Toyotas Nobel-Schwester entert das Midi-SUV-Segment und stilisiert das Schnitzen schneller Schlitze zum endgültig letzten Schrei im Karosseriebau. Ausserdem ist der Lexus NX 300h eines der bequemsten Autos seiner Gattung.
von Franz J. Sauer
Zur verwirrend anzufahrenden, aber designtechnisch doch sehr gelungenen Auffahrt des DC-Tower auf der Wiener Donauplatte passt der Lexus NX ziemlich gut. Es ist ein Edelwagen, der da steht, das sieht man sofort. Anmut im Auftritt, Sendungsbewußtsein in der Größe. Der NX ist eine der wenigen, aktuellen Neuvorstellungen, die in echt noch besser aussehen als auf den vorab veröffentlichten Fotos der Hersteller. Und das ist ja schon mal ein guter Einstieg
Apropos Einstieg: Viel Platz nimmt einen in Empfang. Man darf ja nicht vergessen: wir sind nicht im Groß-SUV-Segment. Es ist die Klasse der X3 und Q5, die der NX betritt. Und aufzumischen gedenkt. Ein Ziel, das der japanischen Konkurrenz bei Infiniti mit dem QX50 hierzulande eher nicht gelang. Auch als dieser noch EX30 hieß nicht.
Nobelableger
Freilich, in Sachen Markenwahrnehmung ist der Nissan-Nobelableger auch noch ziemlich hintennach im Vergleich zu Lexus. Immerhin trat man schon Ende der Achtziger Jahre in Erscheinung, mit einem auf S-Klasse und 7er BMW gerichteten Zielfernrohr. Keine leichte Übung hierzulande, anders etwa als in den USA, wo man mit entsprechendem Marketing-Gedöns über Preis-Leistung punkten kann. Aber in Mitteleuropa ist man aus dem deutschen Luxusauto verbunden, es kommt ja nicht von ungefähr, dass selbst die europäischen Mitbewerber aus Frankreich oder Italien irgendwann aufgegeben haben, gegen die deutsche Oberklasse anzutreten. Ausserdem gilt bei allem neuen zunächst mal: was der Bauer ned kennt, frisst er ned.
Innovationsgeist
Diese Zeit hat Lexus nun gut 25 Jahre später allerdings auch lange hinter sich. Man kennt die Marke, keine Frage und in Verbindung gebracht wird sie gerne mit dem hervorragend toyota-gebrandeten Begriff Hybrid. Anders als bei der Konzernmutter ein Kompakt-Raumschiff namens Prius hat bei Lexus der SUV RX die Aufgabe bekommen, das Alternativ-Antriebs-Fähnchen hochzuhalten, was ihm ab der zweiten Generation auch wunderbar gelang.
Mittlerweile kommen die Autos in Kilometerstandregionen, die Flottenchefs bedenklich stimmen könnten, funktionieren aber noch immer, trotz eigentlich recht fairem Einstiegs-Preisgefüge. Damit hat das Hybrid-Thema längst die ehrenvolle, aber unlukrative Kliental der Early Adoptors verlassen und ist auch in der gehobenen Business-Klasse zum Massenthema geworden. Und siehe da – diesmal sind es die Deutschen, die hier feste hinterherhinken …Es versteht sich von selbst, dass der erste NX (ab sofort bestellbar) ein Hybride ist. Das kümmert beim Erstkontakt insofern wenig, als man zunächst verblüfft ins Ledergestühl sinkt und nicht zu sinken aufhört. Ehrlich! Gefühlte Minuten wird der Sessel weicher und weicher, umschließt wohltuend Rücken und Gesäß, erinnert an das Sofa zuhause und … nein! Müde wird man nicht. Dazu blinkt zuviel an Gelämpchen rund herum. Zwei Displays wollen beherrscht werden, die rechte Hand fällt aufs Touchpad und starten sollte man das Ding ja schließlich auch noch irgendwo können …
Dass einem nach dem Startknopf-Drücken vorerst kein Motorengeräusch klanglich nahetritt, ist man mittlerweile gewöhnt. Wie ungeniert man dem Ding allerdings ins Gummiband treten darf, bis der Motor endlich mal aufwacht, ist dann doch ein wenig überraschend. Erst als man wirklich ungestüm reintritt, eigentlich mehr zum zu checken, ob da überhaupt ein Motor vorhanden ist, erwacht letzterer zum Leben. 155 PS stemmt der Vierzylinder alleingelassen auf die Vorderachse. Zur Hilfe eilt ein 143 PS-Stromer und wenn man den Allradler genommen hat, überreden zusätzliche 68 Elektro-Pferde die Hinterachse zur emsigen Mitarbeit.
Nicht adäquat wären hier Begriffe wie forsch, schnell, rasant, sportlich oder gar spritzig.
Sports?
