sorgen, durch Unauffälligkeit. Vorerst in Österreich erhältlich: Drei Mildhybrid-Diesel D250, D300 und D350. Wobei die Zahl stets für die Leistung steht, ein Mildhybrid Benziner P400 sowie die Top-Sportlichkeit P530 mit 17 Prozent mehr Effizienz als der bisherige Kompressor-Top-Benziner mit 510 PS.
Ebenfalls bestellbar, aber noch nicht fahrbar: Die beiden Plug-In-Hybride P440e und P510e, die erwartungsgemäß die Spitze der hierzulande zugelassenen Ranges darstellen werden. Im Vergleich zum bisherigen PHEV-Angeblt der Marke findet hier ein Quantensprung statt: Bis zu 100 Kilometer (mit einer Spitzengeschwindigkeit von 140 km/h) können mit dem 143 PS starken Elektromotor gestromt werden, das reicht für alle heimischen Innenstädte und auch für deren Umland. Hauptsächlich werden die PHEV-Modelle aber wohl wegen der NoVa-Befreiungen gekauft werden, betreten sie darob doch auch billiger als die Nicht-Plug-In-Modelle den heimischen Markt … (zu den Preisen gehts hier).
Für Leistung ist also gesorgt, für schlaue Effizienz auch, kommen wir nun zu den versteckten Goodies des Range Rover. Wo der Pressetext gleich mal ein herrlich verschrobenes Bonmot für uns bereithält: „Die aktive Geräuschunterdrückung der dritten Entwicklungsstufe erkennt Radvibrationen sowie Reifen- und Motorgeräusche, die sich den Weg in die Passagierkabine bahnen wollen.“ Solche Schlingeln aber auch. Und damit sie es zwar wollen, aber nicht schaffen, hat der neue Range Rover in den Kopfstützen der Vordersitze jeweils ein Paar von Lautsprechern mit 60 mm Durchmesser, die ähnliches tun, wie man es von den beliebten Noise Cancelling Kopfhörern kennt: Für Ruhe sorgen. Das schafft, wie meint der Pressetext, „persönliche Ruhezonen“ und es funktioniert tatsächlich so gut, dass es einen regelrecht reißt, wenn man an der Mautstation oder sonstwo das Fenster aufmacht, oder das Schiebedach kippt, zwecks Lüftens.
Der neue Range Rover – Rundum gesund
Auch COVID hat die britischen Ingenieure zu Höchstleistungen angespornt, diesfalls zu einem Innenraum-Luftfiltersystem namens „Cabin Air Purification Pro“, das nicht nur Allergene und handelsüblichen Gestank aus dem Inneren verbannt, sondern auch Krankheitserreger bis hin zum SARS-CoV-2-Virus effektiv fernhält. So kann man nun also mit vollster Überzeugung und ohne zu Lügen festhalten: Range Rover fahren ist gesund.
Vor allem für die Psyche, und alle SUV-Verteufler und sonstigen Großautofeinde können nun, sollten sie es überhaupt bis hierhin geschafft haben, weiterblättern. Nur wer bislang schon mit einer gewissen Offenheit der Philosophie Range Rover nahetrat, kann sich dafür begeistern, wie man es in Solihull-Umgebung ein weiteres Mal geschafft hat, diese herrliche und bis tief ins Unterbewußtsein spürbare Überlegenheit auf ein nächstes Level zu heben. Wer hier übrigens Überheblichkeit oder sonstiges Machogetue verortet, liegt völlig falsch. Der Range Rover macht uns zu besseren, freundlicheren Menschen. Staus, Engpässe, Baustellen und sonstiger Straßenunbill können einem nichts anhaben, wenn man am Steuer des Herrn Vogue thront. Obwohl die pure Präsenz des Ober-SUV, der ja kein SUV ist, wie wir wissen, sondern ein echter Geländewagen, also eigentlich ein NUTZFAHRZEUG, bittesehr, also, obwohl jene pure Präsenz zwar nach wie vor dafür sorgt, dass das restliche Verkehrsgeschehen vor, neben oder unter einem brav Platz macht, man erntet trotzdem freundliches Feedback, wenn man sich dann höflichst bedankt. Und mit Blicken gelobt, das nächste Mal doch selbst auszuweichen, wenn man uns denn nur lässt.
Leistung, Straßenlage, Beuemlichkeit, Platzangebot, alles klar und sowieso da. Einzig: Warum man den Einstieg in ein Auto dieser schieren Wucht mit einem seltsam gebogenen Verleidungsteil an der B-Säule, das aus rein optischen Gründen die Türarmlehne verlängert, verengt, lässt sich nicht schlüssig erklären. Ebensowenig warum man nicht endlich, endlich, endlich auf die doofe Klapp-Hutablage verzichtet, die uns im Range Rover letztlich seit vier Generationen ärgert. Da kann sie noch so sehr elektrifiziert daherkommen – ein simples Rollo wie im Discovery täte ihren Job mindestens so gut.
Apropos Kofferraum: Die Heckklapperei kommt wie immer zweiteilig, der nach unten klappende Deckel hält locker über 200 Kilogramm Nennbelastung aus, das braucht es auch, für ein herziges neues Feature namens „Tailgate Event Suite“: Dabei verwandelt sich die Ladeklappe mit ein paar Handgriffen in ein bequemes Fauteuil-Abteil mit Blickwinkel hintenraus und aus der Heckklappe kommt bei Bedarf Sound aus zwei Lautsprechern, die sich auch vom Handy aus anspeisen lassen. Ulkig wie unnötig, und trotzdem irgendwie cool.
Und dann gibt’s da noch: SOTA, Pivi Pro, ALEXA, Sprach-KI und sonstiges Techno-Gedöns, mit dem man sich als Range Rover-Fahrer (und noch mehr: Eigner) sowieso eher selten bis gar nicht auseinandersetzt. Es ist gut, dass es da ist, wenn man es braucht, und wenn dem so ist, wird einen Freund Range Rover schon daran erinnern. Wouldn’t he?