Porsche feiert den 75. Geburtstag seines ersten Sportwagens und macht sich das schönste Geschenk gleich selbst: Denn im Geist des legendären 356, mit dem die Geschichte 1948 begonnen hat, haben die Schwaben jetzt ein Showcar gezeichnet, das als Vision 357 die Jubiläumsausstellung im Berliner Konzern-Forum krönt.
Damit erinnern sie an den eiligen Erstling, mit dem sich Porsche-Junior Ferry den Traum von perfekten Sportwagen erfüllt hat – und das zu einer Zeit, in der die meisten Menschen andere Sorgen hatten. Denn 1948 ist man in Deutschland weit von Luxus und Leidenschaft entfernt. Die Städte liegen in Trümmern, die Alliierten haben in weiten Teilen des öffentlichen Lebens das Sagen und zum Beispiel das Porsche-Werk in Stuttgart besetzt und wenn überhaupt ein Auto zum Thema wird, dann ist es der Käfer, der so langsam aus den Ruinen krabbelt. Doch auf einem Hofgut in Gmünd in Österreich sieht Ferry Porsche die Welt mit anderen Augen. Der Sohn des genialen Ingenieurs Ferdinand Porsche lässt sich den Spaß von der Weltgeschichte nicht vermiesen und knüpft dort an, wo der Vater mit Autos wie dem Berlin-Rom-Wagen vor dem Krieg aufgehört hat: Unter der Projektnummer Projektnummer 356.49.001 beginnt er im Sommer 1947, seinen Traum vom eigenen Sportwagen zu verwirklichen. Und als der am 8. Juni 1948 die allgemeine Betriebserlaubnis der Kärntner Landesregierung erhält, ist das nicht nur die Freigabe für ein faszinierendes Fahrzeug, sondern die Geburtsstunde einer Legende. Denn mit dem offenen Zweisitzer, der die Projektnummer der Einfachheit halber auch gleich zum Typenkürzel macht, beginnt zugleich die Geschichte des vielleicht berühmtesten Sportwagenherstellers der Welt.
Und weil ihm Vater Ferdinand die Rennfahrerei versagt, hat Ferry eben andere damit auf die Strecke geschickt – und sich sein Auto so Sonntag für Sonntag bestätigen lassen. Denn schon damals hat der 356 von den 24 Stunden von Le Mans über die Mille Miglia oder die Targa Florio bis hin zur Carrera Panamericana so ziemlich alles gewonnen, was es zu gewinnen gab – und so den Grundstein für jene Legende gelegt, von der insbesondere der Elfer bis heute zehrt. Denn kein anderer Sportwagen ist so oft auf der Rundstrecke unterwegs wie der Porsche 911 und keiner hat so viele Siege errungen.
Los ging es damals allerdings vergleichsweise bescheiden. Denn im Grunde war der Porsche 356 nicht viel mehr als die Kombination einer spärlich geformten Alu-Karosserie über ein paar Gitterstreben und darunter die Achsen, die Lenkung, die Räder und die Bremsen des VW Käfers. Und auch der 1,1 Liter große Boxer-Motor kommt aus Wolfsburg, wurde aber von Porsche dank neu konstruierter Zylinderköpfe um 7 kW/10 PS gestärkt, was immerhin 26 kW/35 PS bedeutete. Bei 585 Kilo reichte das für ein Spitzentempo von 135 km/h und für ein respektvolles Raunen im Kreis der Sportwagen-Enthusiasten.
Heute, wo schon der schwächste Sportwagen von Porsche auf 220 kW/300 PS kommt, in 5,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigt und ein Spitzentempo von 275 km/h erreicht, wirkt der 356er fast lächerlich. Doch auch im hohen Alter hat der 356er seinen Biss noch nicht verloren und wirkt in der Praxis viel schneller, als es die Eckdaten in der Theorie vermuten lassen. 55 kW/75 PS etwa im Super Speedster von 1958 fühlen sich eben ganz anders an, wenn sie gerade mal 760 Kilo zu bewegen haben. Und selbst wenn heute jeder Polo schneller ist als der erste Porsche, kann man in der silbernen Flunder sehr wohl einen Geschwindigkeitsrausch bekommen, so leichtfüßig tänzelt der Wagen durch die Kurven, so giftig hängt er am Gas und so gierig verbeißt er sich in das Heck des Vordermanns. Und vor allem wirkt er mit seinen 3,87 Metern dabei so klein, zierlich und unscheinbar wie ein Spielzeug-Auto.
Zwar ist der bis 1965 immerhin rund 78.000 Mal gebaute 356 heute ein gefragter Oldtimer, für den Sammler trotz der eher bescheidenen Fahrleistungen mit gerade mal 175 km/h Spitze schnell mal sechsstellige Beträge bezahlen. Doch bei aller Liebe zur Tradition halten sie kein Porsche nicht viel vom Blick zurück, und wenden die Aufmerksamkeit deshalb lieber der Zukunft zu – auch bei diesem Jubiläumsstück.
Denn statt den 356 einfach mit modernen Mitteln nachzubauen, haben sie ihn noch einmal neu erfunden: „Wie hätte der Traum von Ferry Porsche von einem Sportwagen heute ausgesehen?“ fragt Designchef Michael Mauer und antwortet darauf mit einer silbernen Skulptur, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft stimmig zu verbinden versucht. „Die Proportionen mögen an das historische Vorbild erinnern, Details visualisieren den Blick in die Zukunft,“ sagt Mauer und verweist auf die neuen Front- und Rückleuchten oder digitalen Außenspiegel, während er etwa die weit nach hinten gezogene Frontscheibe als Retro-Reminiszenz heraus streicht.
Nur unter dem Blech bleibt der 357 ganz im Hier und Heute: Denn als Basis dient ein Cayman GT4 RS, von dem auch der vier Liter große Boxer mit seinen 500 PS stammt. Damit ist er dem 356er sogar näher als der nächsten Generation von Cayman und Boxster – denn die kommt erstmals ausschließlich rein elektrisch.