Nachdem, eigenen Angaben zufolge, besten Auto der Welt elektrifiziert Mercedes nun das beste Taxi und Dienstauto der Welt. So fährt sich der Mercedes EQE 350+.
Adam und EVA2
Die Sache ist die: Gott schuf Adam, und damit der sich nicht so einsam fühlen hat müssen, anschließend Eva. Die genehmigte sich einen Apfel, worauf A und E, schenkt man dem christlichen Glauben Glauben, aus dem Garten Edens vertrieben wurden. Im Exil schufen sie Kinder, diese schufen wiederum Kinder, und so weiter und so fort, bis es über sieben Milliarden waren. Die sich – blöderweise, würde mancher FFF-Aktivist anmerken – hochtechnologisiert haben und dabei dem Planeten einheizen. Deshalb jetzt: der große Neustart. Mit EVA2.
EVA2, kurz für Electric Vehicle Architecture 2, ist die Plattform, mit der Mercedes diesen Neustart begehen und die Welt zu einem besseren Ort machen möchte. Zumindest die Welt der Besserverdiener und Luxusliebhaber: Auf EVA2 basieren nämlich die großen, teuren Elektro-Limousinen und -SUVs. Bis dato sind das EQS, dessen SUV-Pendant sowie der kleinere EQE. Letzteren baten wir zum Schnelltest, der uns grunsätzlich positiven Gemüts hinterlässt. Und uns zu folgender Prognose verleitet: Der EQE wird dem größeren EQS so manchen Kunden rauben. Zumindest in Europa, wo big nicht immer better ist.
Schatz, ich hab‘ den EQS geschrumpft!
Warum das so ist, ist schnell erklärt: Der Mercedes EQE ist im Grunde ein kürzerer EQS. Dementsprechend darf man sich auch nicht wundern, wenn man im EQE das Gefühl bekommt, in einem mit Watte verpackten Kokon zu schweben, völlig abgekapselt von der Welt. Und wenn dann noch die Luftfederung als Extra geordert wurde, wie im Falle unseres Mercedes EQE 350+ (Testwagenpreis:, ist man ohnehin über alles erhaben, und ganz besonders erhaben ist man über Bodenwellen.
Mercedes EQE350+: Wendekreis wie ein VW Polo
Wenn wir schon beim Fahrwerk sind: Auf die Hinterachslenkung aus S-Klasse und EQS muss man im kleineren Mercedes EQE 350+ auch nicht verzichten. Mit ihren zehn Grad Einschlagwinkel ermöglicht sie einen Wendekreis von 10,7 Metern – lächerlich wenig für eine 4,95 Meter lange Limousine. Das Fahrgefühl wird durch sie unnatürlich, was vor allem beim Parallelparken ein bisserl peinlich werden kann. Von früheren Tests wissen wir: Man gewöhnt sich daran mit der Zeit. Wer ein bisserl Wendigkeit will, aber nicht zu viel: 4,5 Grad gibt’s alternativ.
Innenraum aus dem EQS
Die Gemeinsamkeiten zwischen EQE und EQS nehmen auch im Innenraum kein Ende: So gibt es auf Wunsch den Hyperscreen, serienmäßig an Bord ist das S-Klasse-Layout mit vertikal angeordnetem Zentralscreen und volldigitalem Tachometer. Markante Unterschiede gibt es eigentlich nur beim Platz: So viel Raum wie im EQS steht im Mercedes EQE 350+ hinten nicht zur Verfügung und das Kofferraumvolumen beträgt 430 Liter (EQS: 610 Liter).
Mercedes EQE 350+: Verbrauch und Reichweite
Was die kleineren Dimensionen auch noch mit sich bringen: So fette Akkupakete wie im EQS gehen sich in der elektrischen E-Klasse nicht aus. Statt über 100 kWh ist hier bei 90 kWh Schluss. Die sollen laut WLTP im Mercedes EQE 350+ immerhin für eine maximale Reichweite von 639 Kilometer sorgen. „Maximal“ trifft’s ganz gut, bei unserer Ausfahrt kamen wir auf eine Reichweite von hochgerechnet 450 Kilometer. Und allzu oft haben wir die 292 PS und 565 Nm des E-Motors an der Hinterachse nicht ausgereizt. 6,4 Sekunden braucht der Mercedes EQE 350+ dank diesem von 0 auf 100 km/h. Mehr als genug für ein (vorläufiges) Einstiegsmodell.
Ohne EQE und Kante
Unser ermittelter Verbrauch betrug etwas unter 20 kWh pro 100 Kilometer. Auf der Autobahn waren wir nicht unterwegs, was schade ist, weil: Dass der EQE so aussieht wie der EQS (und der wiederum wie eine Computermaus), ist dem Credo „form follows function“ geschuldet. Das Design wurde dem Ziel der absoluten aerodynamischen Effizienz untergeordnet. Mit Erfolg, zumindest am Papier: Der cW-Wert beträgt 0,22.
Ansonsten ist der Mercedes EQE 350+ zusammengefasst ein echter Mercedes, sprich: Vornehme Materialien, Top-Verarbeitung und tolles, auf Komfort orientiertes Fahrgefühl. Ob er jetzt wirklich die Welt zu einer besseren macht? Auf Makrobene, also im Sinne von Klimawandel und Natur, kann man darüber sicher streiten. Fix ist aber: Auf dem Fahrersitz des EQE ist die Welt schon nicht so schlecht. Also rein von der Mikroebene her.