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Interview mit Porsche-Entwicklungschef Wolfgang Hatz

Porsche Entwicklungs-Vorstand Wolfgang Hatz packt aus

Wohin geht die Porsche-Reise? Werden bald alle einen Turbo bekommen? Werden bald alle Wageln elektrisch fahren?  Wird es einen Porsche unter dem Boxster geben? Oder über dem Turbo? Ein Interview mit Wolfgang Hatz.

Text: Rainer Behounek
Wolfganz Hatz sitzt in dunkelgrauem Anzug mit kariertem Hemd und roter Krawatte am Esstisch und genießt die Spargelsuppe. In Wahrheit aber, unter dem feinen Zwirn, trägt er Jeans und T-Shirt. Und schmutzige Fingernägel. Und einen Schraubenschlüssel zwischen den Zähnen. Wolfgang Hatz, Entwicklungs-Vorstand bei Porsche, kennt das Auto noch aus einer Zeit, wo nicht nur das Marketing, sondern die Erfolge auf der Rennstrecke für Verkaufszahlen sorgten. War er vorher schon bei Porsche und hatte dort auch die Diplomarbeit geschrieben, wanderte er zwischen 1983 und 1989 in die Motorenentwicklung bei BMW. Das Zuffenhausener Gen ist aber gelieben und so kehrte Hatz wieder zurück zu Porsche. Doch der Mann drehte erneut seine Runden und landete in Italien, bei Fiat/Lancia/Alfa Romeo/Ferrari. Dort werkelte er ebenfalls mit großem Erfolg, bis, ja bis er 2001 den Weg zurück nach Deutschland antrat.

Wenn Wolfgang Hatz über den Motorsport spricht, fangen seine Augen an zu leuchten. „Das muss ma’ sich mal vorstellen, bei einem 6-Stunden-Rennen vier Sekunden Rückstand!! Zum Auszucken ist das!“ Die dreckigen Fingernägel greifen aber neueste Themen an. Wie Elektromobilität zum Beispiel. Schon schön, wenn ein Petrolhead neue Bereiche gleich völlig ausklammert, weil die heutige Zeit doch eh viel schnöder ist als die gute alte Motorenzeit. Er war es, der die Plug-In-Technologie forciert hat und den Porsche 919 hybrid verantwortet. Am Hatz können sich so manche alte Herren da draußen ein gewaltigen Scheibchen abschneiden.
Herr Hatz, Elektromobilität und immer ausgefeiltere Technologien schleichen sich lautlos in die Porsche-Modellreihen ein, wann wird der erste Porsche selber fahren?

HATZ: Da muss ich ein wenig ausholen. In den letzten Jahren wurde der Eindruck erweckt, als könne das Automobil bald völlig alleine fahren. Ich als Fahrer sitz’ dann nur noch da und das Auto macht alles von alleine. Das wird so in nächster Zeit nicht passieren. Zwar werden vor allem im nächsten Panamera alle Systeme an Bord sein, um das zu können, aber derzeit ist das noch viel zu gefährlich. Möchten Sie auf der Landstraße autonom unterwegs sein? Mit Radfahrern, Fußgängern, Rehen und anderen Autos? Also in den nächsten fünf Jahren wird das sehr schwierig werden. Natürlich werden Dinge wie der Staupilot oder das automatische Einparken viel früher kommen, ganz klar.

Will Porsche überhaupt beim autonomen Fahren mitspielen?

HATZ: Ich sag’ meinen Mechanikern immer: „Wir bauen die besten Autos der Welt“, aus unserer Sicht. Porsche deckt nicht alles ab, können wir auch gar nicht. Einen Porsche muss ich spüren, das muss ehrlich sein. Wenn ich in Weissach durch die Gegend fahre, weiß ich sofort ob’s passt. Lenkung. Motor. Bremse. Das ist wichtig.

… In den letzten Jahren wurde der Eindruck erweckt, als könne das Automobil bald völlig alleine fahren. Ich als Fahrer sitz’ dann nur noch da und das Auto macht alles von alleine. Das wird so in nächster Zeit nicht passieren. …

Sie haben bei Porsche das Thema Plug-In ziemlich voran getrieben, warum?

