Vielleicht war’s ein bisserl ungeschickt von Mercedes: Da laden die Stuttgarter zu Testfahrten mit dem gelifteten GLC, offerieren gleichzeitig den spannenden F-Cell, nur wird der binnen weniger Minuten zur Nebensache degradiert, weil du’s noch immer nicht glauben kannst, wie martialisch der AMG GLC 63 S nach vorne schiebt.
Text: Maximilian Barcelli
Bitte. Man möge mich lynchen und meine Körperhülle dann umweltfreundlich entsorgen. Oder besser: Recyceln. Aber es gesagt sein: Ein Elektromotor berührt die Seele einfach nicht so, wie es ein Verbrenner tut. Schon gar nicht, wenn es sich bei solchem um den V8-Biturbo von Mercedes-AMG handelt.
Ja, die Beschleunigung eines potenten E-Autos raubt den Atem. Das war’s dann aber auch schon. Der Achtzylinder im Mercedes-AMG GLC 63 S presst dich bei Volllast nicht nur ins Leder, sondern stimuliert sämtliche Sinne. Und er tut dies verdammt lange: Von 0 auf 100 km/h geht’s mit Launch Control in 3,8 Sekunden. Das flasht brutal, man sitzt immerhin in einem gar nicht so kleinen SUV. Zeit zu Verschnaufen bleibt nicht: Munter wandert die Tachonadel weiter und weiter, die 510 PS schieben den GLC heftig nach vorne. Selten war es so einfach, den Führerschein zu verlieren.
Gut, dass wir in Deutschland sind und die dort ein bisserl einen Knall haben was Autos betrifft – im positiven Sinne. Wir rasen mit bis zu 230 km/h über die Autobahn. Schneller geht nicht. Aber nicht, weil der GLC 63 S da schon sein volles Potential ausgeschöpft hat, sondern weil der Verkehr es nicht zulässt. Das Arge ist, wie souverän der Affalterbacher auch bei Tempo 200 plus auf der Straße klebt. Das kennen wir von den meisten SUVs anders, was ja auch legitim ist, da die Bauweise nicht gerade auf Vmax ausgelegt ist. Trotzdem: Wie sicher man sich im GLC fühlt, wenn man mit 230 Sachen über die linke Spur fliegt, imponiert.
Theoretisch sind dann noch 50 km/h mehr drin, dem S-Modell geht erst bei Tempo 280 die Puste aus. Der „normale“ GLC 63 schafft mit AMG Drivers Package 10 km/h weniger. Nicht minder faszinierend ist neben dem gewaltigen Vortrieb auch die Querdynamik. Ja, auch der GLC 63 S ist noch immer ein SUV. Und mit rund zwei Tonnen boxt er auch nicht in der Leichtgewichtsklasse. Trotzdem tut das Fahrwerk alles fahrwerksmögliche, um den Koloss auf Spur zu halten. Es kaschiert die bauartbedingte Unsportlichkeit hervorragend. Wer uns nicht glauben möchte, glaubt dieser Zahl: In 7:49,37 Minuten ballerte der Vor-Facelift GLC 63 S über die Nordschleife. Und Kurven soll’s dort ja geben – angeblich.
Bei der ganzen Schwärmerei haben wir ganz vergessen, worum es eigentlich geht: GLC-Family-Facelift – und nicht nur die bösen Geräte aus Affalterbach. Neu ist der 63er-Motor ja nicht, dafür wurde vieles um ihn herum modernisiert. Allen voran das Interieur. Der Dreh-Drück-Regler fliegt raus und wird von einem Touchpad ersetzt – leider. Und zwar nicht, weil die Steuerung des ebenfalls überarbeiteten Infotainments jetzt nicht mehr astrein klappt (tut sie), sondern weil der Dreh-Druck-Regler ein haptischer Genuss war. Das herrliche Klacken werden wir vermissen. Mehr zur neuen GLC-Familie gibt’s hier.
By the way: Niemand will die Elektromobilität diskreditieren. Niemand verschließt seine Augen vor der Zukunft. Auch Mercedes nicht, Stichwort EQC. Kann gut sein, dass E-Mobility die Lösung ist – oder zumindest ein Teil davon. Aber Himmel Herrgott: So gewaltig wie dieser V8 ist, da darf man schon ein bisserl wehmütig werden. Oder?