DriveSPORTS

Porsche Mission R: Das Adrenalin der Zukunft

Es ist später Nachmittag und über dem Porsche Experience Center in Los Angeles geht die Sonne so kitschig unter, wie sie das nur in Kalifornien kann. Und nein, bevor die Klimaschützer jetzt jubeln, hier geht nur ein Tag zu Ende und keine Ära, selbst wenn gerade eine surreale Stille über dem Kurs liegt statt des sonst üblichen Brüllens der Boxer-Motoren. Doch dieses Bild markiert nicht das Ende der vermeintlich sinnlosen Rennerei. Sondern streng genommen geht sie hier gerade von neuem los. Denn untermalt von einem leisen und trotzdem markerschütternden Surren wischt alle paar Sekunden eine rot-weiße Flunder durchs Blickfeld und ist dabei so schnell, dass man sie allenfalls schemenhaft erkennen kann: Nur wenige Wochen nach der Weltpremiere der Studie bittet Porsche auf dem frisch asphaltierten Handlingkurs vor den Toren Hollywoods zur Jungfernfahrt mit dem Mission R und beweist, dass die Raserei auch in der Ära des Elektroautos nicht an Reiz verliert. 

Das gilt für die Zuschauer und mehr noch für den Fahrer: Denn wo andere Elektroautos selbst mit atemberaubender Leistung oft klinisch und kühl wirken, ist der Mission R ein ganz heißes Eisen: Es ist brüllend laut in der engen Kabine und schon nach wenigen Sekunden steht einem der Schweiß auf der Stern – auch wenn das nur an der feuerfesten Unterwäsche, dem hoch geschlossenen Rennanzug, den strammen Gurten und den Glasfeldern zwischen den Streben des Exoskeletts liegt, durch die die letzten Strahlen der kalifornischen Sonne brennen. Für den Rest gibt’s schließlich eine neuartige Öldirektkühlung, die sowohl die Motoren als auch die Akkus bei Laune hält und so die uneingeschränkte Leistungsbereitschaft über eine gesamte Renndistanz garantiert. Kein Wunder, dass der Schatten Runde für Runde gleich schnell durchs Bild wischt.

Dass hinter dem Sitz diesmal kein Boxer brüllt, sondern nur ein Block Batterien montiert ist und stattdessen zwei E-Maschinen an den Achsen reißen – diese Erkenntnis wird hinweggeschwemmt von einer Flutwelle an Adrenalin, die einem mit dem ersten Kick-down durch den Körper schwappt. Und danach gibt es ohnehin keine Zeit mehr zum Überlegen. Viel zu schnell schießt der Tiefflieger davon und viel zu gierig frisst er die Kurven, als dass man hier noch denken könnte. Fast intuitiv hält man den Mission R auf Kurs und tastet sich Runde für Runde näher an die Ideallinie heran. 

Außer der Intuition, der aktiven Aerodynamik, die den Wagen wie mit der Faust eines Riesen auf die Piste drückt, und den Pneus, die wie Pattex am Asphalt kleben, gibt es allerdings nichts, was einem dabei helfen würde. Denn auch wenn der Mission R rein elektrisch fährt, habt sich Porsche den Einsatz übermäßiger Elektronik weitgehend verkniffen: Während der Taycan ein Rechner auf Rädern ist und das freie Spiel der Kräfte von einem Heer an Steuergeräten geregelt wird, bietet der Rennwagen ein fast schon analoges Erlebnis: Torque Vectoring? Fehlanzeige! Stabilitätskontrolle? Pustekuchen! Nicht einmal ABS und Servolenkung sollen das Fahrgefühl verfälschen. Das hier ist schließlich keine Playstation, sondern buchstäblich eine Carrera-Bahn; nur dass sich auf der besser die Erwachsenen als kleine Kinder austoben.

