Während die klassischen Motorshows darben, wächst die Carweek in Monterey über sich hinaus. Wer braucht schon den müden Budenzauber bei der IAA, wenn er Pebble Beach eine PS-Party epischen Ausmaßes feiern kann?
Von Thomas Geiger
Die Welt ist ungerecht. Besonders für Messeveranstalter. Denn während den Machern der IAA in Frankfurt ein Aussteller nach dem anderen von der Stange geht und mittlerweile weit über ein Dutzend Marken abgesagt haben, können sie sich bei der Monterey Car Week vor Anfragen kaum retten: Eine Woche lang wird der berühmte 17-Miles-Drive zwei Stunden südlich von San Francisco zum Laufsteg für PS-Pretiosen aller Art und auf einem Dutzend Golfplätzen, in luxuriösen Villen oder einfach auf den Dorfmeilen von Monterey, Pacific Grove oder Carmel feiern sie rund um den legendären Concours d’Elegance von Pebble Beach eine PS-Party, wie es sie sonst kein zweites Mal auf der Welt gibt: Oldtimer aller Preis- und Altersklassen, vom Rost zerfressen oder auf Hochglanz poliert, Hotrods und Supersportwagen, schillernde Luxuslimousinen und verbeulte Kleinwagen, Schnauferl der vorletzten Jahrhundertwende und Prototypen für die Mobilität von Morgen – alles was schnell, schön, skurril oder selten oder im besten Fall alles zusammen ist, flaniert über die Peninsula und wird von allen und jedem bewundert. Denn der kleinste gemeinsame Nenner ist die ungebrochene Begeisterung für das Auto und Standesdünkel gibt es hier keine: Egal ob Multi-Milliardär oder einfacher Mechaniker – in dieser Woche werden sie alle zu großen Kindern und begeistern sich für das gleiche Spielzeug.
Längst wird dieses Hochamt der Automobilkultur deshalb nicht mehr nur von Sammlern, Clubs und Fans getragen. Sondern immer stärker drängen die Hersteller auf diese Insel der automobilen Glückseligkeit. Wo ihnen andernorts allenthalben Kritik oder zumindest Skepsis an der Zukunftsfähigkeit entgegenschlägt, macht der Pessimismus in Pebble Beach Pause und sie nutzen das in jeder Hinsicht gute Klima: Repräsentative Villen werden zu Pop-Up-Stores und Party-Zentren, auf den Parkplätzen stehen hunderte von Testwagen und die Orderbücher werden stündlich voller. So viele Rolls-Royce Cullinan auf einem Fleck sieht man sonst nur im Werk in Goodwood, nirgendwo sonst auf der Welt kann man während eines morgendlichen Laufes mehrere Koenigseggs und Paganis auf einmal sehen und wahrscheinlich kommen rund im Pebble Beach mehr Bugatti Chirons zusammen, als selbst in Molsheim je gemeinsam gesichtet wurde.
Während die Hersteller der IAA eine Absage erteilt haben oder in den muffigen Messehallen allenfalls gute Miene zum bösen Spiel machen, drängen sie hier mit einem aufrichtigen Strahlen ins Rampenlicht – selbst wenn die Fenster dabei oft abgedunkelt sind und die Smartphone-Kameras versiegelt werden: Weil hier in Pebble so viele wichtige Kunden zusammen kommen, dürfen die oft schon einen Blick auf Modelle werden, die oft noch gar nicht öffentlich sind – und natürlich schon mal ihr Kaufinteresse bekunden. So hat Mercedes der Haute-Vollée schon mal einen Blick auf den Maybach GLS gewährt, mit dem sie das Portfolio ihrer Nobelmarke im nächsten Jahr um das erste SUV erweitern wollen, Aston Martin-Chef Andy Palmer persönlich führt die zahlungskräftige Klientel durch den DBX, der dem britischen Sportwagenhersteller als erstes SUV das Überleben sichern soll. Und beim noblen Hyundai-Ableger Genesis dreht sich alles den GV80, der ebenfalls eine Premiere für die Pampa ist und im nächsten Jahr gegen Autos wie den BMW X5 oder den Audi Q7 antreten soll.
Während es Maybach und Aston Martin nur für die jeweiligen Freude des Hauses zu sehen gab und Genesis das SUV sogar nur virtuell präsentiert hat, sind Marken wie Bugatti oder Lamborghini wie gewohnt ein wenig lauter aufgetreten. Beim „Motorsport Gathering“ von The Quial, wo die Eintrittskarten mittlerweile fast 1.000 Dollar kosten und trotzdem nach wenigen Stunden vergriffen sind, haben sie neue Sonderserien ihrer Top-Modelle gezeigt.
