Zu schwer, zu komfortabel und viel zu einfach zu fahren – je länger es den Porsche 911 gibt, desto lauter wird die Kritik. Und mit jedem Generationswechsel fürchten die Puristen mehr um ihre Privilegien. Doch keine Sorge: Niemand beherrscht den Spagat zwischen Alltagstauglichkeit und Adrenalinrausch so gut wie Porsche. Und je braver der Elfer in der Basis wird, desto wilder treiben es die Rennversionen – schließlich werden die nicht in Weissach entwickelt, wo die vermeintlichen Warmduscher den Ton angeben, sondern in Flacht, wo die Fachleute für den Motorsport ihren Hauptsitz haben. Und wenn die den Elfer in die Finger bekommen, dann wird selbst aus dem weichgespültesten Sportwagen wieder ein Porsche für Puristen.
Den jüngsten Beweis liefert GT-Chef Andreas Preuninger jetzt mit dem GT3, der im Mai zu Preisen ab 221.246 Euro an den Start geht. Im Preis gemessen etwa am Turbo fast schon moderat, in der Philosophie dafür um so radikaler allein auf Performance ausgelegt, wird aus dem Daily Driver so wieder ein Elfer der Extreme, den man am besten nur für gewisse Stunden aus der Garage holt – selbst wenn sogar er noch einen überraschend hohen Restkomfort und Alltagsnutzen bietet.
Dafür hat Preuninger tief in die Trickkiste gegriffen und sich einmal mehr bei den Rennwagen GT3 R und Cup bedient. Das gilt insbesondere für die neue Vorderachse mit ihren doppelten Querlenkern und natürlich für den Motor. Der hat zwar jetzt 510 statt 500 PS und das maximale Drehmoment klettert um 10 auf 470 Nm, ist im Grunde aber ganz der Alte. Und das ist auch gut so. Denn während sonst überall vom Turbo geblasen und georgelt wird, fährt der GT3 so auch weiterhin mit einem hochdrehenden Sauger, der für eine authentische, analoge Leistungsabgabe steht.
Verkleidet hat Preuninger das Ganze mit einer Karosserie, die weitgehend aus Karbon gebacken wurde – selbst die Fronthaube mit den typischen Nüstern am Bug besteht diesmal aus Kohlefaser und erfüllt trotzdem alle Anforderungen an den Fußgängerschutz. Und auch sonst hat der GT-Chef mit jedem Gramm gegeizt: Innen fehlen Nebensächlichkeiten wie die Rückbank, die Scheiben sind nur einfach verglast und der Partikelfilter ersetzt den zweiten Schalldämpfer. Dazu gibt’s einen riesigen Heckflügel, der erstmals an zwei Schwanenhälsen hängend montiert ist, damit er ohne Störung von unten umströmt werden kann – und so bis zu 160 Kilo Abtrieb erzeugt. „Bereits in der Auslieferungsstellung generiert der neue 911 GT3 bei 200 km/h 50 Prozent mehr Abtrieb als sein Vorgänger. In der Einstellung mit maximalem Abtrieb sind es sogar mehr als 150 Prozent Steigerung“, sagt Aerodynamiker Matthias Roll und erklärt damit, warum der GT3 wie mit Pattex auf der Straße pappt. Obwohl der Elfer mit dem Wechsel in die Generation 992 natürlich wieder größer und deshalb schwerer geworden ist, hält der GT3 so sein Gewicht von 1.418 Kilo. Und wer ein paar teure Extras wie die Karbonsitze oder die Keramikbremsen bestellt, fährt sogar leichter durchs Land. Das war viel Arbeit, sagt Preuninger, aber sie hat sich gelohnt.
Wohl war. Denn das Ergebnis ist ein Erlebnis, das puristischer kaum sein könnte. Näher am Kern der Marke geht es aktuell kaum. Gierig und gewohnt heiser dreht der Boxer hoch und gönnt sich dabei nicht die geringste Verzögerung. Schließlich pfeift er auf den Turbo und schöpft seine Kraft allein aus den stolzen vier Litern Hubraum und den maximal 9.000 Touren, bei denen die Elektronik die Reißleine zieht. Linear baut er seine Leistung auf, während der Fahrer auf einer messerscharfen Klinge reitet und die Leistung mit dem kleinen Zeh fast chirurgisch präzise dosieren kann.
So rasend schnell, wie der Boxer durch seine neuen Einzeldrossenklappen schnauft, so schnell nimmt der GT3 Fahrt auf. Der Vierliter reißt dabei so vehement an den 21-Zöllern auf der Hinterachse, dass die Welt draußen in den schnellen Vorlauf schaltet. Nicht umsonst ist Tempo 100 schon nach 3,4 Sekunden erreicht und die Raserei erst bei 318 km/h zu Ende. Albernheiten wie künstliche Fehlzündungen oder das Brabbeln im Schub braucht er dabei nicht, denn der GT3 ist auf Performance getrimmt und nicht auf Posing.
