Mercedes? Das sind doch die hübschen Oldtimer von der Mille Miglia. VW? Waren das nicht die mit dem Käfer? Einen Porsche hatte jeder mal als Spielzeugauto. Und wer waren nochmal Audi, Ford oder Opel? In den letzten Monaten war vom Glanz der großen Automarken nicht mehr viel geblieben.
Text: Thomas Geiger
Zu groß schien die Innovationskraft von Tesla & Co und zu lähmend war die Angst vor den Emporkömmlingen aus dem Silicon Valley, als dass noch jemand ernsthaft auf die großen, alten Riesen der PS-Industrie wetten wollte. Doch die melden sich jetzt mit einem eindrucksvollen Befreiungsschlag zurück: Als hätte das Kaninchen vor der Schlange seine Schockstarre überwunden und plötzlich erkannt, dass es eigentlich ein Tiger ist, fahren vor allem die deutschen Hersteller beim Heimspiel auf der IAA so gewaltig auf, dass es diesmal den Herren Tesla, Google und Apple, Angst und Bange werden muss.
Das neu gefundene Selbstbewusstsein der Benzin-Giganten fusst vor allem auf drei visionären Studien. Denn Schaustücke wie der Audi e-Tron Quattro als greifbare Alternative zum Tesla Model X mit einer Serienfreigabe für 2018, der Porsche Mission E, der als intelligenter Elektrosportwagen für Vier das Model S ziemlich alt aussehen lässt, oder das Mercedes Concept IAA, das als wandlungsfähiges Wunderwerk aus dem Windkanal die Transformation der gesamten Branche verbildlicht, zeugen von einer optimistischen Aufbruchstimmung und davon, dass man sich über die Zukunft in Stuttgart, Ingolstadt, Wolfsburg oder München zwar Gedanken aber alles andere als Sorgen macht.
Erst recht nicht, wenn die vermeintlichen Angstgegner gar nicht oder nur mit einem lustlosen Pflichtprogramm präsent sind. Das Model X zum Beispiel sucht man in Frankfurt vergeblich, obwohl doch noch in diesem Monat die Auslieferung beginnen soll. Sonderlich selbstbewusst wirkt der Stand von Tesla damit nicht.… Das neu gefundene Selbstbewusstsein der Benzin-Giganten fusst vor allem auf drei visionären Studien …
Aber es sind nicht nur die wichtigen Visionen für eine großartige Zukunft des Autos, die in Frankfurt das Bild bestimmen. Sondern den Weg dorthin gehen die Hersteller mit einer Flut von Neuheiten, die schon allein deshalb für reichlich Bewegung im Markt sorgen werden, weil diesmal nicht auf die Nischen, sondern auf die Volumensegmente zielen.
Daneben blüht auf der Messe offenbar die Kompaktklasse wieder auf. Denn im Windschatten des neuen und so hoffnungsvoll präsentierten Opel Astra fahren in Frankfurt auch Neuheiten wie der Renault Mégane, der aufgefrischte DS4 bei Citroen oder der in die Golf-Klasse hinein gewachsene Mini Clubman. Und das Original will da nicht hintanstehen und zeigt sich auf der IAA in einer Clubsportedition mit 290 PS als stärkster GTI aller Zeiten.
Ebenfalls buchstäblich viel frischen Wind gibt es bei den Cabrios: Vom offene Smart Fortwo über den Citroen Cactus bis hin zur Mercedes S-Klasse und natürlich dem Rolls-Royce Dawn – in allen Preisklassen gibt es offenbar wieder ein Interesse an offenen Autos.
Dazu gibt es für die Besserverdiener den neuen Audi A4, die nächste Generation des Kia Optima, den Laguna-Nachfolger Talisman von Renault und die sehnlich erwartete Alfa Giulia, die den Leidensdruck der Italiener in Leidenschaft in Leidenschaft verwandeln will. Wer mehr Geld ausgeben will, der liebäugelt mit dem neuen Siebener von BMW oder dem Coupé der Mercedes C-Klasse. Ach ja, und den Sport haben die Hersteller natürlich auch nicht vergessen. Zwar bliebt der hellblaue Tiefflieger als Vorbote einer Performance-Marke von Hyundai im Stile der BMW M GmbH ebenso ein Einzelstück wie der Blech gewordene Bugatti für die Gran Turismo-Serie. Doch Autos wie der überarbeitete Porsche 911 oder der Ferrari 458 GTB, die jetzt beide mit Turbo-Motor aufdrehen, oder der Lamborghini Huracan Spyder zeugen davon, dass der Reiz des Rasens noch nicht vorbei ist.
Visionäre Studien und jede Menge Neuheiten für das Tagesgeschäft: Zwar wird das Auto seine Rolle verändern, seine Eigenschaften und seine Technik. Nicht umsonst spricht VW-Chef Martin Winterkorn vom Smartphone auf Rädern. Doch Angst um die Zukunft der Branche macht sich in Frankfurt keiner, selbst wenn einige Analysten weiter schwarzmalen und das Heil der Branche im Silicon Valley suchen. Im Gegenteil, sagt zumindest Daimler-Chef Dieter Zetsche: „Die beste Zeit hat das Auto erst noch vor sich.“