Mercedes Citan: Original statt Klon

Für den ersten Citan hat Mercedes viel Prügel einstecken müssen und die X-Klasse gilt als größter Flop der jüngeren Geschichte, denn zu wenig haben die Ingenieure an Renault Kangoo und Nissan Navara geändert, um daraus echte Mercedes-Modelle zu machen. So richtig gut gelaufen ist die Kooperation mit Renault und Nissan für die Schwaben deshalb bislang nicht. Doch jetzt nehmen sie einen dritten Anlauf und gelobigen Besserung: „Lessons learned“ lautet das Motto, wenn im Sommer die Neuauflage des Citan startet. Der basiert zwar wieder auf dem Renault Kangoo, der nahezu zeitgleich in den Handel kommen wird, steht aber diesmal unter deutlich besseren Vorzeichen, verspricht Nicola Crimi aus der Entwicklung: „Denn statt ein fertiges Fahrzeug zum Mercedes umzubauen, waren wir diesmal vom ersten Tag an mit im Boot und haben bei Design, beim Interieur, bei Ausstattung und Abstimmung unsere Wünsche und Vorstellungen einbringen können“, sagt der Ingenieur. 

Deshalb sei der Citan nicht nur sicherer als bisher geworden, sehe besser aus und fahre komfortabler. Sondern vor allem fühlt er sich mehr nach Mercedes an: „Was man innen sehen und anfassen kann, das kommt dem Fahrer vertraut vor“, sagt Crimi und beschwört jenes „Willkommen Zuhause“-Gefühl herauf, das einen auch in der A– oder E-Klasse gleich beim ersten Einsteigen überkommt: „Der Citan ist einer von uns“, umschreibt er den neuen Familiensinn, der sich auch in der Modellplanung manifestiert: Denn neben dem Transporter und dem Tourer für die Familie soll es im kommenden Jahr nicht nur eine rein elektrische Version geben. Sondern zum ersten Mal adelt die Van-Division den kleinen Kasten gar vollends zum Pkw und verkauft ihn dann analog zur V-Klasse auch als T-Klasse. 

Den Mercedes-Komfort kann man schon beim Prototypen spüren, wenn er erstaunlich weich und unaufgeregt über die schlechten Straßen rund um das Testgelände in Immendingen kreuzt: Die variabel unterstützte Servolenkung nimmt auch kurvigen Strecken den Schrecken und lässt den Citan erstaunlich handlich wirken, das Fahrwerk lässt sich von den vielen Bodenwellen und Frostaufbrüchen kaum aus der Reserve locken und selbst wenn bisweilen noch die Tarnfolie an Spiegel und Hauben flattert, reist man im Citan in Ruhe – da fehlt zu einer B-Klasse nicht mehr viel.

Das gilt auch für das Ambiente, soweit das die schwarzen Tarnmatten über dem Cockpit schon erkennen lassen. Klar hat das Cockpit ein klassisches Layout und nicht den durchgehenden Cinemascope-Bildschirm wie bei den Kompakten aus Stuttgart, und Tacho und Drehzahlmesser sind weiterhin analog. Doch zumindest gibt’s ein großes Display dazwischen und einen Touchscreen daneben, das Lenkrad ist das gleiche wie in der A-Klasse, die Sitze haben neben den Mercedes-eigenen Bezügen auch eine andere Polsterung als bei Renault, wenn man die Tarnung kurz mal lupft, ist reichlich Chrom und Klavierlack zu sehen, und wer „Hey Mercedes“ sagt, dem antwortet Siris schwäbische Schwester – denn mit der neuen Generation hält das Infotainmentsystem MB UX samt Sprachsteuerung und Online-Navigation nun auch bei den kleinen Vans Einzug und  ist damit über die gesamte Palette verfügbar, erläutert Crimi. 

Zum neuen Ambiente gibt’s auch neue Abmessungen: „Wir sind in jeder Dimension gewachsen“, sagt der Ingenieur und verspricht mehr Platz auf allen Plätzen sowie reichlich Raum für Koffer oder Kisten, selbst wenn er noch keine konkreten Zahlen nennen mag. Doch 4,50 Meter für die Länge sind eine vernünftige Schätzung und 2,70 Meter für den Radstand auch. Dabei soll es aber nicht bleiben: „Wie bisher werden wir zwei Radstände und zwei Längen anbieten“, stellt der Entwickler in Aussicht und verspricht dann auch wieder eine dritte Sitzreihe. Neu sind dagegen viele Ablagen wie das Hochregal über der ersten Reihe, bei denen die Schwaben auf die Erfahrung der Franzosen bauen – schließlich war der Kangoo einer der Wegbereiter für dieses Segment und fährt schon seit 1997 für Kind und Kegel.  

Auch beim Antrieb gibt sich Crimi noch etwas schmallippig und verrät nicht viel mehr als die friedliche Koexistenz von Benzinern, Dieseln und einer rein elektrischen Variante, während er der Hybridisierung, egal in welchem Grad, eine Absage erteilt. Doch ein Blick in den Renault-Baukasten hilft bei der Einordnung, zumal Crimi das Faible der Franzosen für kleine Verbrenner lobt, wo Mercedes doch für den Rest der Flotte eher auf große Hubräume setzt. Deshalb wird es bei den Benzinern wohl auf den 1,3 Liter großen Vierzylinder-Turbo- hinauslaufen, den es bei Renault in unterschiedlichen Modellen und Leistungsstufen von etwa 100 bis 160 PS gibt. Und bei den Dieseln ist der 1,5-Liter mit etwa 75 bis 115 PS die erste Wahl. 

Natürlich mussten die Schwaben bei allem Familiensinn auch diesmal ein paar Kompromisse machen, wie das bei Kooperationen so üblich ist. Doch dass sie ihre Lektionen im dritten Anlauf gelernt haben, bemerkt der Citan-Kunde künftig schon vor der ersten Fahrt – wenn er den Schlüssel in die Hand nimmt. Nachdem der zuletzt bei der X-Klasse allzu sehr an Nissan erinnert hat, gibt’s diesmal einen eigenen Transponder im Mercedes-Design.

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