So langsam wird es ernst für Elon Musk: der Thron des elektrischen Erstlings gerät ins Wanken. Denn während Jaguar und die deutschen Premium-Marken mit Jaguar I-Pace, Audi e-tron und Mercedes EQC dem Model X zu Leibe rücken, geht Volvo-Ableger Polestar mit dem Polestar 2 auf direkten Konfrontationskurs zum Model 3.
Von Thomas Geiger
Diesen lancieren die Schweden im zweiten Halbjahr, somit wird es erstmals eine ebenso bezahlbare wie attraktive Alternative zum Einstiegsmodell der Amerikaner geben – zumindest in der Theorie. Denn genau wie Tesla kündigt Volvo für den Polestar 2 zwar einen niedrigen Grundpreis an, der hier bei rund 39.900 Euro liegen soll, doch im ersten Jahr gibt es dann eben doch nur eine vollgepackte Launch-Version für 59.900 Euro.
Im Rennen um die Elektrifizierung des Massenmarktes setzt Volvo-Designchef und Polestar-Boss Thomas Ingenlath auf ein ungewöhnliches Konzept und erteilt dem allgegenwärtigen SUV eine Absage. Stattdessen baut er auf der kompakten CMH-Architektur von Volvo ein unkonventionelles Schrägheck, das von außen ein bisserl an den BMW 3er GT erinnert und innen noch cleaner und cooler wirkt als XC40 und Co. Denn viel mehr Bedienelemente als den riesigen Touchscreen und die paar Knöpfe am Lenkrad hat der Polestar 2 nicht mehr zu bieten.
Unter dem ungewöhnlichen Blechkleid stecken zwei E-Motoren mit insgesamt 300 kW (also 408 PS) und im Wagenboden 27 Batteriemodule, die auf 78 kWh kommen und für rund 500 Kilometer reichen sollen. Und wie es sich für ein Elektroauto gehört, ist der Polestar 2 flott bei der Sache – von 0 auf 100 jedenfalls stellt Ingenlath einen Sprintwert von weniger als fünf Sekunden in Aussicht.
Verglichen mit Volvo mögen die Polestar-Modelle progressiv sein, doch mit einem frischen Design und einem elektrischen Antrieb alleine taugt die Marke nicht zum Revoluzzer, der die etablierte Autowelt aus den Angeln hebt. Deshalb will Ingenlath auch beim Vertrieb ein Stück weitergehen und die von Volvo und der chinesischen Schwester Lynk & Co angedachten Innovationen auch im Handel gar vollends umsetzen.
Statt konventioneller Händler plant er einige wenige Polestar Spaces mit Beratern, Schauraum und Teststrecke, der Vertrieb soll aber weitgehend ins Internet verlagert werden. Statt eines Zündschlüssels gibt es nur noch einen Code aufs Smartphone und wo man herkömmliche Autos noch kaufen muss, gibt es den Polestar wie ein Handy mit Flatrate im Abo.
„Wir wollen, dass man sich auf den Spaß am Fahren konzentrieren kann und Nutzererlebnis deshalb so komfortabel und stressfrei wie möglich gestalten“, sagt Ingenlaths Vorstandskollege Jonathan Goodman. „Unsere Dienstleistungen, die die Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen der Performance-Kunden im Premium-Segment abdecken, sind das Herzstück von Polestar. Sie beseitigen die Unannehmlichkeiten, die mit dem Besitz eines Fahrzeugs verbunden sind.“
So hochtrabend die Pläne für Polestar sind, behält Ingenlath bei den Zahlen jedoch die Bodenhaftung. Während Volvo von Absatzrekord zu Absatzrekord fährt und mittelfristig 800.000 Einheiten anvisiert, sieht er seine Marke als „Explorer“. „Wir sind das Testfeld für neue Trends und Technologien“, sagt Ingenlath und ist mit fünfstelligen Produktionszahlen zufrieden – fürs erste.