Der Name löst bei der Bleifußfraktion noch immer ein Kribbeln aus und die Autos sind legendär. Doch wirtschaftlich läuft es für Lotusseit Jahren eher bescheiden und die Mutter des Leichtbaus tut sich mit dem Überleben ungeheuer schwer. Doch Rettung naht – und ein passendes Auto zu dieser gibt’s natürlich auch: Vorhang auf für den Lotus Evija.
Von Thomas Geiger
Zu viele Investoren haben schon zu viele neue Anläufe genommen und zu viele große Ideen gehabt, als dass dabei etwas Sinnvolles herausgekommen wäre. So genial die Eliseist, nutzt sich auch das einfachste Sportwagen-Konzept irgendwann einmal ab und braucht deshalb ein paar Frischzellen. Die soll jetzt niemand geringeres liefern als Geely. Die Chinesen, die schon Volvowieder flott gemacht, das ikonische London Taxi elektrisiert, sich groß bei Daimlereingekauft und im Frühjahr auch noch die Hälfte von Smartund damit die Verantwortung für die Zukunft des Bonsai-Benz übernommen haben, sind auch in Hethel eingestiegen und wollen Lotus in eine neue Ära führen. Und nicht zuletzt die prall gefüllten Kassen der Chinesen sprechen dafür, dass es diesmal vielleicht sogar klappen könnte.
Der erste Aufschlag von Geely in Hethel macht jedenfalls schon einmal Mut. Denn um den Aufbruch zu markieren, gibt es jetzt – zum ersten Mal seit über zehn Jahren – tatsächlich mal ein komplett neues Auto. Zwar wird das nur in einer Kleinserie von maximal 130 Exemplaren gebaut und die Produktion startet erst im nächsten Jahr. Doch wenn die Praxis auch nur einen Bruchteil dessen hält, was die Theorie verspricht, dann ist dieser Evija alles Warten wert. Denn der Zweisitzer wird nicht weniger als der schärfste Supersportwagen, der jemals durch das Vereinigte Königreich gerollt ist – und natürlich tut er das zukunftsfest und deshalb rein elektrisch.
Mit den stark modernisierten Linien der Elise gezeichnet, im Windkanal glatt geschliffen und spektakulär in Szene gesetzt, fährt der nicht einmal 4,50 Meter lange und kaum 1,12 Meter hohe Evija mit vier E-Motoren, die zusammen auf 2.000 PS kommen und den Lotus zum stärksten Serienauto der Welt machen sollen. Selbst der neue Pininfarina Battista ist dagegen fast ein bisschen schwächlich.
Entsprechend imposant sind die Fahrleistungen, die Lotus in Aussicht stellt. Der Sprint von 0 auf 100 in weniger als drei Sekunden ist schon spektakulär. Aber dass bis 200 ebenfalls nur drei und bis 300 dann weitere vier Sekunden vergehen, ist bislang unerreicht. Und mehr als 340 km/h Spitze schaffen auch nicht viele andere Autos – schon gar keine elektrisch angetriebenen.
Als Basis für diesen Kraftakt dienen Batterien, wie sie bislang nur auf der Rennstrecke zum Einsatz gekommen sind. Obwohl die Akkus eine Kapazität von 70 kWh haben und deshalb zentnerschwer im Wagenboden lasten, bleibt Lotus dabei seinen Idealen treu: Der Evija wiegt nicht einmal 1,7 Tonnen und ist damit schon fast für einen konventionellen Supersportwagen ein Leichtgewicht. Unter den Akku-Autos dürfte er es aber zum Rekordhalter bringen.
Und das ist nicht die einzige Bestmarke, die der Zweisitzer mit seinen Batterien aufstellt. Die Akkus, die für bis zu 400 Kilometer reichen sollen, gehören auch beim Laden zu den schnellsten am Markt. Vom langjährigen Formel-E-Partner Williams Advanced Engineering entwickelt, sind sie bereits auf eine Ladeleistung von 800 kW ausgelegt. Sollte die bis zum Marktstart auch von irgendeiner Ladesäule unterstützt werden, würde ein kompletter Boxenstopp nur noch neun Minuten dauern, versprechen die Briten. Aber auch mit dem aktuellen Stand der Technik steht der Evija nicht lange: mit einer 350 kW-Ladung sind 80 Prozent Füllstand nach 12 und 100 Prozent nach 18 Minuten erreicht.
Schneller, stärker und leichter als die Konkurrenz und dann auch noch mit den modernsten Batterien ausgestattet – so jagt beim Evija ein Superlativ den anderen. Da ist es kein Wunder, dass auch der Preis den Rahmen gewaltig dehnt: Mit umgerechnet rund 2,25 Millionen Euro mag der Zweisitzer zwar noch nicht das teuerste Auto der Welt sein, doch für einen Lotus hat bislang noch niemand so viel bezahlt. Und es ist noch nicht lange her, da hätte man für diesen Betrag wahrscheinlich nicht nur ein Auto, sondern gleich die ganze Firma bekommen.