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Porsche Taycan: Rasen ohne Reue

Achtung, jetzt tut es weh, denn gleich wird’s teuer. Nein, nicht weil der Porsche Taycan für die Erstbesteller nicht unter 150.000 Euro zu haben ist. Dass das erste Elektroauto der Schwaben nach den Lohner-Modellen aus den Kindertagen der Mobilität kein Schnäppchen werden würde, wird schließlich niemanden überrascht haben. Und später soll es ja zumindest mal eine Version für knapp unter 100.000 Euro geben. Sondern teuer wird es, weil man sich mit diesem Auto kaum an die Verkehrsregeln halten kann. Zumindest nicht hier in Norwegen, wo Porsche zur Jungfernfahrt mit der vielleicht wichtigsten, auf jeden Fall aber spektakulärsten Neuerscheinung aus Auto-Deutschland geladen hat, die es in diesem Jahr zu feiern gibt: Wer nicht aufpasst und tatsächlich mehr als die Spitze des kleinen Zehs aufs Fahrpedal stellt, der beschleunigt nämlich in 2,8 Sekunden nicht nur auf Tempo 100, sondern auch auf mehr als 300 Euro für die Staatskasse, wenn das Tempolimit auf der Landstraße bei 80 km/h liegt und akribisch überwacht wird.

Von Thomas Geiger

Natürlich sind die technischen Daten faszinierend. Schließlich ist der Taycan, der bei uns erst Anfang nächsten Jahres auf die Straße kommt, das erste und einzige Autos, das es mit Tesla aufnehmen kann. Dafür hat Projektleiter Stefan Weckbach nicht gekleckert, sondern geklotzt: Zwei Motoren mit einer Dauerleistung von 460 kW oder rein alter Währung 625 PS und ein Spitzentempo von 260 km/h katapultieren den Taycan zwei Längen vor E-Tron & Co. Im vorläufigen Einstiegsmodell mit dem ebenso ironischen wie irreführenden Namen Turbo kommen sie kurzfristig sogar auf 680 PS und wenn die vollen 850 Nm anliegen, gelingt der Sprint auf Tempo 100 in 3,2 Sekunden und wer den Turbo S bestellt, kann mit 761 PS und bis zu 1050 Nm rechnen und sich noch schneller um den Führerschein bringen.

Zwar muss ein Porsche so dynamisch sein, wenn er seinen Namen zurecht tragen will. Nicht umsonst predigt Vorstandschef Oliver Blume, dass auch der Taycan ein echter Porsche sein will. Doch was für die Marke ein Segen ist, wird bei der Testfahrt zum Fluch und zeigt, wie überflüssig und überentwickelt der Taycan eigentlich ist. Schließlich werden nicht nur die Norweger den Wagen nie legal ausfahren können, sondern auch nicht die Chinesen und die Amerikaner, die vermutlich die größte Kundengruppe stellen, und auch in Deutschland wird es zunehmend schwierig. Böse ausgedrückt bietet der Taycan deshalb – zumindest hier und heute – fahrerisch also nicht viel mehr als ein elektrischer Smart, nur dass er bald sechsmal soviel kostet.

Dabei könnte man den Taycan durchaus richtig rannehmen. Das hat  Porsche mit einer Rekordrunde auf der Nordschleife bewiesen und das wird Projektleiter Stefan Weckbach nicht müde zu betonen: Anders als Hauptkonkurrent  Tesla, der nach ein paar Kickdowns in den Notlauf geht und die Leistung reduziert, sei der Taycan nämlich wie jeder Porsche vollgasfest: „Solange Strom im Akku ist, gibt’s die volle Performace,“ betet Weckbach sein Mantra herunter und den Testfahrern bleibt nichts anderes übrig, als ihm zu glauben. Denn seine Worte hier und heute zu überprüfen, das kann und will sich von den Gästen keiner leisten.

