Jaguar, Cadillac oder Volvo können davon ein Lied singen – es gibt einfachere Märkte für ausländische Nobelmarken als Deutschland. Doch die Stärke der heimischen Premiumanbieter hält Newcomer nicht davon ab, es immer wieder zu versuchen. Nachdem sich Lexus nun schon zwei Jahrzehnte an Audi, BMW und Mercedes die Zähne ausbeißt, macht sich deshalb jetzt das nächste Feinkost-Fabrikat auf den Weg nach Europa: Genesis. Die vornehme Schwester des koreanischen Marktführers Hyundai ist auf dem Sprung und wagt sich nach dem erfolgreichen Debüt daheim in Korea und den USA in diesem Sommer in die Höhle der Luxus-Löwen nach Deutschland.
Dabei setzten die Koreaner zunächst auf zwei Modelle aus der gehobenen Mittelklasse. Die fast fünf Meter lange Limousine G80 im Format des Fünfers und den technisch identischen SUV-Ableger GV80 mit der Statur eines X5, die erst im letzten Jahr neu aufgelegt wurden. Beide teilen sich eine neue Plattform, die es mit Heck- oder Allradantrieb und fürs erste mit drei Motoren gibt: An der Basis steht ein 2,5 Liter großer Vierzylinder-Benziner 304 PS, darüber rangiert ein V6-Turbo mit 3,5 Litern Hubraum und 380 PS und sehr zur Freude der europäischen Vielfahrer haben die Koreaner auch noch einen Diesel in Petto, der aus 2,2 Litern Hubraum 210 PS schöpft.
Das beste Argument für die Außenseiter ist ihr Design. Denn egal, ob man die fordernde Front mit dem weit nach unten gezogenen Kühlergrill, die schnittige Silhouette und das coupéförmige Heck nun mag oder nicht – auf jeden Fall wirkt der G80 frisch und unverbraucht und ist eine wohltuende Abwechslung im Einerlei auf den Dienstwagen-Parkplätzen der Republik. Und wer genug hat von X5, GLE oder Q7, der wird auch den GV80 als erfrischende Erscheinung werten.
Eigenständig mögen die Autos sein, aber fortschrittlich geht anders. Das gilt nicht nur für die Antriebe, wo die Koreaner aktuell ausschließlich auf klassische Verbrenner setzen und für den Anfang nicht mal von Mild- oder Plug-in-Hybrid reden. Sondern auch für das Ambiente wirkt – nun ja – ein bisschen angestaubt. Ausgerechnet im Mutterland von Samsung & Co pflegen sie offenbar einen ausgesprochen konservativen Luxus aus Lack und Leder. Mit ihren braven Cognac-Farben und dem Charme von Old Spice wirken sie neben den ebenso kühlen wie coolen Bildschirmlandschaften etwa in E- oder S-Klasse bei aller Finesse so verstaubt wie das Gästehaus der Bundesregierung auf dem Petersberg bei Bonn neben einem Vergleich zu einem hippen Hauptstadthotel in Berlin.
Zumindest unter der Haube wird sich allerdings bald etwas tun: Denn noch in diesem Jahr soll der G80 auch als Akku-Auto durch die Oberklasse stromern. Außerdem gibt es noch zwei weitere Genesis-Modelle mit Stecker, von denen eines auf der neuen Konzernplattform steht und eng mit Hyundai Ioniq 5 und Kia EV6 verwandt ist. Auch sonst wollen die Koreaner die Modellpalette kräftig ausweiten. So stehen in der Klasse darunter der G70 und sein SUV-Pendant GV70 schon in den Startlöchern und ebenfalls noch in diesem Jahr soll ein eigens und ausschließlich für Europa entwickeltes Modell das Programm nach unten abrunden.
Aber an den Autos alleine wird es nicht liegen, weiß auch Dominique Boesch: „Wir wissen, dass sich anspruchsvolle Kunden heute nach dem gewissen Extra sehnen“, sagt der Europa-Chef: „Unsere Mission wird es sein, viel mehr als nur exzellente Fahrzeuge anzubieten.“ Deshalb verspricht er den Kunden neben einem transparenten Preisgefüge ohne Rabattschlachten und einem direkten Online-Vertrieb mit nur drei europäischen Händlern in München, Zürich und London vor allem ein Rundum-Sorglos-Paket. „Hierbei genießen sie eine individuelle Kundenbetreuung, denn das koreanische Serviceverständnis ist oberste Priorität und dies unterscheidet uns vom Wettbewerb,“ sagt Boesch und will jedem Genesis-Fahrer einen eigenen Berater zur Seite stellen. Dieser „Genesis Personal Assistant“ koordiniert dann auch den Hol- und Bringdienst für sämtliche Wartungs- und Werkstattermine, offeriert zwischendurch einen kostenlosen Leihwagen und versorgt die Kunden über Jahre gratis mit Software- und Kartenupdates, die over the air ans Auto übertragen werden.
Im Design eigenständig, im Service herausragend und technisch zumindest gehobener Durchschnitt – wenn jetzt auch noch die Preise stimmen, hat Genesis damit im Grunde alles, was es für den Kampf gegen Audi, BMW und Mercedes auf der einen und Lexus, Cadillac oder Jaguar auf der anderen Seite braucht. Und der Erfolg zumindest in Korea und den USA gibt den Asiaten recht. Doch selbst wenn sie tatsächlich auf Augenhöhe mit den deutschen Platzhirschen fahren, ist das womöglich nicht gut genug. Denn wenn der Newcomer nichts besser kann als die Stammspieler, bleibt ihm nur die Rolle des Außenseiters, der allenfalls deshalb gekauft wird, weil er anders ist. Und wie schwer es ist, darauf einen Erfolg zu gründen, das hat nicht zuletzt Infiniti lernen müssen und sich deshalb gerade erst wieder aus Europa verabschiedet.