von Stephan Schwarzinger
Vor wenigen Tagen hat Philipp Stalzer Porsches Werbespot für den neuen Cayman GT4 zum Anlass genommen, sich mit dem provokanten Stichwort „Autoneid“ zu befassen. In seinen Ausführungen thematisiert er gröbere Differenzen zwischen „Automenschen“ und dem „Rest der Welt“. Diesem „Rest“ attestiert er dabei recht pauschal die Neigung, versteckten oder offenen „Autoneid“ in immer stärker werdender Form auszuleben. Ein Indiz für diese Einschätzung vermutet er etwa in zunehmenden Maßnahmen zur Schadstoffreduktion und weist zugleich auf einzelne Stimmen hin, die dahinter eine Verschwörung gegen das Automobil – natürlich gesteuert von Regierungskreisen – zu erkennen glauben und bei der Gelegenheit auch gleich den anthropogenen Treibhauseffekt leugnen.
Ich sehe aber weder einen Frontenverlauf zwischen „Automenschen“ und dem „Rest der Welt“, noch eine systematische Verschwörung gegenüber Automobilisten. Sehr wohl sehe ich aber den Bedarf, sich mit den Stichworten „Autoneid“ und „Schadstoffreduktion“ etwas ausführlicher zu befassen und Philipp Stalzers Einschätzung unter einem anderen Ansatzpunkt zu diskutieren.
Ich halte es für kurzsichtig, Leuten mit anderen Prioritäten und geringerem Verständnis für autospezifische Vergnügungen pauschal „Autoneid“ zu unterstellen. Genauso kurzsichtig wäre das – vom Kollegen zu Recht angeprangerte – Verteufeln aller Autos, die teurer oder schneller sind, als ein Golf mit 105 PS. Stalzer fordert Toleranz und „ausgewählte Freundlichkeit gegenüber Extrasteuerzahlern der Sonderklasse“, die ja „die hippen, innerstädtischen Begegnungszonen bezahlen“. In Sachen Toleranz fährt er damit aber genauso wenig einen Vorsprung heraus, wie er es schafft, den von ihm wahrgenommenen „Autoneid“ zu argumentieren.
Wir leben in einem Zeitalter, in dem es beinahe so viele unterschiedliche Lebensstile wie Menschen gibt. Dass dabei das Auto seine Rolle als kollektiv anerkanntes Symbol für Aufschwung, Freiheit und Lebensqualität verloren hat, ist naheliegend. Die vom Autor geforderte Toleranz stößt daher insofern an ihre Grenzen, als dass wir beim Fahren mit Verbrenner-Autos nicht nur jene Luft verschmutzen, die wir selbst atmen, sondern auch die Luft vom „Rest der Welt“ in Anspruch nehmen. Gerne wird in die Schadstoffdebatte eingebracht, dass andere (Industrie, Staaten) noch viel mehr Dreck in die Luft blasen, als der Autoverkehr. Als Legitimation selbst verursachter Umweltschäden sind Argumente dieser Art aber nicht ausreichend. Verständlicher wird dieses Problem vielleicht durch folgenden Vergleich:
Jemand beschädigt beim Ausparken die Tür ihres Autos. Er macht Sie darauf aufmerksam, dass die Reparatur Ihrer bereits zuvor beschädigten Stoßstange mehr kostet, als die Behebung des Schadens an der Tür. Daraufhin stört Sie der Schaden an der Tür nicht mehr. Sie verabschieden sich freundlich und fahren nach Hause. Ein eher unwahrscheinliches Szenario, oder? Also müssen durch den Verkehr verursachte Umweltschäden ebenso unabhängig von anderen Ursachen betrachtet werden, wie Sie – zu Recht – Ihre kaputte Fahrzeugtür repariert haben möchten.
Das Problem „mangelnder Toleranz“ für Autospaß hat überdies nur selten etwas mit Neid zu tun. Im Gegenteil halte ich den von Philipp Stalzer thematisierten „Autoneid“ für eine Verschwörungstheorie, die den positiven Umgang von KFZ-Enthusiasten mit Auto-Kritikern erneut erschweren wird. Der Verweis auf jenen Kommentar, in dem der anthropogene Treibhauseffekt mitsamt seiner Konsequenzen kurzerhand als „geniale Propaganda“ bezeichnet wird, macht die Sache auch nicht unbedingt einfacher.
Ich möchte an dieser Stelle aber nicht in eine Diskussion zum Thema CO2 abgleiten, sondern einfach jeder und jedem empfehlen, sich bei Gelegenheit im Berufsverkehr mit dem Rad oder zu Fuß durch eine größere Stadt zu bewegen (sehr genau kenne und hasse ich speziell die Grazer „Luftgüte“). Da wird einem schnell klar, wie brutal Auto-Abgase Mensch und Umwelt zusetzen. Im Auto mit „Bergbrise“-Wunderbaum bekommt man davon natürlich eher wenig mit und neigt vielleicht dazu, am Schadstoffproblem zu zweifeln. In Zukunft wird man sich jedenfalls damit anfreunden müssen, dass man auch für Schäden am Allgemeingut „Luft“ aufkommen muss. Das hat nichts damit zu tun, dass uns irgendwelche Regierungen “klein und niedrig” halten wollen, oder böse Öko-Aktivisten neidvoll auf unsere „technisch perfekten“ Fahrzeuge (mit einer lächerlichen Energiebilanz) blicken und uns den Spaß beim „Ausloten von Grenzen“ (an die sich Schadstoffe übrigens nur selten halten) vermiesen wollen. Die Besteuerung von Emissionen ist eine simple Konsequenz logischer Zusammenhänge in Sachen Umweltschutz und Gerechtigkeit. Dass dabei künftig nicht nur CO2-Emissionen Diskussionsgegenstand sein werden, ist ebenso selbstverständlich, wie die Notwendigkeit des weiteren Ausbaus nachhaltiger Energiequellen. Damit die schnellen und effizienten „Stromer“ ihre Vorteile auch in großer Zahl ausspielen können. Ohne schlechtes Gewissen.
Auch ich fahre übrigens sehr gerne Auto und kann mich für so manch „irrationales“ Vehikel begeistern. Und wenn wir auch in Zukunft Autospaß haben wollen, müssen wir einen fairen, offenen und toleranten Dialog pflegen.
Stephan Schwarzinger, 25, studiert Innovation & Gesellschaft an Uni Graz und TU Graz.
Wir leben in einem Zeitalter, in dem es beinahe so viele unterschiedliche Lebensstile wie Menschen gibt. Dass dabei das Auto seine Rolle als kollektiv anerkanntes Symbol für Aufschwung, Freiheit und Lebensqualität verloren hat, ist naheliegend.