Während man die Seele des Elfers deshalb allenfalls erahnen kann, spürt man auf der Langstrecke  zumindest die Verwandtschaft zum Panamera. Denn wenn es schon keinen erhöhten Puls gibt und kein Herzrasen, dann wenigstens elektrifizierte Entspannung. Kein Porsche ist ruhiger und in keinem fährt man so gelassen und souverän wie im Taycan – Luftfederung, Hinterachslenkung und jeder Menge Lack und Leder sei dank.

Zur Entspannung trägt auch der Blick auf die Restreichweite bei. Kein Wunder, bei einer Akku-Kapazität von 93,4 kWh. Auf dem Prüfstand reicht das bei den beiden Taycans aus der Startaufstellung für bis zu 450 Kilometer und später wird es auch Varianten mit weniger Leistung geben, die theoretisch über 500 Kilometer weit kommen. In der Praxis ist  das zwar nicht zu halten, erst recht nicht, wenn man den Porsche gattungsgerecht fährt und jeder Kavalierstart drei, vier Kilometer kostet. Doch – einen Vorteil muss die elektrische Schleichfahrt im hohen Norden ja haben – hier in Norwegen kommt man ohne Zwischenstopp gut und gerne 300, 350 Kilometer weit. Und auch dann ist die Reise nicht zu Ende. Sondern an der richtigen Säule geparkt, braucht der Taycan nicht einmal 25 Minuten, um den Ladestand von 5 auf 80 Prozent zu heben – wenn nicht gerade ein Dutzend anderer Testwagen vor einem in der Reihe stehen.

Aber zumindest bei der Jungfernfahrt ist das kein Schaden, kann man sich so doch neben dem Fahren auch der Form widmen und erlebt den Taycan dabei einmal mehr als Brückenschlag zwischen Gegenwart und Zukunft. Außen stehen dafür vor allem die neuen Scheinwerfer, die vor den wie immer überhöhten Kotflügeln zu schweben scheinen, und das dünne Leuchtschwert am Heck, das die durchgehenden Rücklichter der aktuellen Modellpalette neu interpretiert . Und innen ist es das Cockpit, in dem sich Porsche-Fahrer fühlen werden wie Captain Future und trotzdem auf Anhieb zurechtkommen dürften. Denn man blickt in eine Bildschirmlandschaft, in der es kaum noch haptische Bedienelemente gibt – selbst die Lüfterdüsen verstellt man jetzt auf einem Touchscreen.

Das sieht ungeheuer futuristisch aus und lässt selbst die Teslas mit ihrem großen Tablet irgendwie alt wirken, ist aber absolut einleuchtend und selbsterklärend, auch wenn sogar der Enkel des Schalthebels nicht mehr da ist, wo er seit 70 Jahren war und nun neben das Lenkrad rückt. Zumindest ein paar goldene Gesetze der Porsche-Geschichte bleiben aber berücksichtigt: Die unterschiedlichen Fahrmodi wählt man nach wie vor mit einem Drehschalter am Lenkrad und links davon leuchtet stolz ein Sensorfeld, das an den Startknopf erinnert.

So sehr man den Taycan in der ersten Reihe genießen kann, so deutlich fällt die Freude nach hinten ab . Denn im Fond ist der Wagen für seine immerhin fast fünf Meter ziemlich knapp geschnitten, Knie- und Kopffreiheit liegen eher auf dem Niveau eines Dreiers als eines Siebeners und auch der Kofferraum ist eher kleiner als bei der Konkurrenz: Vorne 81 und hinten 366 Liter könnten knapp werden, wenn man tatsächlich mal zu fünft unterwegs ist. Doch zumindest dieses Problem will Porsche bald lösen – und unterstreicht damit einmal mehr, dass der Taycan kein Solitär bleibt, sondern an Beginn einer elektrischen Großoffensive steht. Denn die ersten paar hundert Millionen der sechs Milliarden, die Porsche bis 2022 in die Elektromobilität investieren will, bekommt Weckbach für eine zweite Modellvariante – den Cross Turismo. Der ist dann vielleicht nicht ganz so sportlich, bietet aber mehr Platz und zugleich weniger Frust. Denn mit den Kindern auf dem Rücksitz verliert das Rasen ohnehin ein bisschen seinen Reiz.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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