Dabei überrascht er mit einem Feingefühl, das Sportwagen dieses Kalibers sonst fremd ist: Weil die Doppeldreiecksquerlenker anstelle der alten McPherson-Konstruktion an der Vorderachse mehr Last tragen, können die Stoßdämpfer etwas filigraner ausfallen. Deshalb sprechen sie nicht nur schneller und sanfter an, so dass der Elfer leichtfüßig über Bodenwellen bügelt und sich auch nicht in Spurrinnen verfängt. Sondern obendrein wiegen sie auch noch weniger und sorgen so durch geringere ungefederte Massen nochmals für einen ruhigeren Lauf. Und natürlich stützen sie den Bug präziser ab: „Steifer und präziser halten sie die Räder immer da, wo wir sie haben wollen, egal in welchem Fahrzustand,“ so Preuninger und erklärt damit, weshalb man den GT3 selbst bei Vollgas auf der Autobahn mit dem kleinen Finger in der Spur hält und auch auf der Landstraße keinen Klammergriff braucht.
Allerdings fordert die Lenkung eine gewisse Präzision: Auch wenn sie zehn Prozent leichtgängiger sein soll als bisher, wirkt sie noch immer so stramm wie die Saite einer Gitarre und reagiert deshalb auf die kleinste Bewegung, schlägt sofort aus und stellt sich umso schneller wieder zurück. Wer sauber damit umgeht, fährt mit dem GT3 so virtuos wie Eric Clapton seine Fender spielt, spricht mit der Straße, hört ihr aufmerksam zu und erlebt einen wunderen Dialog voller PS-Poesie. Erst recht im Zusammenspiel mit der serienmäßigen Hinterachslenkung. Doch wer schlampig ins Steuer greift, findet nur schwerlich die richtige Linie und endet in einer hässlichen Diskussion über den richtigen Kurs.
So radikal der GT3 auch fährt und so bissig seine Bremsen sind, so gut ist er dabei zu kontrollieren: Und das gilt nicht allein für das perfekte Setup von Fahrwerk und Lenkung, sondern auch für die Ergonomie: Das Lenkrad spart sich sämtliche albernen Flachheiten, die bei der Konkurrenz gerade in Mode sind, das vom Vorgänger übernommene Doppelkupplungsgetriebe ist nicht nur leichter und schaltet schneller als im Serien-Elfer, sondern vor allem hat es noch eine mechanische Verbindung zwischen Mensch und Maschine und deshalb einen soliden Schaltknauf, der einem beim Handauflegen schier unerschütterliches Vertrauen einflöst. Und selbst die Instrumente sind im GT3 besser ablesbar. Denn in einem speziellen Race-Mode gibt’s nicht nur blaue Blitze als Schaltempfehlung, sondern zugleich rücken die Informationen so dicht zusammen, dass sie endlich nicht mehr vom Lenkradkranz verdeckt werden.
Maximale Performance ohne Posing, ernstafter Sportsgeist statt Effekthascherei – wer seinen eigenen Sinnen nicht traut, dem empfiehlt sich ein Blick auf die aktuellen Rundenrekorde für die Nordschleife des Nürburgrings: Dort hat das Flügelmonster wieder mal die Bestzeit seines Vorgängers pulverisiert und auf der Nordschleife zum erstmals die Sieben-Minuten-Marke geknackt: 6:59:927 Sekunden braucht der sportlichste aller Elfer für die 20,8 Eifel-Kilometer und nimmt seinem Vorgänger damit die Ewigkeit von 17 Sekunden ab.
Und anders als bisher tun einem danach weder die Knochen, noch die Ohren weh. Denn allem Engagement zum Trotz kann der neue GT3 auch entspannen und bietet überraschend viel Restkomfort: Kein Dröhnen im Nacken, kein Poltern an den Achsen, kein Krampf beim Lenken – natürlich sind Turbo & Co die komfortableren Autos. Aber selbst wer nicht in der Eifel wohnt, baucht keinen Trailer und kann auch den weitesten Weg zum Ring auf eigener Achse absolvieren. Denn der GT3 fühlt sich auf der Landstraße fast noch wohler als ein Turbo auf der Rennstrecke.
Natürlich wissen sie auch in Flacht, dass sie mit dem GT3 die Latte diesmal ziemlich hoch gelegt haben – und werden daran wohl selbst am meisten kauen müssen. Schließlich rufen die Rennstrecken-Enthusiasten unter den Elfer-Fahrern bereits lautstark nach einem GT3 RS und stellen sich die Frage, wie der den aktuellen GT3 noch toppen soll. Das fragt sich Preuninger natürlich auch, hat aber schon eine Antwort parat. Nur verraten will er die erst in ein paar Monaten.