Im vielstimmigen Kanon der Volkswagen-Konzernfamilie spielen die Tschechen eine eigene Melodie. Deren Takt gipfelte 2017 mit der R5 WRC2-Version des Škoda Fabia im Triumphat in der Rallye-WM.
Text: Beatrix Keckeis-Hiller Fotos: Škoda
Bei Škoda spielt die Musik. Die 1895 gegründete Marke – da gehörte Mlada Boleslav/Jungbunzlau noch zur österreichisch-ungarischen Monarchie – ist nach Überwindung der eingeschränkten Zeiten der kommunistischen Ära auf dem besten Weg zum ganz großen Big Player in der Autowelt. In Österreich rangieren die Tschechen derzeit auf Rang zwei in der Zulassungsstatistik (mit 7,2 Prozent Marktanteil). Gewachsen ist der Erfolg wohl auf dem technischen Humus der Volkswagenkonzern-Mitgliedschaft. Doch unleugbare Basis ist die über mehr als ein Jahrhundert gewachsene Tradition und Expertise des Handwerks der Böhmen.
Škoda stempelt der deutschen Technik einen eigenen, einen tschechischen Takt auf. Der ist getragen von der Begeisterung für den Motorsport. Den bewiesen die Böhmen schon 1901, einspurig, als Narcis Podsedniček auf einer einzylindrigen Laurin & Klement im Rennen von Paris nach Berlin als Erster über die Ziellinie pfeilte. Die Zweispurigen taten sich in der Folge in diversen nationalen und internationalen Rennserien hervor. Immer wieder bei der Monte Carlo Rallye. Zum Beispiel 1977 mit dem 130 RS (dieses Kürzel führen die aktuellen Sport-Modelle von Škoda in der Typenbezeichnung), als die Tschechen Platz eins und zwei eroberten.
Im Zuge der Konsolidierung, der Neuordnung und der Etablierung von Škoda unter der Regime des Volkswagen-Konzerns rückte der Motorsport vorerst ein wenig in den Hintergrund. Bis 2015. Als die Entscheidung, die seriennahe WRC2-Welt- und National-Meisterschaft aufzumischen, in der R5-Version des Fabia Gestalt angenommen hatte. Den unmissverständlichen Auftrag, zu gewinnen und nicht nur dabeizusein, setzte der Schwede Pontus Tidemand mit mehreren Siegen prompt um.
Es kann sein, dass sein – und seines tschechischen Kollegen Jan Kopecky – Gastspiel in Österreich, als Instruktor auf dem Eis- & Schnee-Fahrtechnikkurs in Obertauern eine gute Vorbereitung dafür war: 2017 gipfelte das Sport-Engagement von Škoda im Sieg gleich mehrerer WRC2-Meisterschaften: der Rallye-WM – mit Tidemand/Andersson -, der tschechischen Meisterschaft – mit Kopecky/Dresler – und etlicher FIA-Übersee-Serien, wie die Asien-Pazifik Rallye (APRC), die Südamerika Rallye (CODASUR) und die Afrika Rallye (ARC).
Es sind ja die Böhmen sowieso gesellige Leut‘, die gerne feiern. Noch dazu, wenn es einen handfesten Grund gibt. Deshalb hat Škoda an den Stammsitz, nach Mlada Boleslav, und nach Prag eingeladen. Die Protagonisten, die Chefs und zahlreiche internationale Gäste sowie die neuen Teams, die – nicht von ungefähr – zu einem hohen Prozentsatz aus Skandinavien stammen. Dazu gab es alles, was zu einem Fest gehört: Ansprachen, Applaus, zur Jahreszeit passend Weihnachtsmarkt (mit Punsch), dazu Essen und Trinken, was Küche und Keller national und international hergeben. Fehlten nur noch Musik und Tanz.
Für Ersteres war der R5 WRC zuständig. In zwanzig Prozent der Teile identisch mit dem Großserien-Fabia schlägt sein Herz im Takt eines 1.620 ccm-Turbovierzylinders. Der leistet – Reglement-konform – knapp 280 PS und 420 Nm. Mit nicht ganz vier Metern Länge bringt der Allradler, bewehrt mit mechanischen Sperrdifferenzialen an beiden Achsen, 1.230 Kilo auf die Waage. Die Fahrstufen werden über ein sequenzielles Fünfganggetriebe sortiert. Aus seinem Auspuff schallt es markant sonor bis diskant, der Tonumfang ist weit gespannt, ebenso die Modulationsbandbreite, wer genau hinhorcht, kann auch Freddie’s Bohemian Rhapsody heraushören.
Für den Menu-Punkt Tanz waren die Meister aus Europa zuständig: Tidemand und Kopecky. Als Parkett diente das Autodrom Sosnovà (das liegt schon hart an der heutigen Grenze zu Polen). Dort scharrten die frisch fertigen R5 schon auf dem zwar kalten, aber trockenen Asphalt. Mit oben besagten Piloten am Steuer und der Einladung, auf dem Copiloten-Sitz Platz zu nehmen. Eine gewisse Gelenkigkeit ist Voraussetzung, den zu erklimmen. Freundliche Herren sorgen dafür, dass man verrutschfest eingespannt, pardon, festgeschnallt ist. Und los geht’s, für zwei Runden, die offenbar als erstes Ernstfall-Training verstanden werden.
Ein bissl blöd ist nur, wenn man in die Kategorie „untergroß“ fällt. Da gibt’s einerseits kaum die passende Helmgröße (L war der kleinste), da deckt sich andererseits das Blickfeld genau mit der Oberkante des Armaturenbords. Kurzum: Man sieht – nichts. Seitlich beim Acrylfenster rausschauen bringt die Halswirbelsäule in Bedrängnis und das Kopfwackeln außer Kontrolle. Wie Beifahrer in vollem Race-Modus den Aufschrieb derlesen und vortragen erscheint schleierhaft. Aber dem Weltmeister – nackenschonend aus dem Augenwinkel – beim Stakkato-artigen Spielen auf der Klaviatur von Kupplung/Gas/Bremse/Schaltung zuzuschauen ist auch interessant. Denn der winterblaue Himmel gab an diesem Tag nicht viel Spannendes zum Schauen her. Wolken waren da oben nicht eingeladen. Dafür schickten die Reifen Rauchzeichen von unten.
Nach der Drift-Demonstration war’s einem jedenfalls nicht mehr kalt. Alleine schon angesichts der geradezu überschäumenden Motiviertheit der Tschechen. Die Rhapsoden des Škoda-Motorsports sind fix vorbereitet für den Start in die nächste Saison. Die Fabia R5 WRC2, dirigiert von Pontus Tidemand und Jan Kopecky sowie den angestammten und den neuen Teams, brennen darauf, 2018 in nationalen und internationalen Rallyes aufzugeigen und der Bohemian Rhapsody eine neue Strophe hinzu zu komponieren. Erster Termin: die Monte, von 22. bis 28. Jänner.