Toyota Yaris, Klappe, die vierte. Seit 1999 wird er in Europa vertrieben, über vier Millionen Modelle liefen mittlerweile vom Band im französischen Valenciennes, mehr als 500.000 als Hybrid.
Text: Maximilian Barcelli / Fotos: Eryk Kepski
Zweimal schon ist er Car of the Year geworden. Das erste Mal 2000, das zweite Mal heimste die neue, vierte Generation dieses Jahr den Preis ein. „Mit diesem Dreizylinder-Hybrid setzt Toyota seine Arbeit fort, die Emissionen zu reduzieren“, so ein Jury-Mitglied zur Wahl. Oder: „Ein großer qualitativer Sprung in Bezug auf Hybridisierung und Effizienz, der nahezu unglaubliche Kraftstoffverbrauchswerte ermöglicht.“ Unglaubliche Verbrauchswerte also. Klar – von Toyota entwickelt, und Toyota steht nun mal für Hybrid, Effizienz, Wasserstoff, kurzum: Fridays for Future. Was zwar löblich ist, aber wenig mit Hedonismus zu tun hat, sprich, dem Streben nach Glück und Freude, in diesem Fall Fahrfreude.
Dazu muss man erst eine andere Seite der japanischen Marke betrachten. Toyota ist nämlich nicht nur Strom, sondern auch Super Plus. Nicht nur Prius, sondern auch GT86. Toyota ist Celica und 2000 GT. Toyota ist natürlich auch Supra. Und: Toyota ist Motorsport. Diese zwei völlig gegensätzliche Facetten der japanischen Marke werden nun in einer einzigen Baureihe untergebracht: der Yaris-Baureihe. Außer nämlich wie Klopapier vor dem Lockdown gekauft zu werden, hat die auch noch ein anderes Ziel: Sie dient als Homologationsmodell für die WRC.
Kurzer Exkurs für Motorsport-Muffel: Hersteller X will Rennen in Serie Y fahren. Serie Y verlangt allerdings nach einem Straßenfahrzeug, auf dem der Rennwagen basiert. Weil eben bestimmte Bauteile übernommen werden müssen, schaut Hersteller X natürlich darauf, dass das Straßenfahrzeug keine komplette Schüssel ist, was in den letzten Jahrzehnten die absurdesten Autos hervorgebracht: Maserati MC12, Mercedes CLK GTR, Audi Sport quattro, Lancia Stratos HF Stradale, ja die ganze BMW M3-Baureihe gibt’s eigentlich nur, weil die Bayern damals in der DTM mitmischen wollten.
Zurück zu Toyota: Seit 2017 fährt die Marke wieder um die Rallye-Weltmeisterschaft, und zwar mit dem Yaris WRC, der auf der dritten Yaris-Generation aufbaut. Obwohl auch mit diesem Fahrzeug durchwegs erfolgreich, sollte für 2021 dann trotzdem ein neues Vehikel her – und zwar auf Basis der Generation vier. Damit der in der WRC so richtig abräumt, stellt man dem Yaris für Normalos eine Version für Abnormalos zur Seite, um sie als Homologationsmodell zu nutzen: Weil laut Reglement an den Türen nichts verändert werden darf, kommen die hinteren weg. Die verbleibenden werden aus Aluminium gefertigt und mit rahmenlosen Scheiben ausgestattet. Auch die Dachlinie muss der Rallyebolide von der Basis übernehmen, weshalb der Yaris GR 45 Millimeter tiefer ist, hinten sogar fast zehn Zentimeter. Das Dach selbst ist aus Kohlefaser-Verbundwerkstoffen. Bevor wir jetzt aber weiter die Unterschiede zwischen Yaris und GR Yaris auseinanderdividieren, listen wir lieber die Gemeinsamkeiten auf, das spart Zeit: Scheinwerfer, Heckleuchten, außerdem noch die Außenspiegel sowie die Shark-Antenne bleiben erhalten. Einen Teil der Yaris-Plattform GA-B übernimmt er auch, nämlich den vorderen. Hinten baut das GR-Modell auf der GA-C-Plattform auf, die eigentlich für größere Fahrzeuge gedacht ist. Ach, und die Zylinderzahl ist die gleiche: Alle Yaris werden von drei Zylindern angetrieben.
