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Verkehrte Welt: BMW M8 Cabrio vs. Mercedes-AMG SL 63

Kopflos und schnell, so könnte man die beiden Probanden dieses Vergleichstests kurz umschreiben. Allerdings scheint es, als hätten sich Benz und Beamer jeweils die markeneigenen ­Spezifika des anderen angeeignet.

Krieg, Krise und eine allgemein eher miese Stimmung. Nicht gerade die besten Voraussetzungen für einen Vergleich von zwei hochmotorisierten Luxus-Cabrios. Ausser, man hat ein ziemlich robustes „Jetzt erst Recht!“ Wesen eingebaut – dann macht so ein Doppeltest immer Sinn.

Sowieso sind Autos wie der SL von Mercedes oder der M8 von BMW mehr als nur ein Ding zur Beförderung von A nach B. Solche Autos sind wahre Emotions- und Motivationsträger. Hat man beispielsweise schon als kleiner ­Lauser das SL-Verkaufsposter an der Wand picken gehabt, so ist ein neuer Mercedes SL immer wieder ein Grund zur Freude. Aber nicht, weil man drauf spitzt, ihn sich alsbald selbst in die Garage zu stellen – bei einem Basispreis von 252.695 Euro hilft den meisten da selbst der großzügige Klimabonus nix. Vielmehr gibt es eine Aussicht auf die schönen Seiten des Lebens. Irgendwie stehen Autos wie diese für etwas Größeres als sich selbst. Ein spezielles Lebensgefühl und ein ganz eigene Art des Luxus. Und, am besten: Zeit, um eben diese zu inhalieren.

Das beginnt damit, sich die beiden Konkurrenten mal näher anzusehen. Um den Mercedes-AMG SL 63 erst einmal richtig verstehen zu können, sollte man sich der Historie der Baureihe bewusst sein. Vor fast 70 Jahren wurde der SL als Rennsportmodell geplant und feierte reichlich Erfolge. Aus dem fernen Manhattan kam dann die Anfrage von US-Importeur Max Hoffman – zu­fäl­li­gerweise in Wien geboren – doch ein sportli­ches Cabrio für die betuchte Kundschaft im Süden zu produzieren. Das Resultat war der W198, meist 300SL genannt. Ein Auto zum Niederknien, träumen und Autoquartett gewinnen. Sechs Generationen und abertausende golfspielende Käufer später gibt es ihn immer noch. Aber wie „Super-Leicht“ ein aktueller SL mit knapp 1,9 Tonnen Leergewicht noch ist?

So kühne Versprechen stehen dem BMW M8 Cabrio fern, der „Boarische“ weiß um sein „Wammerl“ ganz genau Bescheid und steht zu den stolzen 2,1 Tonnen auf der Waage. Zwar ist die Geschichte des M8 nicht ganz so lange und kristallklar wie die des Stuttgarters, ein wenig Historie steht aber auch ihm zu. Man könnte zwar weit ausholen, und Autos wie den 3.0 CS der E9 Baureihe als spiri­tu­ellen Vorfahren sehen – so richtig als 8er getauft wurde neben der aktuellen Generation aber nur eine vor ihm. Rückblende: Sommer 1989 – Michael Keaton war als Batman zu sehen, die McDonalds Pizza floppte gnadenlos und der Berliner Mauerfall stand kurz bevor. In dieser wirren Zeit hat BMW den ersten 8er vorgestellt und die deutsche Autobahn hat ihren neuen King bekommen. Klappscheinwerfer, ein fetter V12 und jede Menge elektrische Gimmicks – ein passenderes Serienauto für einen (europäischen) Drogenbaron von Welt gab es bis heute wahrscheinlich keines (all die Zender- und sonstwie veredel­ten SEC-Mercedes und Elfer lassen wir hier außen vor). Heute tritt der 8er-BMW nach schöpferischer Pause und völliger Neuauflage viel nobler auf, repräsentiert jedenfalls erneut die absolute Sport-Oberliga von BMW.

Auch wenn spritfressende Monster in letzter Zeit immer uncooler werden, und man sich als Gern-Fahrer mindestens einmal täglich fürs Auto fahren rechtfertigen muss, steht bei beiden dieser automobilen Träume schon von vornherein ein fettes Grinsen im ­Gesicht. Was gleich auffällt: Die typischen Rollenbilder des traditionalistischen Mercedes und das des übersportlichen BMW sind hier völlig vertauscht. Die neueste Generation des Mercedes SL macht viel mehr auf Sportwagen als ihre Vorfahren und der BMW setzt auf die gelassene, klassische Coupe-Form. Interessanterweise kann man bei beiden Luxus-­Hobeln ähnliche Design-Inspira­tionen erkennen. So sehen beide an der Front beispielsweise einem ziemlich unentspannten Hai gleich. Auch die lange Haube ist bei beiden Modellen sehr präsent – muss schließlich ja auch Platz für V8-Motoren bieten. Der SL geht nach der A-Säule sehr bauchig nach hinten, man könnte meinen, ein Konkurrent aus Zuffenhausen steht am Platz. Vorerst soll die rundliche Form aber das baldige Ende des AMG GT überbrücken, hier ist noch kein Nachfolger in Sicht. Konträr dazu zeigt der BMW M8 stark die Kante und gibt heckwärts die ­Limousine.

