Traditionen erhalten und Tabus brechen
Porsche Panamera Sport Turismo: Designerboutique
Text: Thomas GeigerTradition mögen sie zwar groß schreiben bei Porsche, doch Tabus gibt es deshalb keine mehr für die flotte VW-Tochter. Weder beim Antrieb, wie die Vierzylinder für Boxster und Cayman oder der Turbo für den Basis-Elfer beweisen, noch beim Aufbau. Denn nachdem die Schwaben, dem Cayenne und dem Macan sei Dank, ohnehin längst mehr SUV als Sportwagen auf die Räder stellen, reißen sie nun die nächste Hürde ein und bauen ihren ersten Kombi – selbst wenn sie den natürlich nie so nennen würden. Zurecht. Schließlich ist das, was da im Oktober zu Preisen ab 97.556 Euro an die Laderampen im Land rollt, von einem Audi A6 Avant oder einem T-Modell der Mercedes E-Klasse so weit entfernt wie ein Golfbag von den Großkartonagen einschlägiger Möbelhäuser. Sport Turismo taufen sie stattdessen die neue Variante und verstehen den Panamera-Ableger als Lifestyle-Laster, mit dem man zwischen Clubhaus und Designerboutique pendelt und sich beim Laden einfach ein bisschen leichter tut.
Deshalb ging es Projektleiter Gernot Döllner auch weniger um das reine Volumen, das bei aufrechter Rückbank um bescheidene 20 und bei umgelegten Sitzen um 50 Liter wächst. Sondern es sind die sekundären Tugenden des Lademeisters, die den Sport Turismo zum Panamera für Praktiker machen sollen. Nicht umsonst ist die Ladekante jetzt sechs Zentimeter tiefer und die Luke deutlich größer als bisher. Außerdem gibt es zum ersten Mal im Panamera eine Dreierbank für die zweite Reihe, wenngleich man den Mittelsitz nicht einmal der Schwiegermutter zumuten möchte. Dafür jedoch können die Hinterbänkler jetzt ein bisschen bequemer einsteigen, haben dank des längeren Daches etwas mehr Kopffreiheit und obendrein den etwas besseren Ausblick.
Auch wenn der Panamera 4 E-Hybrid die gleiche Boost-Taste im Lenkrad hat wie die anderen Porsche-Modelle mit Sport-Chrono-Paket und man auch seinem Auspuff dank einer Klappensteuerung einen ziemlich pubertären Sound entlocken kann, will man diese Variante gar nicht mit Vollgas über die linke Spur prügeln. Viel mehr Spaß macht der Sport Turismo, wenn er elektrisch und dabei alles andere als flügellahm durch die Stadt oder mit bis zu 140 km/h über Land surrt und man die anderen Verkehrsteilnehmer gleich doppelt überrascht: Zum einen mit der Ruhe, die von diesem Riesen ausgeht, und zum anderen wegen des Rückens, der einerseits perfekt zu Porsche passt und andererseits trotzdem nicht ins Bild vom Panamera passen will.
Und selbst der Tankwart staunt. Denn auch wenn der Panamera weder die versprochen 50 Kilometer elektrischer Reichweite noch den Normverbrauch von 2,5 Litern nur ansatzweise erreichen wird, wird er häufiger an der Laderampe oder der Ladesäume als an der Tankstelle sein. Dann weiß man auch, weshalb unter dem Kofferraumboden kein zweites Fach mehr für den Kleinkram oder die Schmutzwäsche ist, sondern dort ein Lithium-Ionen-Akku von 14 kWh steckt – selbst wenn das ein paar Liter Stauraum kostet und man mit 425 statt 520 beziehungsweise 1295 statt 1390 Litern auskommen muss.
Natürlich wird der Panamera auch als Sport Turismo kein wirklich vernünftiges Ding sein und Modelle wie der Macan oder der Cayenne sind praktischer und billiger. Von Konkurrenten wie einem A6 Avant oder einem Fünfer Touring ganz zu schweigen. Doch ist die neue Karosserievariante trotzdem ein kluger Schachzug. Denn erstens ist der Sport Turismo zumindest ein bisschen praktischer und geräumiger als der konventionelle Panamera, Zweitens sieht er einfach besser aus und drittens bietet Porsche damit eine weitere Alternative in der Oberklasse, die man bei den Stammspielern mit Stern, Niere oder Ringen vergeblich sucht. Und dass sich die Schwaben das Heck mit fast 5.000 Euro Aufpreis bezahlen lassen, mag nüchterne Rechner stören und bei anderen Marken zu Schnappatmung führen. Doch der gemeine Porsche-Kunde ist in dieser Hinsicht schmerzfrei, denn er kennt es nicht anders.