Wobei: „Angetrieben“ werden nur die normalen Yaris, der GR wird mehr so: befeuert. Auf die drei Töpfe teilen sich 1,6 Liter Hubraum auf, ein Turbolader bläst mit Nachdruck Sauerstoff in diesen. Output: 261 PS, was ihn zum stärksten Seriendreizylinder für die Straße stempelt. Das Drehmoment von 360 Nm liegt übrigens erst bei 3.000 Touren an, das merkst du auch. Hat was von Oldschool-Turbofahren: Du bist im Drehzahlkeller, drückst das Gaspedal, das fürs Spitze-Hacke-Fahren übrigens sehr nah am Bremspedal platziert ist, aber es passiert erst mal wenig. Dann: immer noch wenig. Immer noch wenig. Und plötzlich: Vroom, vroom, motherfucker!
Oldschool ist auch das Sechsganggetriebe, es ist manuell, eh klar, alles andere wäre Blasphemie. In wenigen Worten: kurz, knackig, knochentrocken. Eine automatische Zwischenfunktion gibts auch, für die, die das mit Spitze-Hacke nicht so drauf haben. Weitere Ingredienzien: Innenbelüftete Bremsscheiben (356 Millimeter vorne) und Vier-Kolben-Sättel (ebenfalls vorne), diverse Leichtbaumaßnahmen, ein Fahrwerk, das den Passagieren die Beschaffenheit einzelner Atomkerne weiterleitet, eine präzise Lenkung und zwei Torsen-Sperrdifferentiale, zumindest, wenn mit High-Performance-Paket geordert (was unbedingt sein muss). Ja, richtig gelesen: zwei. Die Hauptingredienz des nur 3,9 Meter langen GR Yaris ist nämlich ein permanenter Allradantrieb. Der leitet im Sportmodus 70 Prozent der Kraft an die Hinterachse.
Und so treibst du ihn dann den Berg hinauf, den Wald hindurch, das Feld entlang. Wo auch immer, Hauptsache, die Straße (oder der Schotterweg) geht nicht nur geradeaus. Anker werfen, einlenken, Heck einfangen und mit Vollstoff wieder raus. Hochdrehen bis 7.000 Touren, den nächsten Gang reinwerfen, so klein das Auto, so groß das Kino. Klar, er ist nicht perfekt: Der Rückspiegel ist im Weg, der echte Sound zu schwachbrüstig, der Fake-Sound zu präsent, und über das Infotainmentsystem verlieren wir lieber kein Wort. Aber nicht, weil es scheiße ist, sondern irrelevant. Wichtig ist nur der Dopaminhaushalt, der sich während dem Infight auf einem Hochplateau einpendelt, das es zuletzt in Prä-Corona-Zeiten gegeben hat. Was also ein Kleinwagen von Toyota mit Hedonismus zu tun hat? Einfach alles. Die kundige Hand prügelt den Toyota GR Yaris übrigens in 8:14,9 Sekunden über die Nordschleife. Unsereins erfreut sich einfach an der Radikalität dieses Fahrzeugs und dass es trotz der fast schon deutschen Ernsthaftigkeit so viel Spaß bereitet. Wahrlich ein Rallyeauto für die Straße.
Apropos: Was ist denn mit dem Rallyeauto für die Rallye? Die Pläne, die WRC 2021 mit dem auf den GR Yaris basierenden Fahrzeug zu bestreiten, hat Corona vereitelt. Um die Weltmeisterschaft kämpfen die Japaner jetzt mit dem (modifizierten) alten. Und 2022 bricht dann sowieso eine neue Ära im Rallyesport an (Hybrid, what else?). Semioptimal für Toyota, uns ist’s aber egal. Die 25.000 Stück, die für die Homologation notwendig wären, sind gesetzt, jedes einzelne ist sein Geld wert – und alles andere ist sowieso primär, wie Hans Krankl zu sagen pflegt.
Toyota GR Yaris High Performance
Hubraum: 1.599 ccm
Leistung: 261 PS
Verbrauch: 8,2 Liter
Drehmoment: 360 Nm/3.000 bis 4.600 U/min
Beschleunigung: 0–100: 5,5 s
Spitze: 230 km/h
Gewicht: 1.280 bis 1.310 kg
Preis: ab 43.090 Euro
Toyota Yaris 1,5 Hybrid
Hubraum: 1.490 ccm
Leistung: 116 PS
Verbrauch: 3,8–4,3 Liter
Drehmoment: 120 Nm/3.600 bis 4.800 U/min
Beschleunigung: 0–100: 9,7 s
Spitze: 175 km/h
Gewicht: 1.085 bis 1.180 kg
Preis: ab 20.990 Euro