HATZ: Weil das neben der Fahrbarkeit der zweite große Kernbereich ist, Nachhaltigkeit. Mir ist das Thema extrem wichtig. Das hat für mich eine wesentlich höhere Priorität, als etwa ein Garagen-Pilot. Da haben wir extrem Gas gegeben, vor zwei Jahren waren wir die Ersten mit Plug-In, jetzt haben wir drei.

Heißt das, dass vielleicht mal jeder Porsche als Plug-In-Hybrid erhältlich sein wird?

HATZ: Ich bin von dem Thema Elektromobilität überzeugt. Der kombinierte Antrieb gibt dir die Möglichkeit, innerstädtisch emissionsfrei unterwegs zu sein. Und trotzdem hat das Auto eine Reichweite wie ein ausschließlich mit Treibstoff betriebenes Auto, sogar noch a bissl mehr wegen der Batteriereichweite. Vor zwei Jahren bin ich in der Innenstadt von Shanghai den ganzen Tag über elektrisch gefahren, von der Früh bis am Abend. Ob jeder Porsche als Plug-In-Hybrid erhältich sein wird? Wenn’s Spaß macht, warum nicht? Der Spaß muss bei einem Sportwagen wie Porsche trotzdem im Vordergrund stehen, ganz klar.

Die derzeitige Endstufe ist ja der 918 Spyder beziehungsweise der 919 hybrid…

HATZ: Der hat uns völlig neue Sichtweisen aufgezeigt. Ich bin lange mit dem Walther Röhrl zusammen gewesen, der immer gemeint hat: „Ach, des Elektro-Zeugs, i weiß ned“. Der hat seine Meinung komplett geändert. Der 919 hybrid, ich sag’s Ihnen, wenn der die Eau Rouge (Anm. Red.: Kurve in Spa-Franchochamps) raufschießt, da wird Ihnen schlecht. Hybrid kann auch Performance bedeuten.

Inwieweit versucht da ein Sportwagenhersteller wie Porsche, die Entwicklungen aus dem Motorsport so schnell wie möglich in die straßenzugelassenen Fahrzeuge zu implementieren?

HATZ: Genau deshalb hab ich das Projekt 919 gemacht. Da entwickeln wir alles selber. Und da hab ich dann auch ein paar Jungs dabei, die beim 918 Hybridsystem ihre Finger im Spiel haben. Beim 919 sind wir derzeit unschlagbar. Wir sind die einzigen mit acht Megajoule Energie. Und die einzigen, die mit zwei Rekuperationssystemen fahren. Natürlich kann man nicht alle Bauelemente auf die Straße übertragen, auch aus Kostengründen nicht. Aber die Abgasenergierückgewinnung zum Beispiel wird sicherlich kommen.

Wie groß ist der Anteil an Plug-In-Hybrid-Fahrzeugen?

HATZ: (Helmut Eggert, GF Porsche Austria, übernimmt) In Österreich ist der Cayenne Plug-In-Hybrid nach dem Diesel der zweit meistverkaufte Cayenne. Das Thema Hybrid ist im immer mehr im Kommen. Auch deshalb, weil sich die Leut’ denken: „Dem Finanzminister schenkt ich sicher ned mehr, als i eh schon tue“.

Wird es aus Ihrer Sicht einen reinen Elektrosportwagen aus dem Hause Porsche geben?

HATZ: Derzeit passt die Reichweite nicht. Es gibt Hersteller, die verfolgen einen guten Weg, wenn ich aber bei einem Mix aus normaler und performanter Fahrweise nur 250 Kilometer weit komme, dann ist mir das zu wenig. 300. 350 Kilometer, also bei ruhiger Fahrweise 600 Kilometer, dann schaut die Sache schon anders aus. Da sind wir derzeit aber noch weit entfernt. Wenn die Reichweite mit dem Performanceanspruch zusammen passt, dann red’ ma nochmal.

Ab diesem Punkt hab ich mir gedacht: „Ich glaub’ der weiß was, was wir alle nicht wissen“. Ist eh klar, aber ehrlich, ich glaube, Porsche kommt in den kommenden Jahren mit ein paar feinen Dingen. Als die Aussage kam, dass ein rein elektrisches Fahrzeug ja irrlange Ladezeiten bräuchte, meinte Herr Hatz: „Und wenn sie das Auto in einer viertel Stunde aufladen könnten? Was sagen Sie dazu?“ Und wir: „Ja bei welcher Reichweite?“ Und er: „600“.„Ja aber wann kann es soweit sein?“ „Fünf Jahre, vier Jahre, sechs Jahre“.

