In der Kompaktklasse ist der VW Tiguan das Maß aller Dinge. Denn das handliche SUV hat weltweit nicht nur den VW Golf hinter sich gelassen, sondern auch alle Konkurrenten. Doch die geben deshalb nicht kampflos klein bei, sondern fahren um so schwerere Geschütze auf – zum Beispiel Kia: Die Koreaner bringen Ende Januar zu Preisen ab 30.590 Euro die fünfte Generation des Sportage an den Start und wollen dem Tiguan damit zwar nicht gleich vom Thron stürzen, wollen aber zumindest gehörig daran wackeln.
Dafür haben sie ihr SUV mehr denn je auf Europa zugeschnitten. Denn der Wagen wurde nicht nur in Frankfurt gestaltet, in Rüsselsheim entwickelt und dem Werk im slowakischen Zilina zugesprochen. Sondern er hat auch ein ganz eigenes Format. Während Kia den Sportage im Rest der Welt mit größerem Radstand und entsprechend längerer Karosse verkauft, gibt’s für Europa eine um knapp zehn Zentimeter beschnittene Version. Die misst allerdings noch immer 4,52 Meter und bietet bei 2,68 Metern Achsabstand gegenüber dem Vorgänger trotzdem ein Plus an Platz: In der ersten Reihe fährt man fürstlich, in der zweiten bequem und der Kofferraum wächst um 15 Prozent auf bestenfalls knapp 600 Liter. Legt man mit dem Kippschalter im Kofferraum die Lehnen flach, passen bis zu 1.780 Liter hinter die natürlich auf Wunsch elektrische Klappe
Technisch eng verwandt mit dem Hyundai Tucson, übernimmt Kia eine Antriebspalette, die zwar nur auf einem schmalen Leistungsband fährt, dafür aber viel Auswahl bietet. Denn neben einem reinen Diesel mit 48 Volt-Technik und einem ebenfalls mild hybridisierten Benziner gibt es den Sportage auch als Vollhybriden mit und ohne Stecker. Dass muss den Koreanern erst mal einer nachmachen – zumal sie den Kunden auch noch die Wahl zwischen Front- oder Allradantrieb sowie Schalt- oder Doppelkupplungsgetriebe lassen.
Los geht es beim Diesel mit 136 PS, die Benziner haben 150 oder 180 PS, für den konventionellen Hybriden lobt Kia 230 PS aus und beim Plug-In stehen 265 PS im Datenblatt. Dazu gibts neben dem stärkeren E-Motor einen Akku von 13,8 kWh. Der erlaubt Geschwindigkeiten von rund 130 km/h und reicht für bis zu 60 Kilometer.
Zwar sieht der Sportage deutlich knackiger aus als bisher und leistet sich hinter seiner traditionellen Tigernase ein paar Ecken und Kanten. Doch während das Styling dem Namen alle Ehre macht, ist das Set-Up eher gemütlich. Ja, die Lenkung ist direkt und das Fahrwerk ist bestimmt – aber als verantwortungsvolle Familienkutsche ist der Sportage eher Blutdrucksenker denn Pulsbeschleuniger und macht deshalb einen ausgesprochen gelassenen, gutmütigen und komfortablen Eindruck.
Am meisten Punkte sammelt Kia allerdings mit Ambiente und Ausstattung. Denn zu Preisen, zu denen es in Wolfsburg nicht einmal einen nackten Tiguan gibt, stellen die Koreaner einen Konkurrenten auf die Räder, der in seinen gehobenen Varianten selbst für die Kunden der süddeutschen Premiummarken zur Alternative wird: Denn die Materialauswahl ist vornehm, die Liebe zum Detail groß und der Eindruck rundherum positiv, wenn man sich in die aufwändig abgesteppten Sitze fallen lässt. Und spätestens wenn über die halbe Breite des Armaturenbretts der aus dem EV6 entlehnte Riesenbildschirm aufflammt, sieht der Tiguan gar vollends alt aus.
Zwar ist auch das Anzeige- und Bedienkonzept des Sportage nicht ohne Tadel und die doppelt belegte Touchleiste über dem Mitteltunnel braucht ein wenig Gewöhnung. Doch die Sprachsteuerung und die Online-Anbindung sind prima und der elektronische Schulterblick beim Aktivieren des Blinkers ist eine Schau, der mit seiner Videoeinblendung hinter dem Lenkrad obendrein spürbar die Sicherheit verbessert.
Natürlich zielt der Sportage auf den Segmentführer VW, stichelt aber auch ein wenig gegen die anderen Konzernmarken. Denn bei Ambiente und Ausstattung fährt er beinahe auf Augenhöhe mit Audi und Skoda führen die Koreaner gleich auch noch vor: Die auf Knopfdruck öffnenden Cupholder, die 360 Grad-Darstellung beim Parken, bei der man mit einem Fingerzeig förmlich ums Auto fliegen kann, die USB-Buchsen in den Rücklehnen und die in den Kopfstützen integrierten Kleiderbügel- das alles ist schon „simply clever.“