Ein Renault, der es mit einem Porsche aufnehmen kann? Diese Vorstellung ist heute kaum mehr als ein schlechter Scherz. Doch es gab einmal Zeiten, da hatten die Franzosen tatsächlich die Nase vorn.
Text: Thomas Geiger
Jean Rédélé sei dank. Er hat vor genau 60 Jahren die neben Bugatti einzig echte und ernstzunehmende Sportwagenmarke aus Frankreich ins Leben gerufen und mit seinen auf Renault-Basis aufgebauten „Alpine“ die Renn- und Rallyestrecken der fünfziger und sechziger Jahre beherrscht. Das ist zwar lange her, aber trotzdem nicht vergessen. Im Gegenteil: Mit reichlich Verspätung hat dich Markeninhaber Renault auf diese sportliche Tradition besonnen und vor drei Jahren mit der Wiederbelebung begonnen.
Die verlief zwar bis dato ein wenig holprig, und viel mehr als die erste Studie zu Ehren des 50. Geburtstags der Alpine A110 im Jahr 2012, einen virtuellen Rennwagen für das Telespiel Gran Turismo und die Querelen mit dem ursprünglich mal als Kooperationspartner ausgeguckten Kleinserienhersteller Caterham ist dabei bislang noch nicht heraus gekommen. Doch die Signale aus Paris sind eindeutig: „Die neue Alpine kommt,“ hört man aus dem Design-Center. Und damit es auch wirklich jeder glaubt, haben die Franzosen jetzt am Wochenende in Le Mans im Prolog des 24-Stunden-Rennens eine neue Studie auf die Strecke geschickt.
Als „Alpine Celebration“ soll sie nicht nur an die Firmengründung vor genau 60 Jahren in Dieppe an der Kanalküste erinnern. Sondern vor allem soll die blaue Flunder die Fans auf das Serienmodell einstimmen, mit dem angeblich schon im nächsten Jahr zu rechnen ist. Die Form des Coupés jedenfalls, die in vielen Details die A110 zitiert und trotzdem verdächtig nach einem Verschnitt aus Porsche Cayman und Audi TT aussieht, ist dem Vernehmen nach schon ziemlich final.
Nur was unter der schmucken und hoffentlich wie früher schön leichten Hülle passieren wird, darüber schweigen sich die Franzosen noch beharrlich aus. Ein V6-Mittelmotor wie in der Studie von 2012 wäre zwar eine verlockende Idee, gilt aber als denkbar unwahrscheinlich. Viel realistischer ist ein Vierzylinder-Turbo, den man auf bis zu 1,8 Liter aufbohren und sicher knapp an die 300 PS bringen könnte. Wenn es die Franzosen dann auch noch schaffen, das Gewicht in der Nähe einer Tonne und den Preis bei 40 000 bis 50 000 Euro zu halten, dann könnten sie damit Großseriensportlern wie dem Toyota GT86 genauso die Schau stehlen wie exklusiven Exoten vom Schlage des Alfa 4C.
Zwar ist es ein bisschen her, dass Renault echte Sportwagen gebaut hat. Doch dass es den Franzosen nicht an Erfahrung und Konsequenz mangelt, dafür gibt es genügend Beweise. Nicht umsonst war der Renault Mégane RS aus der Sport-Abteilung lange Jahre der schnellste kompakte Fronttriebler auf der Nordschleife und der Renault Spider das vielleicht kompromissloseste Cabrio, das in Europa damals gebaut wurde. Mag sein, dass Renault mit solchen Projekten auch viel Geld verbrannt hat. Aber dem Image hat das sicher nicht geschadet. Und wer sich damals eines der sportlichen Nischenmodelle gekauft hat, der hat sogar ein gutes Geschäft gemacht. Denn mittlerweile sind das extrem gesuchte Gebrauchtwagen.… Als „Alpine Celebration“ soll sie nicht nur an die Firmengründung vor genau 60 Jahren erinnern. Sondern vor allem soll die blaue Flunder die Fans auf das Serienmodell einstimmen …