So ehrt Bugatti den EB110 als Supersportwagen der 1990er mit einem Centodieci, für den die Franzosen den Chiron im Stil des alten Coupés komplett neu eingekleidet und die Leistung des acht Liter großen W16-Motors um 100 auf 1.600 PS angehoben haben. Und wem der Aventador SV nicht auffällig genug ist, der bekommt den Roadster jetzt mit besonders extrovertiertem Auftritt auch als SVJ. Der übernimmt zwar den 770 PS starken V12 des Grundmodells, trägt dafür aber mit Lack und Leder noch dicker auf und fängt so wirklich jeden Blick – selbst wenn es drum herum genügend andere schillernde Supersportwagen zu sehen gibt.
Wie fast immer in Pebble Beach spielt Geld dabei offenbar keine Rolle: Solange die Autos nur schnell und selten genug sind, finden sich dafür immer Käufer: Sowohl die zehn Exemplare des Bugatti sind deshalb trotz eines Preises von acht Millionen Euro aufwärts bereits verkauft, als auch die 63 Aventador Spider, mit denen Lamborghini an das Geburtsjahr 1963 erinnern will.
Wer leer ausgeht, findet auf dem Grün allerdings genügend andere Gelegenheiten, sein Geld auszugeben. Denn mehr noch als beim Genfer Salon setzen sich in Pebble Beach die Kleinserien-Hersteller und Exoten in Szene: Porsche-Neubauten aus dem Hause Singer, elektrische Supersportwagen von Lotus oder Pininfarina, die aktuellen Neuheiten von Pagani oder Koenigsegg – laufen muss von den Superreichen niemand.
Aber es müssen weder moderne Supersportwagen sein, noch müssen die Autos teuer sein, um in Pebble ihr Publikum zu finden. Davon kann Michael Plag genauso ein Lied lieb singen wie Dzemal Sjenar. Der eine ist Mechaniker im Mercedes Classic Center in Stuttgart und gerade auf dem 17-Mile-Drive auf Jungfernfahrt mit dem originalgetreuen Nachbau des allerstersten Silberpfeils – einem Mercedes SSKL mit einer Stromlinien-Karosserie aus Aluminium, dessen 7,1 Liter großer und über 300 PS starker Sechszylinder Manfred von Brauchitsch beim Avus-Rennen 1932 den Sieg gebracht hat und der noch heute jeden modernen Motor niederbrüllt. Und der andere leitet den Aufbau der Designstudien bei VW und cruist auf der gleichen Strecke mit dem ID Buggy, den die Niedersachsen im Frühjahr in Genf gezeigt haben. Hier in Kalifornien will Sjenar beweisen, dass die Idee eines Strandbuggys auch in Zeiten der Elektromobilität ein Lächeln ins Gesicht der Kunden zaubern kann und hofft sehnsüchtig, dass die Buchhalter daheim in Wolfsburg jetzt nicht wieder zu Spaßverderbern werden. Beide können sich über mangelnde Neugier der Passanten nicht beklagen, und beide hätten ihre Autos auf den 17 Meilen bestimmt ein Dutzend mal verkaufen können, so oft wurden ihnen während der Ausfahrt Bargeld oder Blanco-Schecks angeboten.
Zwar ist die Monterey Car Week eine einzige PS-Party , jeder Parkplatz wird eine Woche lang zur Party-Zone, und die Passanten haben schon Krämpfe in der Hand, so oft recken sie die Daumen. Doch offenbar ist selbst diese Begeisterung nicht grenzenlos. Das merkt man spätestens bei einem runden Dutzend Auktionen, bei denen im Minutentakt über 1.000 Autos versteigert werden – darunter so spektakuläre Stücke wie ein Aston Martin DB5 aus der Rüstkammer von James Bonds, die üblichen Ferrari 250 GTO, viele Mercedes Flügeltürer und eine Reihe rarer McLaren. Doch so voll die Hallen und Zelte der Auktionshäuser auch sind, bleiben viele Preise weit unter den Erwartungen und das vielleicht spektakulärste Auto ganz ohne Käufer. Denn mehr als 17 Millionen Dollar wollte niemand bieten für den Typ 64, der als legitimer Urvater des 911 gilt und seinerzeit von Ferdinand Porsche persönlich gefahren wurde – und das war dem deutschen Sammler, der den Wagen sein aktuell sein Eigen nennt, dann offenbar doch zu wenig.