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Formel E – Die Ruhe macht den Sturm

Motorblock und die Formel E

Es geht um folgende Fragen: Was braucht Racing? Worauf kann Racing verzichten? Und was ist Racing überhaupt? Rainer Behaunski hat viel von der Formel E in Paris gelernt.

Es erinnert ein wenig an ein Jahrmarkt-Spektakel. Überall schwirren Leute herum, bauen Bühnen und riesige Displays und Absperrgitter auf. Die Formel E macht Halt in der Stadt der Liebe und lässt die lautlosen Boliden in wenigen Stunden um das Pariser Militärmuseum herumschwirren.

Die Luft ist kühl, stündlich sagen die an sich genauen Wetterdienste der FIA einen Regenschauer voraus, der aber bis zum Schluss ausbleiben wird. Die nassen Vorhersagen halten die Zuschauer nicht davon ab, den Rennsport-Trouble vor der Haustüre hautnah mitzuerleben und mir fällt auf, dass die Absperrgitter, die die Jungs vorher so hastig aufgestellt hatten, mehr dem Verkehr dienen als den Menschenmengen, die Boxengasse ist für alle zugänglich. Mechaniker nehmen nervöse Kinder an der Hand und führen sie um die Formel-Boliden herum, die Teams üben vor wissbegierigen Augen Reifenwechsel, Fragen ans Team werden freundlich beantwortet und ich frage mich die ganze Zeit, warum nicht alle Rennserien den Spirit vor Ort so leben, wie die relativ neue Formel E, die es erst seit zwei Jahren gibt.

Die Kommentare auf die ersten geposteten Bilder trudeln ein. „Scheiß Elektro-Scheiß!“ oder „Ohne Sound kein Racing!“ Ich nehme die Jungs und Mädls ernst (besonders den ersten Kommentator) und mache mich auf die Suche nach der Antwort auf die Frage „Was ist Racing überhaupt?“

…und mache mich auf die Suche nach der Antwort auf die Frage „Was ist Racing überhaupt?“…





Für Vincent Gaillardot ist die Frage leicht zu beantworten. Der Franzose meisterte die berühmte Ecole Superieure des Techniques Aeronautiques et Constructions Automobiles, kurz ESTACA, und wirkt seitdem als Rennengineur im Motorsportzirkus mit, wie kein Zweiter. Er tüftelte mit Damon Hill, Michael Schumacher und Jean Alesi und für Williams, Jaguar, Benetton und Renault, für die er 2014 die Formel E aus dem Boden stanzte und als Projektleiter die Zügel in der Hand hält. „Für einen Entwickler ist in erster Linie wichtig, das bestmögliche Produkt auf die Straße zu stellen, wir tüfteln nicht am zweiten Platz. Für mich ist Racing ein Schmelztiegel. Alle Beteiligten müssen fokussiert an einem Strang ziehen, nur so kann das Bestmögliche herausgeholt werden. Womit wir fighten ist für uns eher zweitrangig, Hauptsache es ist unschlagbar.“
Wie ernst die Formel E auch von etablierten Formel 1 Teams genommen wird, beweisen die Partnerschaften. McLaren Electronic Systems, eine McLaren Group-Tochter, liefert Elektronik und E-Motor (der in abgeänderter Form im Hypermegasportler P1 verbaut ist), Die Akkus stellt Williams zur Verfügung und das Chassis stammt von Dallara.

272 PS oder 200 kW leistet der Spart-Renault SRT_01E, die mittels eines sequentiellen Fünfganggetriebes auf die Straße gebracht werden. Die Reifen werden von Michelin hergestellt. Um die Kosten niedrig zu halten, handelt es sich um Allwetterreifen, 18-Zöller wohlgemerkt. 350.000 Euro werden für einen Boliden fällig, da gibt es teurere Formel-Wägen und wenn man bedenkt, dass der schwergeniale Renault Sport R.S.01 290.000 Euro schwer ist, relativiert sich der Preis ein wenig. Derzeit muss im Rennen noch auf einen zweiten Boliden gewechselt werden, weil die Akkus nicht so lange halten. In den nächsten Saisonen sollen sie aber ein komplettes Rennen durchhalten. Vier Sekunden vergehen vom Stand weg auf 100 km/h, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 225 km/h. Die werden aber selten erreicht, da die Formel E ausschließlich in Städten mit kleinen Kursen – eine Strecke in Paris ist 1,8 Kilometer äh lang – verkehrt.




„Sie glauben nicht, wieviele Anfragen wir von Städten auf der ganzen Welt bekommen. Wir könnten ein ganzes Jahr durchfahren, so begeistert wird die Serie angenommen“, freut sich Guillaume Berthier, Sales & Marketing Director und zuständig für die E-Auto-Sparte. „Sehen Sie sich um, Familien mit Kind und Kegel schauen zu. Die Luft bleibt sauber und der Lärm bleibt aus. Wir halten die Rennen kurz, Training, Qualifying und Rennen finden an einem Tag statt. Mit Auf- und Abbau die der ganze Spaß nach zwei Tagen wieder vorbei. Zum Racing gehört das Abseits genauso dazu.“

Ich setze mich auf die Tribüne um herauszufinden, ob die eh auch wirklich racen. Das Geräusch, das die Boliden machen, ist einzigartig. Kennen Sie die Pod-Racing-Szene aus Star Wars Episode I? So klingen die Teile auch, richtig fett kann ich Ihnen sagen.

Hinterm Steuer sitzen Burschen (und Mädls!), die man jetzt auch nicht unbedingt darauf hinweisen muss, dass sie in einem Rennwagen sitzen. Sebastian Buemi, Bruno Senna, Lucas di Grassi oder auch Nicolas Prost schenken sich nichts und gehen selbst auf einem Tretroller aufs Ganze. So auch hier, in Paris. Offensichtlich ist das Regelwerk so locker, wie die Krawatten, denn was da während des Rennens abgeht, ist für heutige Formel-Verhältnisse unüblich. Da wird gerempelt, geschnitten, zusammengebremst und rausgedrängt, so wie es sich eben gehört! Nichts mit Penalty, gutes altes Racing im neuen Gewand.

Für Alain Prost, Head-Coach des Renault Teams und nebenbei auch 4facher Formel-1-Weltmeister ist es klar: „Damals war für mich ein sauberer Stil und das Schonen der Ressourcen das Um und Auf. Je länger die Reifen und der Treibstoff hielten, desto näher war der Sieg. Hier müssen die Fahrer noch schlauer sein. Alle sitzen im selben Fahrzeug, hier zählt neben den Rennqualitäten auch der kühle Kopf. Wer mit seinen Ressourcen und den Akkus am besten haushält, hat gute Chancen. Dass es manchmal auch nur Pech ist, das mitfährt, sieht man bei Nicolas. Eine Regel zu Hause lautet: „Wir reden nicht über den Motorsport.“ Das ist im Moment äußerst schwierig, kann ich Ihnen sagen.“

Der Grand Prix ist nach Frankreich zurückgekehrt. 2008 rasten das letzte Mal Formel Boliden auf französischem Boden. Dass jetzt, 2016, gleich in der Hauptstadt gefahren wird, ist einfach spitzenklasse! Unser Tipp: Unbedingt live anschauen, alle Infos gibt es hier.

Rainer Behounek

War bis 2017 Teil der Motorblock-Redaktion.

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