Eigentlich wollte er es gemütlich angehen lassen an diesem Morgen und nur ein bisschen Sonne tanken in seinem silbernen Oldtimer. Doch als ihn hier in den Hollywood Hills und den Canyons über Malibu plötzlich eine ganze Armada schwarzer Cayenne mit vielen merkwürdigen Aufklebern überrollt, ist es mit der Ruhe des Pensionärs vorbei. Die Neugier weckt den Jagdinstinkt und der späte Hippie gibt seinem alten 356er noch mal die Sporen. Doch leicht macht es ihm die Truppe nicht. Schließlich sind das nicht irgendwelche Porsche-Piloten, sondern die Experten aus Weissach. Und sie fahren auch keine x-beliebigen der mittlerweile gut eine Million Exemplare, die Porsche in jetzt ziemlich genau 20 Jahren auf die Straße gebracht hat. Sondern sie sitzen am Steuer der letzten Prototypen aus der intern E 3.2 genannten Auflage, mit der Porsche die dritte Generation zuverlässig über die Zielgerade bringen will.
Fotos: Hersteller
Denn gute fünf Jahre nach der Premiere des intern E3 genannten Bestsellers bekommt der große Geländewagen ein gründliches Update. Und weil der Cayenne in Zeiten der Transformation genau wie sein kleiner Bruder Macan womöglich etwas länger laufen muss als geplant, damit es einen sanften Umstieg auf die kommenden Stromer gibt, haben die Schwaben diesmal nicht gekleckert, sondern geklotzt. „Selten gab es bei uns so ein tiefgreifendes Facelift wie diesmal“, sagt Stefan Fegg und bittet zur Mitfahrt in einem Prototypen. Denn bevor der dritte Cayenne im April tatsächlich sein zweites Gesicht bekommt und im Sommer dann zu Schätzpreisen knapp unter 90.000 Euro (D) auch an die Kunden ausgeliefert wird, sind der Baureihenleiter und seine Kollegen in und um Los Angeles unterwegs, um den neuen Modellen ihren letzten Schliff zu geben.
Die kurvigen Canyons haben die Entwickler dabei nicht ohne Grund ausgesucht. „Denn wir wollten vor allem den Spagat zwischen Sportlichkeit und Komfort noch weiter spreizen“, sagt Fegg mit Blick auf das optimierte Fahrwerk mit verbesserter Hinterachslenkung, neuen Federbeinen und dem serienmäßigen PASM nun auch für das Stahlfahrwerk. Deshalb bügeln die Prototypen die tiefen Scharten im Asphalt jetzt noch besser glatt und deshalb hat der Fahrer in den vielen engen Kurven noch mehr Kontrolle über den Koloss. Und schneller ist er – sehr zum Leidwesen des betagten 356er-Fahrers im Rückspiegel natürlich auch.
Porsche wäre schließlich nicht Porsche, wenn sie nicht auch an der Leistungsschraube gedreht hätten – und dabei sehr zu Freude der Petrolheads sogar noch einmal einen neuen Achtzylinder bringen. Zwar müssen sich zumindest die Europäer vom sündig-seligen Turbo GT verabschieden, der bei uns an den Zulassungshürden scheitert, während er im Rest der Welt jetzt sogar mit 660 statt 640 PS lockt. Doch dafür gibt es jetzt im Cayenne S jetzt nochmal einen neuen V8, tröstet Fegg und verspricht aus vier Litern Hubraum 475 PS – 35 PS mehr als beim nie so recht geliebten 2,9-Liter-Motor aus der ersten Halbzeit. Einziger reiner V6 ist deshalb künftig der 3,0-Liter im Basis-Modell, das nun aber mit 354 statt 340 PS in der Liste steht und auch beim Drehmoment ein wenig mehr zu bieten hat: 500 statt 450 Nm machen hier in den Hollywood Hills schon einen Unterschied.
Aber so viel Benzin auch durch Feggs Adern fließt, kann er sich der Zukunft und mit ihr der Elektromobilität nicht ganz verschließen – selbst wenn ein voll elektischer Cayenne anders als der e-Macan noch in weiter Ferne ist. Stattdessen gibt es einen Plug-in-Hybrid in mittelfristig drei Konfigurationen mit bis zu 700 PS Systemleistung, der auf einem deutlich verbesserten Elektro-Paket basiert. So hat Porsche nicht nur die Leistung des E-Motors von 100 auf 130 kW gesteigert, sondern auch bei der Batterie nachlegt und jetzt einen Akkublock von 25,9 statt 17,9 kWh unter den Kofferraumboden geschraubt. Damit klettert die Reichweite um rund 80 Prozent und dürfte nahe an 80 Kilometer kommen, verrät Fegg. Und während das Ladevolumen des Cayenne darunter nicht leidet, geht mit dem Facelift auch die Ladeleistung dramatisch nach oben. Statt mit 3,6 oder 7,2 kW zapft der Plug-In-Hybrid den Strom jetzt mit bis zu 11 kW und ist im besten Fall trotz des größeren Akkus sogar spürbar schneller wieder auf 80 Prozent.
Ginge es nach Fegg, könnte die Hatz durch die Hollywood Hills also noch ein bisschen weiter gehen. Doch Porsche, das ist eben auch Familie und auf irgendeinem der vielen Aussichtspunkte gibt’s deshalb einen Stopp und für den 356er die Chance zum Smalltalk. Den nutzen die Porsche-Fans hier wie dort nicht nur für Benzingespräche und das obligatorische Gruppenbild. Sondern die Entwickler erlauben – natürlich ohne Kamera – sogar einen Blick ins Cockpit und lupfen dafür mal kurz die üblichen Tarnmatten.
Was man dort zu sehen bekommt, erinnert verdächtig an den Taycan: Endlich sind auch die Armaturen des Geländewagens voll digitalisiert. Es gibt ein neues Lenkrad mit dem Drehschalter für die unterschiedlichen Fahrprogramme. Vor dem Beifahrer flackert jetzt ein eigenes Display, das wegen einer speziellen Sperrfolie sogar während der Fahrt Spielfilme zeigen darf, weil es von links nicht einzusehen ist. Und auf der Mittelkonsole verschwindet – wie schade – der Schaltknauf. Als kleiner Hebel im Armaturenbrett macht er so zwischen den Sitzen zwar mehr Platz für eine klimatisierte Handy-Schale und die Becherhalter, entrückt den Cayenne aber etwas weiter vom Fahrer und verschiebt das Porsche-Pendel so noch ein bisschen weiter weg vom Elfer hin zum Taycan.
Da der federleichte Sportwagen aus der guten alten Zeit, hier der komfortable Koloss, der den Aufbruch in die neue Zeit wagt – viel weiter als der 356 und der E3.2 können zwei Porsche kaum auseinander iegen. Und doch gibt es neben dem Wappen auf der Haube und natürlich der Herkunft noch eine weitere Gemeinsamkeit: Auch der Cayenne ist mit seinen 20 Jahren Bauzeit mittlerweile so lange dabei, dass sich jetzt im letzten Jahr die Truppe von Porsche Classic seiner angenommen hat.