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Renault 5 Turbo 2 – der böse Back(en)fisch

„Wenn ich ein mal groß bin, werde ich ein Turbo“, dachte sich der kleine Renault 5. Und blies die Backen ordentlich auf …

Es waren die 1980er-Jahre und die Zeiten waren wild. Nach frisch überstandener Ölkrise war plötzlich wieder Platz für Spaß. Und selbst programmierte Biedermänner wie der legendäre Renault 5 durften plötzlich sportlich werden. Oder auch: sauböse.

von Franz J. Sauer
Legendär, ja das triffts, wenn die Rede vom Renault Cinq ist, finden wir. Schließlich trat der Kleinwagenklassiker ein schweres Erbe, jenes des nicht minder legendären Renault 4 an. Anfangs hatten die kleinen Fünfer auch noch die Schaltung in Revolverform aus dem Dashboard ragen, legendär geriffelt blieb das Interieur, der Türgriff war ein simples Knöpferl, Tür-Taschen waren in jenen Tagen prinzipiell aus Karton und auch in Sachen Seitenneigung eiferten die dünn bereiften Teile dem hochstelzigen Vorgänger behände nach. Schnelle Kurven? Naja. Nicht ohne viel Sorge oder ausgewogene Gewichtsverteilung.  Fesch waren sie allemal, die ersten Renault 5. Und beliebt. Sie gingen über die Ladentische wie die warme Semmel …
Fette Backerln, kurze Schnauze, alles schön aus Polyester. Bloß die Äugleins sind noch original.

… die sie im Vergleich zu anderen Rennsemmeln dieser Tage ja auch rechtschaffen waren. Ganze 34 PS stemmte das Erstmodell ab 1972 auf die dünnen Vorderräder, da war nicht viel mit Sport und so. Mit den Jahren stieg die Leistung, ab 1976 waren im Topmodell TS bereits 64 PS abrufbar. Ab 1977 schließlich kam die richtige Leistung aufs Tapet. Nachdem das Label „Gordini“ für sportliche Renaults zu dieser Zeit bereits ausgelaufen war, wurde der erste 5er mit fast dreistelligen Leistungsdaten „Alpine“ genannt. 93 PS sägten am Fahrwerk und führten dieses schnell zu Überforderung. Weshalb zur Saison 1980 ein Update mit tiefen Eingriffen in Aufbau und Wagencharakteristik vorgenommen wurden.

Renault 5 Turbo: Breitbau

Wenn vom Renault 5 Turbo die Rede ist, spricht Renault gerne von einem „Kompaktsportwagen auf Basis des Renault 5“ und damit liegt man gar nicht so falsch. Schließlich verlegte man den sonst vorne liegenden Motor, der ob der Abgasaufladung mächtig anwuchs, auf die Hinterachse, veränderte also die gesamte Fahrzeuggeometrie. Zu Lüftungszwecken mussten die hinteren Kotflügel fast schon ridikulös ausgestellt werden. Überhaupt wurden alle Anbauteile aus Polyester gefertigt, der etwas hämisch „Backenturbo“ getaufte Sport-Fünfer war geboren und stemmte von Beginn an amtliche 160 PS auf die neu beschwerte Hinterachse. Die Benchmark in dieser Klasse hieß logischerweise VW Golf GTI – welchen der dicke Fünfer vor allem puncto Endgeschwindigkeit easy schnupfte (205 km/h!). Und in Sachen Beschleunigung legte man sich überhaupt gleich mit der Königsklasse an – die sagenhaften 6,9 Sekunden für den 100er-Sprint lagen nur ein Zehntel unter dem nämlichen Wert des damaligen Porsche 911 SC. Chapeau!

Renault 5 Turbo 2

Bereits 1982 ward die zweite Generation des Turbo aufgelegt, die Unterschiede waren optisch marginal, sportlich aber tiefgreifend. So wurde das Fahrwerk komplett überarbeitet, die Karosserie vor allem punco Aerodynamik umgebaut und antriebsmäßig wurde die Basis für eine nach oben offene Leistungskurve gelegt, die beim Turbo 2 in der Renn-Endversion schließlich in sagenhaften 408 PS Spitzenleistung gipfelten. Das Ding muss kaum zum derreiten gewesen sein …

Nineteeneightyfour …

Bis 1985 wurde das Einser-Kastel des Renault 5 produziert, aus dem vorletzten Produktionjahr stammt jenes wunderbare, knallrote Turbo 2-Exemplar, das uns die nicht minder wunderbaren Jungs von Renault Kammerhofer Tulln für eine kleine Ausfahrts-Zeitreise im schönen Weinviertel zur Verfügung stellten.