Im Innenraum werden stärkere Unterschiede sichtbar. Während man im M8 Cabrio durchaus auch hinten mitfahren kann – als Über-150cm-Mensch zwar nur für ein paar Kilometer, aber immerhin –, so sollten Mitfahrer im SL 63 bestenfalls ausschließlich aus einem Torso bestehen; Warum hier nicht gleich auf Sitzan­deu­tun­­gen, wie bei den Vorgängern üblich, verzichtet wurde, bleibt fraglich. Aber naja, so viele Mitfahrer sind eh schlecht für die Performance, außerdem entsteht so wenigstens Platz für ein wenig Gepäck. In Sachen Infotainmentsystem setzt BMW auf das altbekannte iDrive. Keine Neuheit, dafür ein Garant in Sachen Bedienbarkeit und ­Aufbau. Mercedes geht mit dem MBUX neue Wege, sogar das Display kann sich je nach Sonneneinstrahlung neigen. Die Bedienung von nahezu allem wurde aufs Display verlegt, Knöpfe sucht man im SL 63 vergebens. Auf den ersten Metern eine Umstellung, ist man aber erstmal drin im Thema, läuft auch dieses System ganz einfach von der Hand.

Motorisch werkelt im M8 Competition Cabrio ein 4,4-Liter V8-Motor, welcher von zwei Turboladern zwangsbeatmet wird. Über das Drehzahlband hinweg leistet der Bayer dann bis zu 625 PS und 750 Newtonmeter Drehmoment. Damit hext sich der M8 Competition in 3,4 Sekunden auf Tempo 100. Geschalten wird natürlich nicht von Hand, eine 8-Gang Wandler Automatik sorgt für möglichst ununterbrochenen Vortrieb. Die Klangkulisse vom BMW gibt sich kultiviert, störend laut oder gar unvernünftig wird der deutsche Landsmann nicht. Ganz anders situiert ist da der SL 63, das 4,0-Liter V8 Bi-Turbo Aggregat gibt deutlich jede Menge Klanggenuss an die Außenwelt weiter – ob diese das will oder halt nicht. Aber da steht der SL-Fahrer drüber, wenn’s zu peinlich wird, reicht ein Gasstoß und man ist sprichwörtlich über alle Berge. Der Stuttgarter lässt nix anbrennen, in 3,2 Sekunden stehen 100 am Digitaltacho, bis 315 km/h wird theoretisch weiter beschleu­nigt. Auch wenn der SL 63 mit 585 PS im Nachteil zum BMW steht, fühlt sich der offene Stern sportlicher und ernster an. Der BMW lädt untypischerweise mehr zum Cruisen und entspannten Gleiten ein als der Mercedes.

Wie das Kürzel 4MATIC+ beim Mercedes vermuten lässt, schieben die hellwachen 800 Newtonmeter Drehmoment über alle vier Räder kräftigst an. Dass passiert dann so lange, bis man den richtigen Knopf im Infotainmentsystem findet, und die komplette Leistung nurmehr auf die hinteren Räder schickt. Ähnliches gibt es auch im BMW, hier heißt das System ­xDrive M und lässt sich sogar noch einfacher, mit zwei M-Tasten direkt am Lenkrad, abschalten. Von technischer Seite her agieren beide Allradsysteme nahezu ident. Die Leistung wird mithilfe einer Lamellenkupplung und cleverer Software zwischen den Achsen aufgeteilt. Steigen dann die Gelüste nach gummierten Rauchzeichen, kann die Vorderachse nahezu vollständig entkoppelt werden. Was folgt, kann nur noch mit Freude am Fahren betitelt werden – bei ­beiden Autos.

Erstaunlicherweise macht letzten Endes das simple Herumgleiten sowohl in SL als auch im M8 dann doch am meisten Spaß, auch wenn diese beiden Autos zu anderem konzipiert wurden und dafür natürlich viel zu viele Pferde im Gepäck dabeihaben. Klar, gelegentlich sorgen Wadenkrämpfe oder ähnlich unterbewußte Muskelzuckungen für spontane wie unabsichtliche Gasstöße. Sound, Vortrieb und Fahrbahnadhäsion übertünchen dann für kurz die Furcht, von einem gestrengen Gesetzeshüter in blecherner oder menschlicher Form dabei beobachtet worden zu sein. Ehrlich, Herrschpektor, ich konnte nichts dafür. Ich verspreche, ich esse künftig wieder mehr Magnesium …

BMW M8 Competition Cabrio
Hubraum: 4.395 ccm
Leistung: 625 PS
Drehmoment: 750 Nm / 1800-5860 U/min
Beschleunigung: 0-100: 3,3 s
Spitze: 250 km/h
Verbrauch: 11,6 – 11,2 Liter
Gewicht: 2.100 kg
Preis: 242.870,40 Euro

Mercedes-AMG SL 63 4Matic+
Hubraum: 3.982 ccm
Leistung: 585 PS
Drehmoment: 800 Nm / 2500-5000 U/min
Beschleunigung: 0-100: 3,6 s
Spitze: 315 km/h
Verbrauch: 13,0-12,3 Liter
Gewicht: 1.970 kg
Preis: 252.695 Euro

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