Auch sonst hat der Mission R so gar nichts mit dem Taycan gemein. Statt das erste Elektroauto aus der Serie auszuschlachten, haben die Motorsport-Entwickler in Flacht noch einmal ganz vorne angefangen. Sie haben einen neuartigen Antrieb mit besonders effizienten und standfesten Motoren entwickelt, die im Qualifikationsmodus bis zu 1.088 PS leisten und auch auf Dauer vollgasfest sind. Gespeist werden sie aus einer ebenfalls neuen Hochleistungsbatterie, deren 82 kWh für 30 Minuten Raserei reichen und danach binnen 15 Minuten von zehn auf 80 Prozent geladen werden können. Und weil die ganze Fuhre dank Karbon-Karosse und radikal reduzierter Ausstattung keine 1.500 Kilo wiegt, sind die Fahrleistungen fernab der Vorstellungskraft: Von 0 auf 100 braucht der Mission R nur 2,5 Sekunden und erst jenseits von 300 km/h findet der Vortrieb sein Ende, stellt Chefingenieur Matthias Scholz in Aussicht. 

Verpackt ist der Performance-Antrieb von morgen in ein eine 4,33 Meter kurze und nicht einmal 1.20 Meter hohe Karosserie aus Karbon und nachwachsenden Rohstoffen, bei der die Schwaben ebenfalls viel Neuland betreten. Das gilt nicht nur für aerodynamische Details, sondern auch für die Struktur. Denn statt wie von der FIA gefordert einen Überrollkäfig ins Auto zu schmieden, haben sie Crashschutz aus Karbon konstruiert und wie bei einem Exoskelett zum Bestandteil der Karosserie gemacht. Das sieht cool aus und spart obendrein viele Kilo, schwärmt Designer Peter Varger.

Auch das Interieur ist ein Kompromiss für Petrolheads und die Generation Playstation. Denn das gesamte Cockpit ist als Modul konzipiert, lässt sich samt des Sessels entnehmen und dann in einer speziellen Sitzkiste als Simulator für Rennspiele nutzen. So können Porsche-Fahrer in derselben Umgebung sowohl in der realen als auch in der virtuellen Welt trainieren. 

Dass Porsche auf dem Weg zum elektrischen Sportwagen erst einmal an den Kundensport denkt, hat gleich mehrere Gründe. Zum einen spielt beim passenden Reglement die Reichweite keine ganz so große Rolle. Und zum anderen ist auch das für die Schwaben ein einträgliches Geschäft. Schließlich haben sie seit Einführung des Carrera Cup vor gut 30 Jahren mehr als 4.000 Cup-Rennwagen auf Basis des 911 verkauft und jedes Wochenende sind in 30 Serien rund um den Globus hunderte Markenbotschafter in eiliger Mission unterwegs.

Aber es spricht vieles dafür, dass es für den Mission R nicht bei der Rundstrecke bleibt. „Schließlich gibt es kaum eine Marke, bei der Rennwagen und Straßenautos so eng miteinander verwandt sind wie bei Porsche“, sagt Projektleiter Scholz. Und während seine Autos den Straßenmodellen erst die nötige Glaubwürdigkeit geben, profitiert der Verantwortliche für die GT-Rennwagen von deren großen Stückzahlen. Das gilt auch für den Mission R. Denn wenn der Rennwagen für Captain Future auch nur halbwegs bezahlbar bleiben und wie heute ein Cup-Elfer unter 300.000 Euro plus Steuern kosten soll, müssen sich die Macher die Kosten schon mit den Kollegen aus der Serienproduktion teilen. Der 911 ist bis dahin zwar noch nicht in Rente, zumal Porsche nicht umsonst am E-Fuel forscht, um den Verbrenner für das wichtigste Modell der Marke zu retten. Doch wie praktisch, dass der 718 so langsam auf die Zielgerade fährt und zur Mitte der Dekade als erster elektrischer Sportwagen von Porsche durchstarten könnte. Gut möglich, dass dann selbst in der Ära des Elektroautos auch für die Petrolheads wieder die Sonne aufgeht – und zwar nicht nur am Himmel über Hollywood.

Weitere Beiträge

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"