Zurück von der Ausfahrt … und hier geht’s zur Story: http://goo.gl/U01lKB

Posted by autonet.at on Freitag, 10. Juli 2015

… hier rollt sie heran, die böse 5 …

Renault 5 Turbo 2: Dass sowas mal erlaubt war …

Zunächst: Platz ist in der kleinsten Hütte, ein Vorurteil, das der 5er Turbo bestätigt. Große Türen, wenig Verkleidungs, kleines Lenkrad, enge Pedale, viel Kopfraum. Bloß: weit zurückfahren kann man den Sitz nimmermehr. Direkt hinter der Lehne lauert der Motor. Lässt gerade mal Platz für ein Dünndruck-Exemplar der New York Times obenauf und lässt puncto Thermik auch schnell vermuten, was sich hinter der dünnen Abdeckung so alles abspielt. Auch auf Lärmschutz wird hier weit weniger Wert gelegt als auf Österreichs Autobahnen. Es dröhnt, pfaucht, bollert, rotzt, röchelt und knallt. Direkt an Deinen Ohren. Weite Strecken sind vorerst nicht indiziert, würde der Apotheker von unten am Eck zu diesem Auto und seinem dargebotenen Komfortangebot sagen.

Servo? Fehlanzeige. Heir wird gearbeitet. Alles ist hart, alles ist knochig, alles hat Spiel, alles wirkt verglichen mit heutigen Bediensystemen wie aus dem Plastikcontainer. Aber dennoch funkt und spielt alles. Wirkt perfekt ineinander. Lässt den Glauben an Perfektion hochleben. Und bringt schnell Faszination für die Kunst der Mechanik auf. Denn Elektronik spielt bei Autos wie diesem puncto Vortrieb eine untergeordnete Rolle.

Schnelle Welle

Würde sich ein Dreizylinder-Skoda-Fabia heutzutage so anfühlen, man getraute sich keine 70 km/h Spitze aus ihm herauszukitzeln. Nix is fix, alles schwammerlt, von Schaltung bis Lenkung, aber irgendwie geht sichs schon aus, zumal Mut insofern belohnt wird, als sich die meisten gefühlt lockeren Schrauben hier mit steigendem Tempo stetig selbst anziehen würden. Bei rund 4000 U/min schließlich kommt der Turbo. Zuerst verhalten, dann schnell gerotzt, schließlich aggressiv. BAMM! 5000. Jetz geht’s rund. Du hast das Lenkrad hoffentlich fest in der Hand. Und vergisst nicht, raufzuschalten. Sonst wimmert die Fuhre schirch gegen den Begrenzer. Und dieses Geräusch tut körperlich weh.

Sportliche Dreispeiche, geneigt wie das Gouvernal im 13A. Alles hier ist griffig, aber auch schwammig. Wer Spiel sucht, wird schnell fündig. Faszinierend, wie man einst mit so viel Ungenauigkeit so ungeniert schnell fuhr.

Hat man sich einmal an die leichte Vorderhand gewöhnt, ist der dicke Fünfer vor allem auf engen Bergstraßerln eine Macht.

Kurvenwunder

Man muss kein Physik-Genie sein um schnell zu erkennen, wo die Sport-Skills des Renault 5 Turbo 2 liegen. Der kurze Radstand gepaart mit einer recht ausgeglichenen Gewichtsverteilung macht den kleinen Wilden zum Kurvenwetzer. So schnell bricht einem diese Hinterachse nicht weg, so schwer wie sie daherkommt. Und wenn man sich einmal an die leichte Vorderhand gewöhnt hat (das Fehlen jeglicher Servounterstützung hilft der subjektiven Wahrnehmung diesbezüglich) ist der dicke Fünfer vor allem auf engen Bergstraßerln eine Macht. Man lernt wieder, Zwischengas zu geben in so einem Auto. Übt den gefühlvollen Umgang mit einer Kupplung, legt artig den linken Fuß auf die Seitenablage, wenn geschalten wurde, auf dass hier nix zu heiß wird oder anbrennt. Und wenn man erstmal Vertrauen zu den sagenhaft dahin-fadenden Bremsen gefasst hat, traut man sich auch, in die Ecken richtig wild reinzubremsen. Erst dann wird man mit dieser Fuhre so richtig schnell.




Rallyecrack Markus Stachl machte uns auf dieses Kleinod in Videoform aufmerksam … Dank dafür!

Renault 5 Turbo 2: Das Fazit

Von aktuellen Rennsemmeln ausgehend ist der Renault 5 Turbo 2 eine formidable Zeitreise in jene Tage, als Rennsport auch im Privatfahrer-Bereich noch eine wirklich Mut fordernde Angelegenheit war. Insgeheim wünscht man sich den Col de Turrini gesperrt, um die dicke 5 da einmal ordentlich raufzujodeln. Oder aber man wünscht der Section-Control im Kaisermühlentunnel einen veritablen Stromausfall, auf dass man in jenem soundfördernden Gebilde den zweiten Gang bei offenem Fenster einemal anständig ausdrehen darf. Einen Eindruck, wie das dann klingen könnte, gewinne man hier etwas weiter unten …

Preis & Wert

Selten ist der Turbo 2 auch heute schon wie nur, Wertanlage ist er allerdings (noch) keine. Immerhin: gut 40.000 Euro wären heute für ein Exemplar wie das von uns gefahrene zu berappen. Allerdings ist Stefan Kammerhofer hier relativ uninformiert wie -interessiert. Er plant vorerst nicht, das knallrote Zeitdokument aus seiner Garage zu entlassen.

Und jetzt noch den Sound dazu vorstellen. Oder nein: hier unten anhören!





Franz J. Sauer

Liebt Autos, weiß auch ein bissl was, schwurbelt schön drum herum und springt für SUV in die Bresche.

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