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Lamborghini Aventador Ultimae: Finale furioso

Sag zum Abschied leise Servus? Darüber können sie bei Lamborghini nur lachen. Wenn jetzt mit dem Aventador der vielleicht letzte Supersportwagen alter Schule so langsam in den Ruhestand rollt, dann tut er das mit großen Getöse: Ultimae heißt die Sonderserie für das furiose Finale und wer das mit „ultimativ“ übersetzt, der erfasst gleich die doppelte Bedeutung. Denn die 350 Coupés und 250 Roadster, die in diesen Tagen zu Preisen ab 400.000 Euro (D) an die sehnsüchtig schmachtenden Kunden aus aller Welt ausgeliefert werden, sind nicht nur die endgültig letzten ihrer Art und markieren damit zugleich das Ende des frei saugenden V12-Motors. Sondern der „Ultimae“ ist auch der ultimative Aventador, die Quintessenz dessen, was Lamborghini ausmacht.

Er verkörpere den finalen, reinsten und zeitlosen V12 der Marke, sagt Firmenchef Stephan Winkelmann und schwärmt vom unverkennbaren Design, dem emotionsgeladenen Fahrerlebnis und einer außergewöhnlichen Ära: „ Er ist der letzte seiner Art: Er steht für maximale Leistung und kompromisslose Performance, wie es von einem modernen V12 von Lamborghini erwartet wird, gepaart mit unserer einmaligen Design-DNA der Extraklasse.“ So kröne der Ultimae die Karriere eines Autos, das schon bei seiner Markteinführung vor mehr als zehn Jahren dazu bestimmt gewesen sei, ein Klassiker zu werden. 

Wo andere Kronen Zacken haben, hat die des Aventador Zylinder – und derer genau zwölf. Schließlich gilt das gemeinhin als die perfekte, scusi, ultimative Motorformel für einen Mittelsportwagen am oberen Ende der Leistungsskala und die 6,5 Liter Hubraum verleihen ihm den nötigen Glanz. Was bei der Premiere 2011 mal mit 700 PS begonnen hat, gipfelt nun in einem neuen Rekord von 780 PS, mit denen 720 Nm einhergehen. Legende, Mythos, Meisterstück, das sind die Metaphern, die dem Management bei diesem Motor durch den Kopf gehen. 

Ja, der Chef beherrscht die großen Worte. Doch auch das lauteste PS-Getöse wird zum Hintergrundrauschen, wenn ein zitternder Zeigefinger die rote Schutzklappe über dem Startknopf drückt und das Triebwerk des Ultimae zum Leben erwerckt. Von jetzt auf sofort bricht im Nacken ein Krawall los, als hätten sich die Tore zur Hölle geöffnet. Der 6,5 Liter saugt und spotzt ganz ungeniert, er schreit vor Freude, wenn die Kolben im explosiven Gemisch aus Superplus und Sauerstoff baden und er brüllt auf, als müsse sein Echo für die Ewigkeit wiederhallen, weil er weiß, dass es für ihn kein Morgen mehr gibt. Und falls er doch verklingen sollte, gibt’s ja noch ein paar Fehlzündungen in den Endtöpfen, die ihn wie Salutschüsse in Erinnerung halten.

Dann zuckt die rechte Hand an den sichelgroßen Wippen hinter dem Lenkrad, der Gang schnalzt ins Getriebe und den ersten Gasstoß quittiert der Aventador mit einem Tritt ins Kreuz, wie ihn der Bulle im Markenlogo nicht kräftiger hätte setzen können. In 2,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h, in nicht einmal 30 Sekunden von 0 auf 300, bei Vollgas 355 Sachen, und danach in weniger als 30 Metern wieder von 100 auf 0 zurück – da wirken auf den Fahrer Kräfte fast wie im Kampfjet. 

So brachial dieser Kraftakt auch klingt und so bitterböse der nur 1,13 Meter hohe, aber dafür 2,03 Meter breite Tiefflieger in den neuen Farbkombinationen der finalen Edition auch auftritt, so verblüffend leicht und unschuldig lässt er sich fahren. Natürlich braucht man einen halbwegs gefestigten Charakter und zumindest einen Rest von Gemeinsinn, wenn einem der Führerschein lieb ist. Doch so lange man den Kampfstier im Modus „Strada“ bewegt und sich nicht gerade die engsten Kehren aussucht, ist er beinahe handzahm und bewegt sich so brav wie ein übermotorisierter Audi TT. Erst wenn man die Schalterleiste auf der Mittelkonsole über „Sport“ auf „Corsa“ durchklickt, zeigt der Aventador sein wahres Gesicht und wird so brutal und biestig, wie man es von ihm erwartet. Dann wechseln die Gänge in 50 Millisekunden, jeder Schaltvorgang wirkt wie ein Schlag ins Kreuz, das ESP ist nicht viel mehr als eine ferne Illusion von Sicherheit, der Zwölfzylinder brüllt jedes Selbstgespräch nieder und der Serpentinen in den Hügeln am Rande der Emilia Romana werden zum Ritt auf Messers Schneide. Und wenn dann noch die Karbonplatten über dem Kopf im Bug verschwinden, fühlt man sich wie Tom Cruise in Top Gun, kurz nachdem er die Kanzel von seinem Jet gesprengt hat.

Zum Abschied also doch ein leises Servus und vielleicht sogar ein bisschen ein schlechtes Gewissen? Von wegen. Sollen sie doch den nächsten V12 mit einem Hybridmodul verheiraten und später irgendwann nur noch Elektroautos  bauen. Doch fürs Erste vertreiben wir diese Geister mit einem Kickdown und einem Brüllen, wie es nur ein saugender Zwölfender zustande bringt. Selbst wenn in Sant’Agata plötzlich der Putz von den Wänden bröckelt und auf der Piazza die Pflastersteine tanzen. So und nicht anders klingt ein Arrivederci in Italien – zumindest wenn es dem Aventador gilt.

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