Emsig triffts ganz gut, was sich dann tut. Nicht adäquat wären hier Begriffe wie forsch, schnell, rasant, sportlich oder gar spritzig. Es hat schon seinen Grund, denkt man sich, warum hier kein Drehzahlmesser mitzählt. Erst wenn man den prominent platzierten Fahrmodus-Schalter richtung Sport dreht, taucht ein Tourenzähler auf. Und schnellt sofort ungut in die Höhe, weil ein CVT-Getriebe selbst dann keine Fahrstufen kennt, wenn man es per Kick Down zum Aufwachen bringen mag. Der Vortrieb ist dann zwar ausreichend, kann man wohl sagen. Aber eben nur ausreichend, muss man wiederum sagen.
Utility!
Berechtigt bleibt an dieser Stelle die Frage, ob es denn wirklich sein muss, dass ein SUV wie der NX um jeden Preis anschraubt wie der blöde, wenn man sein Gaspedal streichelt. Die Antwort ist freilich nein. Und zum gemütlichen Dahincruisen von der Vorstadt nach Downtown und zurück reicht die Leistung ebenso wie für einen gemütlichen Autobahn-Trip in den Süden. Und das formidable Fahrwerk, das gar nicht so schlecht hält auf den Serpentinen von Sievering zum Cobenzl, wird dann im nächsten Jahr vom ersten Turbo-Lexusmotor gefordert, der uns mit 238 PS und einem 100er-Sprint in unter zehn Sekunden vorversprochen wird.
Das Main-Asset des NX bleibt allerdings der Komfort. Man lümmelte selten bequemer in einem SUV herum. Selbst auf schlechteren Straßen zwackt, ruckelt oder pumpert nix. Die Sitze federn, das Fahrwerk federt und auch der Antrieb federt, von unguten Einflüssen auf Lenkung oder Genick-Verhalten keine Rede. So lässt sich der Cobenzl ebenso kommod erreichen wie der Klee am Hanslteich und selbst der kleine Ausflug ins Abseits der Straße über Stock, Stein und Schotter tat niemandem weh. Ausser der designverwöhnten Seele, die die Kotspritzer an Flanken und Felgen förmlich spüren konnte, wenn sie auftrafen.
Vehicle …
Platz hat er auch, der NX. Viel sogar. 555 Liter Stauraum geben sich einladend, die Rücksitzbank ist im Verhältnis 60:40 elektrisch (!) umlegbar und der Platz auf den Vordersitzen wurde ja schon als formidabel gelobt. In Sachen Unterhaltungselektronik setzt dieser Lexus allerdings Maßstäbe – neben einer feinen Soundanlage, die auf die Klangverbesserung von Digitalen Files spezialisiert ist, mit einer tollen Induktions-Handyladestation nämlich, die entsprechend kompatible Smartphones (QI-Protokoll) ohne jeglicher Steckerei wieder auflädt.
Mein iPhone 5 war dieser Aufgabe ohne Adapter leider nicht gewachsen, wir glauben den Herstellerangaben vorerst, dass das mit den meisten Phones bereits wunderbar funktioniert. Ansonsten gefällt sich das Armaturenbrett in luxuriöser Anmutung, rote Steppnähte wechseln sich mit grobem Leder ab und selbst der Handballen der rechten Hand findet sich auf einem belederten „Mauspad“ wohlgelagert, wenn es mit dem Zeigefinger die üppigen Bedienbarkeiten auf einem der beiden Displays zu handlen versucht.
Da hat uns der Joystick aus dem CT allerdings besser gefallen, gehört an dieser Stelle höchst subjektiv vermerkt. Beim Dahinrollen missfällt das Schisteln am Touchpad – da tippt man oft daneben. Und wo es viele Menüs zum durchsurfen gibt, verirrt man sich schnell mal. So wird selbst Sendereinstellen zur Geschicklichkeitsübung, andererseits hört man hier von der Kollegenschaft auch rechtschaffen gegenteiliges – vielleicht sind meine Würschtelfinger bloß ungeschickt. Insofern lässt sich die Sache mit dem Touchpad vorerst als „Gewohnheitssache“ schubladisieren und wir reden nach dem ersten längeren Test nochmal darüber.
Fazit
Es müsste schon viel schief gehen, wenn dieses Auto nicht in Kürze den Renner des Lexus-Modellprgrammes darstellt. Als solcher ist er schließlich auch gedacht, man erwartet eine flinke Übernahme der 60 Prozentmarke unter den Lexen. Feststeht: es wurde hier eine gefällige Spitze gegen die Xen und Q’s aus Bayern platziert, den Mercedes GLK lässt man ab Start um Meilen hinter sich, was Luxus-Appeal und Komfort betrifft. Mit einem Einstiegspreis von 39.990 Euro inklusive aller (hybridfreundlichen) heimischen Steuern dürfte er das Zeug dazu haben, vor allem Neukunden auf die Marke Lexus aufmerksam zu machen. Und das ist gut so – wir wollen viel der schicken Gefalzten in Bälde auf unseren Straßen sehen.