Tesla crashing
Werden wir alle entmündigt sterben?
Früher machten wir uns Sorgen über den Verfall der guten Sitten, die steigende Zahl der Kirchenaustritte oder die PISA-Punktzahl unserer Jugend. Nach jüngsten Medienberichten gesellt sich die bange Frage hinzu: Werden wir alle machtlos am Steuer autonomer Fahrzeuge sterben?
Kommentar: Bernhard Katzinger
Es häufen sich die Vorfälle mit dem „Autopilot“-Modus in Tesla-Fahrzeugen. Das (wie der Kinostart des in der Mikrowelle Hollywoods aufgewärmten Blockbusters „Independence Day“) gibt im Motorblock Anlass zur bangen Frage: Oh my fucking god, werden wir sterben?Die Antwort, gleich vorweg, lautet wie immer: Ja. Aber nicht gleich alle auf einmal.
Und: Es finden sich in den Berichten auch einige Hinweise, die angetan sind uns zu beruhigen. Zunächst sind alle drei Fälle in den USA passiert. Und dort herrscht nicht nur ein grundsympathischer Fortschrittsglaube, sondern auch der stückweise Ersatz gesunden Menschenverstandes durch eine Rechtssprechung, welche die USA zum Land der unbegrenzten Schadenersatzforderungen macht.
Nein, die Europäer sind nicht per se klüger als die Amerikaner. Und nein, ich halte die Amis nicht durch die Bank für so blöd, ihre Haustiere in der Mikrowelle zu trocknen, wenn sie kein Warnhinweis davon abhält.
Aber: In Europa kann man halt auch nicht reich werden, indem man ein Werbeversprechen auf seinen Wahrheitsgehalt hin abklopft und dabei körperlich zu Schaden kommt.
Werbung und Wirklichkeit
Natürlich – und für keinen mündigen Menschen zur Überraschung – klafft bei Tesla eine Lücke zwischen Werbung und Wirklichkeit: Waschpulver X lässt nicht alles wieder reinweiß erstrahlen, Bankkredit Y bedeutet nicht das Ende aller Geldsorgen, und der „Autopilot“ bei Tesla ist ein Paket aus zwar sehr hilfreichen Assistenzsystemen, macht aber noch lange kein autonom fahrendes Auto.
Bei anderen Herstellern – etwa bei Mercedes-Benz – werden dieselben oder ähnliche Assistenten angeboten. Nur ist etwa der deutsche Hersteller deutlich vorsichtiger. Einerseits damit, was man den Kunden verspricht; andererseits auch diesbezüglich, dass man die Fahrer zum Beispiel einer E-Klasse nach wenigen Sekunden warnt, doch gefälligst die Hände am Lenkrad zu lassen. Widrigenfalls wird das System – anders als im Tesla – deaktiviert und der Wagen sogar gestoppt, wenn der Fahrer keine Reaktion zeigt.
Das wird von manchem Early Adopter als lästig empfunden, stellt aber eine wirksame Rückversicherung gegen fatale Kinderkrankheiten der neuen Technik dar.
Auch nicht hilfreich war Elon Musks dünnhäutige Reaktion auf die Vorfälle selbst und Vorwürfe bezüglich eines Aktienverkaufs, bei dem es nicht ganz mit rechten Dingen zugegangen sein soll. Da ist der erfolgsverwöhnte Tesla-Gründer – hoppala – in ein kleines PR-Desaster gestolpert.
Aber das geht vorbei. Und die Entwicklung smarter Assistenzsysteme schreitet bei allen Herstellern voran. Dauert halt noch ein bisschen, bis man wirklich ruhigen Gewissens am Steuer seines Autos ein Nickerchen machen kann. Soll uns nichts Schlimmeres passieren: Fahren wir halt so, dass es Spaß macht!