Porsche 911 Turbo S: Ordnung kehrt ein
Dem elektrischen Taycan haben sie einen Turbo angedichtet und in der 911-Nomenklatur haben sie den Lader bislang totgeschwiegen – so richtig ernst genommen haben sie die Begrifflichkeiten bei Porsche zuletzt nicht mehr. Doch jetzt machen die Schwaben diesem Etikettenschwindel ein Ende und bringen zumindest für den Elfer die Welt wieder in Ordnung. Denn wenn im April zu Preisen ab 216.396 Euro (D) das Top-Modell des Sportwagens als Coupé und Cabrio (ab 229.962 Euro) an den Start geht, steht endlich auch wieder drauf, was drin ist: Vorhang auf für den 911 Turbo S.
Von Thomas Geiger
Während die Nomenklatur zur alten Ehrlichkeit zurück findet, macht die Nominalleistungen einen Sprung nach vorn – und zwar einen, wie es ihn selbst bei Porsche nur selten gibt: Nicht mehr 580, sondern satte 650 PS leistet künftig der 3,8 Lite große Boxer im Heck und liefert dabei ein maximales Drehmoment von 800 Nm. Das sind 50 Nm mehr als bisher. Während das auf der Autobahn für die nötige Souveränität sorgt und im Ernstfall wie bisher für 330 km/h reicht, wirkt der Elfer damit bei letzten Abstimmungsfahrten auf der Landstraße noch spritziger und spontaner und zum Überholen reichen zur Not auch mal zwei, drei Fahrzeuglängen. Der Blick ins Datenblatt bestätigt diesen Eindruck. Denn von 0 auf 100 beschleunigt der Turbo S nun in 2,7 Sekunden und nimmt dem Vorgänger immerhin zwei Zehntel ab. Und wenn man binnen 8,9 Sekunden auf 200 km/h stürmt, ist man sogar eine ganze Sekunde schneller als früher.
Geblieben sind allerdings die beiden Gesichter des Top-Modells: Der Turbo S beherrscht die potente Souveränität eines luxuriöses Gran Tourismo genauso wie den Angriffsmodus eines Supersportwagens, der mit jedem Gasstoß lautstark „Attacke“ brüllt. Nur dass diese Pole jetzt noch weiter auseinander gerückt sind.
Dafür haben sie in Weissach das Fahrwerk neu abgestimmt, eine neue Mischbereifung aufgezogen und die Aerodynamik verbessert. Der mächtige Spoiler am Heck ist deshalb zusammen mit der gut vier Zentimeter breiteren Karosse nicht nur das untrügliche Erkennungsmerkmal des Turbo in Zeiten, in denen man sich auf den Schriftzug alleine nicht mehr verlassen darf. Sondern im Teamwork mit der aktiven Buglippe gibt er dem Elfer den nötigen Abtrieb, der auch bei der wildesten Kurvenhatz den Abflug verhindert.
Potenter Gleiter und gieriger Kurvenbeißer – diese beiden Extreme hat der 911 Turbo S schon immer bestens vereint. Aber in der neuen Auflage macht er es eben wieder ein bisschen besser. „Fahrbarkeit und Beherrschbarkeit“, standen für Baureihenchef Frank-Stefan Walliser ganz oben auf der Liste, erzählt der Ingenieur, während er seinen Prototypen förmlich mit dem kleinen Finger durchs Gebirge führt und dabei trotz seines schweren Gasfußes noch immer eine Hand frei hat zum Reden.
Wild brüllt der Sechszylinder durch den neuen Sportauspuff und lässt sich von keinem Partikelfilter der Welt die Stimme versauen, rasend schnell wechselt die verstärkte Achtgang-Doppelkupplung die Fahrstufen und spätestens wenn Walliser am noch immer ziemlich billig wirkenden Drehschalter im Lenkrad auf Sport Plus wechselt, zündet der Elfer den Nachbrenner.
Dass der neue Turbo so viel besser fährt und vor allem so viel schneller sprintet, hilft Walliser nicht nur im Ringen mit der Konkurrenz aus Italien und England, sondern auch im internen Kräftemessen. Denn als Turbo S sprintet der 911 bester als der Taycan und rückt damit das Weltbild der Vollgasfraktion wieder zurecht: Nur Turbo drauf schreiben, reicht nicht. Sondern an die Spitze fährt man nur, wenn Turbo draufsteht und drin ist.