Jetzt muss sich ja auch Porsche an die EU-Vorgaben im Bereich des CO2-Ausstoßes zumindest annähern, wie weit gehen da die Optimierungsmaßnahmen?

HATZ: Mit dem Facelift des 911ers Ende 2015 kommt schon mal eine große Senkung der CO2-Emissionen – Stichwort Turbomotoren.

In ein paar Monaten wird ja nicht nur der 911 Turbo mit Turboaufladung ausgestattet. Wie geht es weiter bei Porsche, was kommt noch? Und bekommt man da nicht ein Problem mit der Namensgebung, wenn alle Motoren einen Turbo bekommen?

HATZ: Eines kann ich gleich sagen, einen Porsche unter dem Preis des Boxster wird es nicht geben. Kann es nicht geben, das lässt sich einfach nicht realisieren. Ein Ding von mir ist die Idee eines Sportwagens unter dem Boxster aber auf anderen Gebieten. Ein viel leichterer, schlankerer, vielleicht sogar kleinerer Sportwagen, das hätt’ schon was, ich glaube aber, dass der Markt für so einen Puristen noch nicht bereit ist. Wo ich derzeit aber schon am tüfteln bin: Ich kann mir durchaus einen Porsche oberhalb des 911 Turbo vorstellen. So in der Preisliga 300.000 – 400.000, was Beständiges, einen, den man über Generationen formen kann. Mit der Nomenklatur bekommen wir keine Probleme, der Turbo ist ja viel mehr also nur ein aufgeladener Motor.

Im Juni 2015 läuft der 918 Spyder aus, 918 Stück gebaut. Wie geht’s jetzt weiter?

HATZ: Genau, die Stück sind gebaut und verkauft. Der 918 Spyder wird sich meiner Meinung nach in eine ganz spezielle Liga einreihen, da gehören für mich dazu: 550 Spyder und der 959. Der Carrera GT war auch ein Hammer aber vergleich ich den mit den Drei, dann würd der ein 918 ohne Hybrid-Antrieb sein. Die drei spielen in einer eigenen Liga. Die waren in ihre jeweiligen Zeit revolutionär. Man darf ja nicht vergessen, in der Liga, in der der 918 spyder spielt, in der ist er ja vergleichsweise günstig. Schauen Sie sich den Mitbewerb an, da bist gleich mal bei zwei Millionen.

Brennt Ihnen ein Nachfolger schon unter den Fingernägel?

HATZ: Vom 918 Spyder haben wir unglaublich viel gelernt. Vielleicht in zehn Jahren, da könnt ich mir einen Nachfolger vorstellen. Das braucht auch Zeit. Aber ich hab mir die Frage gestellt, ob wir so einen richtigen Hardcore-Sportler nicht auch bauen könnten, der so bei den ein bis zwei Millionen liegt. Ich glaube, dass wir als Marke das können. Ich glaube aber nicht, dass wir das machen.

Ist wahrscheinlich auch eine Kostenfrage.

HATZ: Bei so einem Auto wie dem 918 spyder, da war nichts da, ein weißes Blatt Papier. Das komplette Auto, selbst das Infotainment-System, mussten wir vom Strich weg machen. Das Ziel war, eine schwarze Null unterm Strich zu schaffen. Ich sag’s Ihnen ehrlich, wir haben’s nicht geschafft. (Anm. Red.: Bei uns kostet(e) der Überdrüber-Porsche ab 776.000 Euro. Und das mal 918) Gelohnt hat es sich allemal. Denn was wir mit finanziellen Parametern nicht bewerten können, ist der immense Know-How-Gewinn. Natürlich auch Prestige, keine Frage. Aber das, was wir aus dem Projekt alles gelernt haben, ist mit Geld gar nicht aufzuwiegen.

Herr Hatz, danke für das Gespräch.

Rainer Behounek

War bis 2017 Teil der Motorblock-Redaktion.

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