Bulli is back!
VW präsentiert den ID Buzz
Abgasskandal, Kartellverdacht und der galoppierende Verlust des Vertrauens – bislang hat VW angesichts des riesigen Imageschadens nur gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Doch jetzt nehmen die Niedersachsen ihr Schicksal wieder selbst in die Hand und blasen zur großen Charmeoffensive. Dabei setzten sie auf einen Sympathieträger, wie es ihn im ganzen Konzern nur einmal gibt: Den VW Bus.Von Thomas Geiger
„Wir haben seit der Premiere in Detroit viel Post bekommen, in der uns Kunden schreiben: ,Bitte baut dieses Auto!‘,“ sagt Diess und hat die elitärste Motorshow der Welt nicht ohne Grund als Ort der Verkündung gewählt, selbst wenn VW nicht ganz zu PS-Pretiosen wie Pagani, Maybach oder Koenigsegg passen will. „Doch der Microbus, wie der Bulli in Amerika heißt, war immer Teil des kalifornischen Lifestyles“, sagt Diess und will deshalb auch das Comeback von dort aus starten. Nachdem die VW-Krise in den USA ihren Anfang genommen hat, könnte so mit dem ID Buzz dort auch ihr Ende beginnen.
Dass es überhaupt noch einmal zu einer Neuauflage der Ikone kommt, hatten Fans des Bulli kaum mehr zu hoffen gewagt. Zu oft hat VW es in den letzten Jahren schon mit irgendwelchen Retro-Bussen für irgendwelche Messen probiert, nur um die Prototypen kurz darauf wieder einzustampfen. Denn irgendwie wollten Design, Technik oder Kosten nie so richtig passen. „Doch mit dem ID Buzz endlich haben wir die Lösung, wie wir Bulli neu erfinden und in die Zukunft bringen können“, sagt Diess: „Mit einem Elektroantrieb.“ Denn so machen die Niedersachsen den Bus von gestern nicht nur fit für die Zukunft, sondern sie bieten auch jene Raumeffizienz, die das Original über Jahre so einzigartig gemacht hat. Und das sympathische Design ist dann so etwas wie die Kirsche auf dem Kuchen.
Vielleicht ist diesmal also wirklich Zeit für ein bisschen Vorfreude. Erst recht, wenn man gebeten wird, mit einer fast magischen Geste über die in den Sicken des Blechs versteckten Sensorfelder zu streichen, mit denen die elektrischen Türen aufschwingen, wenn man eingeladen wird, sich hinter das eigenwillige Lenkrad in dem ungewöhnlich cleanen Cockpit zu setzen, und wenn man dann mit dem Showcar auch noch eine schnelle, oder besser: kurze Runde auf einer der schönsten Straßen drehen darf, die Kalifornien zu bieten hat. Kein Wunder also, dass der Puls nach oben schnellt, sobald der Finger das D-Feld in der Mitte des Lenkrades berührt das und Space Shuttle schnell wie jedes Elektroauto auf den 17-Miles-Drive schießt.
Was das ID Buzz so vielversprechend macht, ist nicht nur sein elektrischer Antriebsstrang, der aus der MEB-Architektur stammt und eine Flachboden-Batterie von bis zu 111 kWh und ein oder zwei 150 kW-Motoren für Heck- oder Allradantrieb kombiniert. Es ist nicht die in einem VW Bus bislang unerreichte Beschleunigung von 0 auf 100 in weniger als fünf Sekunden, die für den Fahrspaß viel wichtiger ist als das freiwillige Limit bei 160 km/h. Und es ist auch nicht das Design, das außen schnörkelloser und innen schlichter kaum sein könnte.
Sondern es ist vor allem der Umstand, dass der futuristischste VW Bus dem historischen Mikrobus näher kommt als alle Generationen dazwischen. Er hat das gleiche unerreichte Verhältnis von Größe und Raum, er hat denselben freundlichen Charakter. Und er ist noch viel variabler und flexibler als es der herkömmliche T6 jemals sein wird. Es hat sogar den Motor wieder im Heck. Wenn jetzt nur bitte noch jemand einen Elektroantrieb erfinden könnte, der wie ein luftgekühlter Boxer klingt.
Was man dagegen noch nicht ausprobieren kann, das ist der autonome Modus des ID Buzz, den Volkswagen Schritt für Schritt ab 2025 anbieten will. Weil alle Sensoren und Kameras noch fehlen, kann man nur im Stillstand versuchen, was bald auch während der Fahrt funktioniert: Man muss nur den Finger für mehr als drei Sekunden auf das VW-Logo legen oder ein bisschen an seinem Sitz ruckeln, und das Lenkrad zieht sich ins Armaturenbrett zurück. Dann kann man seinen Sessel um 180 Grad nach hinten drehen und seine ganze Aufmerksamkeit den bis zu sieben Personen widmen, die in der geräumigen Lounge noch Platz finden. Oder man überlegt, wie man sein Gepäck auf bis zu 4.600 Litern Stauraum verteilt.
Natürlich werden sich einige Details noch verändern, bis in den langen vier Jahren die Produktion endlich startet. Zum Beispiel könnte das Auto auf die Größe eines Touran schrumpfen und dann trotzdem noch so viel Platz bieten wie heute ein T6, deutet einer der Entwickler an. Er wird sein rechtwinkliges Lenkrad verlieren, weil es ein bisschen schwer zu handhaben ist, während man enge Kurven nimmt oder in Parklücken rangiert, und er wird ein paar Schalter und Anzeigen bekommen, weil VW die Kunden beim Trip in die Zukunft nicht gleich überfordern will. Aber es wird nicht nur Form und Stil behalten, verspricht Designchef Klaus Biscoiff, sondern vor allem seinen Charakter.
Neben dem elektrischen Antriebsstrang, der Technologie für autonomes Fahren und jeder Menge Konnektivität, bietet der ID Buzz noch viele Gimmicks: Ernsthafte wie die Kameras anstelle der Spiegel, die Gesichtserkennung als Ersatz für den althergebrachten Tür- und Zündschlüssel und alberne wie den kleinen Buddha, der mit einem breiten Grinsen unerschütterlich über dem Armaturenbrett schwebt. Der hat zwar keinen tieferen Sinn, aber er will uns trotzdem etwas sagen: Wer nur lange genug die Ruhe behält und Probleme einfach aussitzt, hat am Ende gut lachen.