En voque
Der neue Range Rover Evoque
Text: Jakob Stantejsky
99,9 % des Evoque sind völlig neu, lediglich die Türscharniere hat er von seinem Vorgänger übernommen. Was erstmal nach witziger Anekdote klingt, ist für die neueste Generation des Kompakt-SUV tatsächlich sehr bezeichnend. Denn so traditionsbewusst die Briten auch sind, bei diesem Auto haben sie klar erkannt, dass man nicht nur mit der Zeit gehen muss, sondern ihr im Idealfall auch ein paar Schritte voraus sein sollte. Das schlägt sich unter anderem im Interieur nieder, wo die Sitze auf Wunsch mit einem recycelten und recycelbaren Gewebe von Kvadrat und auch einer speziellen Eukalyptus-Faser bezogen werden – beide Textilien sind besonders umweltfreundlich. Zwar bietet Range Rover natürlich auch immer noch Leder an, doch dass gerade eine derartig prestigeträchtige Luxusmarke so viel Wert auf ökologisches Vorgehen legt, spricht eine deutliche Sprache.
Trotz beinahe 800.000 verkaufter Evoques ruht man sich also nicht auf den Lorbeeren aus und sucht nach immer mehr und besseren Lösungen in jeder Hinsicht. Das Design des Evoque wird noch cleaner und cooler als bisher, bleibt aber trotz Annäherung an den Velar ganz klar eigenständig. Es ist schier unglaublich, wie verdammt gut ein Kompakt-SUV aussehen kann. Den Schönheitspreis in diesem Segment holt sich Range Rover in meinen Augen mit haushoher Überlegenheit. Besonders in der R-Dynamic-Version mit den bronzefarbenen Zierelementen auf Motorhaube, Flanke, Schürze und Heck wird der Evoque zum echten Augenschmaus. Aber an Schönheit kann man ja auch sterben, wie uns das Sprichwort lehrt. Blüht dieses Schicksal auch dem neuen Evoque?
Kurze Antwort gefällig? Nein. Denn auch unter der Haube macht der Evoque große Schritte in Richtung Zukunft. So kommen alle mit Automatik ausgestatteten Modelle auch direkt als Mild-Hybride daher, ein Plug-in mit Dreizylinderbenziner folgt noch. Im schönen Griechenland konnte ich das 240 PSige Dieselaggregat sowie den 250 Rosse scheuchenden Benziner auf Herz und Nieren prüfen. Autobahn, Landstraße – wahnsinnig breit und wunderbar geschwungen, nur so als kleiner Roadtrip-Tipp am Rande – und bis weit in die Berge, abseits von allem, was man auch nur ansatzweise als Straße bezeichnen kann – alles war auf unserer Tour von Athen kreuz und quer durch den Peloponnes dabei. Und so ruhig und bei Bedarf auch dynamisch der Evoque sich auf dem Asphalt auch gibt, im Dreck bringt er den Fahrer wirklich zum Staunen. Denn egal ob es sich um Schlamm, zerfurchten Erdboden oder auch eine Fahrt im – nein, nicht „durch“, sondern „im“ – Flussbett handelt, der so kompakte und coole Brite zeigt sich als echte Kämpfernatur.
Wobei man ihm das mit dem Kämpfen irgendwie kaum anmerkt. Denn der kleinste Range Rover beißt sich so scheinbar mühelos kreuz und quer und auf und ab durchs Unterholz, dass der Fahrer sich wie der König des Offroads vorkommt. Diverse Fahrprogramme für diverse Untergründe, Bergab- und -auffahrhilfen und zahlreiche gescheite Extras wie die „durchsichtige Motorhaube“ (eine Kamera projiziert das Geschehnis zwischen den Vorderrädern direkt ins Cockpit) machen jeden noch so haarsträubenden Ausflug ins Gelände zum Promenadenspaziergang. Man könnte denken, wenn so ein kleiner Racker auf superedel und stylisch macht, fliegt er abseits der Straße auf die Schnauze, aber nein. Der Range Rover Evoque ist ein echter Range.
Ob Benziner oder Diesel ist bei den beiden getesteten Motoren wohl Geschmacksfrage. Ich persönlich tendiere aufgrund des strafferen Antritts untenheraus und des passenderen Motorsounds zum Selbstzünder, denn so ein Vierzylinder-Otto kreischt doch arg gequält, wenn man ihm die Sporen gibt – was so überhaupt nicht zum geschmeidigen Evoque passt.
Schneidiges Aussehen und gute Dynamik auf und abseits der Straße sind ja schon mal zwei Drittel der Miete, doch wie steht es um die inneren Werte? Das Cockpit bekommt den doppelten Touchscreen, den ja der Velar bei der Marke eingeführt hat, und ist insgesamt so elegant gestaltet, dass man sich locker in einem deutlich größeren Auto wähnt. Die schon erwähnten alternativen Materialien gefallen nicht nur aufgrund ihres grünen Hintergrunds, sondern fühlen sich auch bequem und hochwertig an. Wie bei allen Nachfolgern üblich wächst auch beim Evoque der Innenraum dank diverser Designkniffe an und das Auto bietet so trotz quasi gleichbleibender Länge mehr Platz – das kann nie schaden. Anders als die meisten anderen Range Rover bekommt der Automatik-Evoque allerdings nicht den Drehschalter für den Gangwechsel, sondern einen herkömmlichen Wahlhebel. Ein bisschen schade, da der rotary gear selector sich bestimmt perfekt ins cleane Interieur eingefügt hätte, aber in dieser Hinsicht haben sich die Briten Kundenwünschen angepasst, wir sind also quasi selbst schuld. Selbst schuld ist man auch, wenn man den Range Rover Evoque abschreibt, denn auch der Nachfolger wird garantiert wieder ein Bestseller. Diese Behauptung begründe ich jetzt nicht auf irgendwelchen Statistiken, sondern auf meinem logischen Denken.
Wer sich schon ganz logik- und vernunftbefreit auf das neue Evoque Cabrio freut, muss jetzt eine herbe Enttäuschung durchleben. Denn da sich der geschlossene Dreitürer verkaufszahlentechnisch nicht mit Ruhm bekleckert hat, baut Range Rover derweil keine zweite Generation dieser Variante. Und ratet mal, worauf das Cabrio basiert. Die Hoffnung stirbt jedoch zuletzt, denn die Entwürfe und Pläne liegen alle fix und fertig in der Schublade, haben wir munkeln hören…