Dagegen sieht selbst das Innenleben eines Tesla altmodisch und überladen aus: Wenn Mercedes im Herbst als grüne Alternative zur S-Klasse endlich den EQS vom Stapel lässt, will der elektrische Luxusliner nicht nur mit den fließenden Linien seines Designs, der schnellsten Ladetechnik und einer Reichweite von bis zu 700 Kilometern punkten, sondern auch mit dem vielleicht coolsten Cockpit, das derzeit für ein Auto zu haben ist.
Denn wo bislang mehr oder minder viele und große Einzelbildschirme montiert wurden, installieren die Schwaben nun einen so genannten Hyperscreen, der sich über die gesamte Breite des Innenraums erstreckt und das klassische Armaturenbrett komplett ersetzt. Das passt in die Zeit, sagt Jan Burgard von Strategieberater Berylls in München: „Denn in vielen Ländern sind die Zoll-Angaben für die Displays längst wichtiger als die Zahl der Zylinder“. Und für Autos ganz ohne Zylinder, die sich über Fahrdynamik kaum mehr differenzieren, gilt das wahrscheinlich erst recht.
Zwar nutzt auch Mercedes mehrere einzelne Bildschirme, von denen einige sogar mit OLED-Technologie ausgestattet sind, und schraubt dabei erstmals auch einen Screen vor den Beifahrer. Außerdem geben zwölf Vibratoren den Fingerspitzen an besonders neuralgischen Stellen ein haptisches Feedback. Doch weil alle Anzeigen unter einer gemeinsamen, nahtlosen und nur von zwei Lüferdüsen durchbrochenen Abdeckung verschwinden, die sich, bei 650 Grad gegossen und deshalb auch leicht gebogen, über mehr als 1,40 Meter spannt und insgesamt über zwei Quadratmeter Oberfläche aufweist, wirkt das Cockpit wie aus einem Guss und ist ganz großes Kino.
So cool und clean die Bildschirmlandschaft mit ihren neuen Grafiken für Tempo & Co, mit Unterhaltung für den Beifahrer oder flimmerndem Sternendekor auch aussehen mag, so schwierig wird die Bedienung, wenn man auf fast alle Schalter verzichtet. Das beweist nicht zuletzt der neue VW Golf, der das Gros der Fahrer mit all seinen Sensorfeldern, Slidern und Touchbars hoffnungslos überfordert. Damit das im EQS nicht passiert, überlässt Mercedes die Regie in diesem großen Auto-Kino einem weiterentwickelten MB UX-System, das nicht nur radikal vereinfachte Menüs hat, die sich automatisch der jeweiligen Situation anpassen. Sondern vor allem haben die Schwaben MB UX mit reichlich künstlicher Intelligenz und einer wissbegierigen Beobachtungsgabe ausgestattet. Mit jedem Kilometer lernt das System die Vorlieben, Gewohnheiten und Routinen von bis zu sieben Fahrern genauer kennen und schlägt je nach Anlass automatisch bestimmte Bedienschritte vor. Noch bevor der Fahrer überhaupt merkt, dass die Temperatur draußen wieder unter 15 Grad gefallen ist, offeriert MB UX dann zum Beispiel die Sitzheizung, schlägt wie jeden Freitag um 18 Uhr den Anruf bei den Eltern vor oder bietet samstags mittags das Fußballstadion als Navigationsziel an: „Es ging uns nicht darum, den größten Bildschirm aller Zeiten in einem Auto zu konstruieren“, sagt Chefprogrammierer Sajjad Khan. Sondern die Schwaben wollten bei aller Ästhetik auch das schlauste System programmieren. Deshalb lernt der Hyperscreen den Kunden immer besser kennen, sagt Khan: „So liefert er maßgeschneidertes, personalisiertes Infotainment- und Bedien-Angebot, bevor der Passagier irgendetwas klicken muss.“