Luxus-Laster: Actros als Glamour-Camper

Mercedes-Benz Actros als Glamour-Camper

Luxus-Laster

von Thomas Geiger

Als Kind hat er keine Folge der Fernsehserie „Auf Achse“ verpasst. Jetzt ist Michael Ebner selbst eine Art Trucker – aber in anderer Mission: Sein Mercedes Actros ist kein gewöhnlicher Fernlaster, sondern das vielleicht vornehmste Wohnmobil, das man in Deutschland für Geld und gute Worte kaufen kann. Denn für 680 000 Euro wird der 16-Tonner zur Luxus-Suite für die Langstrecke, der alle Komfort eines Fünf-Sterne-Hotels bietet – Wellness-Dusche, Doppelbett und Sterne-Küche inklusive.

Geboren ist das Konzept eigentlich aus der Not heraus. Denn erstens ist Ebner leidenschaftlicher Camper, seit seine Eltern ihn im Wohnwagen durch ganz Europa kutschiert haben. Und zweitens ist er als Eigentümer einer Software-Firma so oft auf Dienstreisen, dass er partout keine fremden Betten mehr sehen mag und im Urlaub lieber in den eigenen vier Wänden schläft – nur dass er dabei halt nicht immer die grünen Hügel der Rhön sehen möchte. Und weil er nach zehn Jahren in den teuersten Wohnwagen noch immer nicht zufrieden war und ihn auch die wenigen Luxus-Wohnmobile aus Europa nicht so richtig überzeugen konnten, weil dort für mehr Geld zwar auch mehr Raum aber nicht gleich mehr Qualität geboten wird, hat er sich sein Traumhaus auf Rädern einfach selbst gebaut.

Luxus für die Dienstreise

Wo andere sich dabei eines Fiat Ducato oder eines Ford Transit bedienen, hat Ebner dafür den Mercedes Actros als Basis genommen. Denn so konnte er sich hinter der Gigaspace-Kabine auf mehr als zehn Metern Länge eine geräumige Suite bauen und zugleich seinen Kindheitshelden Franz Meersdonk und Günther Willers aus „Auf Achse“ nacheifern. Und ganz nebenbei ist es einfach ein gutes Gefühl, einen Sechszylinder von 12,8 Litern Hubraum, 421 PS und 2100 Nm zu beherrschen, sagt der Magellano-Chef.

Das gefällt Ebner so gut, dass er selbst auf Dienstreisen immer öfter seinem V8 im Audi RS6 untreu wird und sich statt dessen zwei Meter über der Straße in den bequemen Ledersessel schwingt und als Selbstversorger zu seinen Geschäftspartnern fährt. Denn besser als in den 30 Quadratmetern seines Magellanos wohnt er in keinem Hotel: Die Federung nivelliert den Laster automatisch und binnen 30 Sekunden fahren wie elektrische Erker die riesigen Slide-Outs aus den Seitenwänden und schaffen innen eine luftige Atmosphäre, wie sie kaum ein Gästezimmer zu bieten hat. Es gibt eine große Sitzecke vor der komplett mit Backofen, Spülmaschine und Kühl-Gefrier-Kombination eingerichteten Küche, im Heck hat er ein zwei mal zwei Meter großes Doppelbett, vor dem auf Knopfdruck ein riesiger Fernseher aus der Verkleidung fährt. Das Bad mit der verglasten und in vier Farben beleuchtbaren Dusche kann man ohne Platzangst benutzen, und für den Job hat er natürlich einen LTE-Router eingebaut, der den Magellano zum mobile Office macht. Selbst ein Fitnessstudio ist an Bord, sagt Ebner und zeigt stolz die Fahrräder, die er in der Garage hinter dem Hausanschlussraum unter dem Schlafzimmer festgezurrt hat.

Griller und Großbild inklusive

Ein Jahr lang haben Ebner und seine Frau Stefanie geplant und gemeinsam mit Handwerkern aus der Region geschraubt gesägt und geschweißt und nebenbei noch den Lkw-Führerschein gemacht, bis die Familie in dem nach dem portugiesischen Seefahrer und Weltentdecker benannten Magellano auf Jungfernfahrt gehen konnte. Das ist jetzt ein gutes Jahr und schon mehr als 12 000 Kilometer her und wo Ebner auftaucht, ist ihm die Neugierde sicher. Zwar sind sie auf den besseren Campingplätzen solche XXL-Wohnmobile mittlerweile gewohnt, sagt der Firmenchef. Doch manchmal komme er sich schon so vor, als fahre er im Rolls-Royce bei McDrive vor. Und je nachdem, wie er den Magellano parkt, stellt er alle anderen Camper damit buchstäblich in den Schatten: „Bei vier Metern Aufbauhöhe sieht der Nachbar mit etwas Pech den ganzen Tag keine Sonne mehr“, sagt Ebner mit einem entschuldigenden Lachen. Gut, dass er im Kellergeschoss seines Luxuslasters einen halben Biergarten samt Grillstation, Großbild-Leinwand und Fußballfanbeleuchtung herumfährt und seine Platznachbarn so wenigstens mit Bundesliga-Partys versöhnlich stimmen kann.

Zwar hat Ebner den Magellano zunächst aus purem Eigennutz entwickelt. Doch schnell war ihm klar, dass es für solche Fahrzeuge durchaus einen Markt gibt. Denn „Glamping“, also Camping mit einem gewissen Glamour-Faktor, liegt voll im Trend und Luxus läuft ohnehin besser als Standard. Deshalb hat der IT-Unternehmer daheim in der Rhön ein paar Millionen in die Hand genommen, eine Halle gebaut, zwei Mitarbeiter eingestellt, Verträge mit Schreinern, Installateuren und Elektrikern geschlossen und mal eben eine Firma aus dem Boden gestampft. Jetzt berät er Lust- und Leidensgenossen, analysiert ihre Wohnsituation und ihren Geschmack und individualisiert den Magellano je nach Gusto. Die Planung dauert oft bis zu einem Jahr – probewohnen in Ebners Privatfahrzeug inbegriffen. Danach braucht das Magellano-Team noch einmal sechs bis acht Monate für den Umbau des Fahrzeugs.

Großes Kundeninteresse

Das Interesse sei riesig, sagt Ebner: Die ersten Bestellungen sind unter Dach und Fach und die nächsten werden gerade intensiv verhandelt. Allerdings tritt der Unternehmer dabei von selbst auf die Bremse. Erstens, weil ihm die persönliche Beratung so wichtig ist. Und zweitens, weil er bei aller Arbeit noch Zeithaben will, seine Luxus-Suite auf Rädern selbst zu genießen. Schließlich träumt er schon seit Jahren davon, den Magellano mal über den Atlantik zu schiffen und dann ein paar Wochen durch Amerika und Kanada zu fahren. Mehr als vier bis sechs Fahrzeuge im Jahr will er deshalb nicht bauen.

So luxuriös und geräumig der Magellano auch sein mag und so viel Power sein 12,8-Liter-Diesel auch haben mag, gibt es dabei nur ein Problem – für die Behörden bleibt das Luxuswohnmobil ein Laster wie jeder andere – und darf deshalb nicht schneller fahren als 80 km/h. Ebner ist das egal. Erstens greift der Begrenzer erst bei 110 Sachen, zweitens ist er damit ja im Urlaub und nicht auf der Flucht und drittens waren Franz Meersdonk und Günther Willers auch nicht schneller auf Achse – und trotzdem die Helden seiner Jugend.

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