In einem Volvo XC90 ist noch niemand gestorben – zumindest nicht in England. Verifizieren wollten wir das nicht. Falsifizieren schon gar nicht (konnten wir ja nicht, da wir nicht in Großbritannien waren). Doch auch ohne Crashtest gibt der Schwede eine wirklich großartige Figur ab.
Text: Maximilian Barcelli
Wenn in Sachen radikal-modernes Innenraum-Design immer wieder die Namen Tesla und Volvo fallen, kann man dann vom überraschend kleinen Touchscreen im XC90 fast ein bisserl enttäuschend sein. Gut, er hat ja schon einige Jahre am Buckel, ist quasi schon ein alter Schwede, doch die gesamte Einfassung mit den Luftdüsen sieht grundsätzlich ein bisserl lieblos designt aus. Sie wurde nicht ins Interieur integriert, wie wir es vom Volvo V60 kennen. Viel mehr gibt’s Innen aber nicht zu kritisieren – und auch das lässt sich unter „Geschmackssache“ verbuchen.
Außerdem machen das Optik und Haptik des Mitteltunnels schnell wieder wett. Der gläserne Automatikwählhebel sieht großartig aus, ist vielleicht nicht ganz so ein Blickfang, wie der des neuen BMW X5, X7 und 8ers, dafür trägt er auch nicht so protzig auf. Ein absolutes Highlight ist der Start-Stopp-Drehregler. Nicht wenige vermissen nämlich dieses einmalige Gefühl des Aufbruchs, wenn der Zündschlüssel gedreht und der Motor aktiviert wird – zumindest laut einer von mir durchgeführten Studie, die sich über immerhin vier Personen erstreckt.
Das fällt mit den ganzen Startknöpfen natürlich weg, so praktisch sie auch sein mögen. Einen Kompromiss bietet neben Porsche eben auch Volvo. Beide Hersteller verbauen anstelle von weniger emotionalen Knöpfen einen Drehschalter, es muss also noch ein bisserl was gemacht werden, damit der Motor anspringt. Bei ersterer Marke befindet sich dieser Schalter traditionell links, Volvo klatscht ihn eben auf den Mitteltunnel, gleich neben dem hübschen Wählhebel.
Klar macht das allein ein Auto noch nicht gut. Aber es sind diese kleinen Details, die einen zum Lächeln bringen – vermutlich auch noch nach Jahren. Was ein Auto hingegen wirklich ausmacht: Fahrwerk, Lenkung, Antrieb, um drei wesentliche Punkte zu nennen. Ersteres radiert beim XC90 Bodenunebenheiten weg, als hätte es nie etwas anderes getan. So östlich kann eigentlich gar kein Land sein, als dass das Luftfahrwerk des Volvo XC90 mit den Straßen überfordert wäre, da ist man nämlich schon wieder im Westen. Nur mittelmäßig überzeugen konnte uns hingegen der Motor.
Volvo ist nämlich nicht nur in Sachen Interieur-Design radikal-modern, auch die Antriebe sind es – oder wollen es zumindest sein. So gibt es selbst beim größten SUV maximal nur vier Töpfe, die mit einer Elektromaschine bis zu 390 PS erarbeiten. Das tun sie im T8, die Motorisierung, die auch „unseren“ Schweden antrieb. Grundsätzlich mehr als ausreichend, in unter sechs Sekunden spurtet das Dickschiff auf 100 km/h und auch nach dieser Marke geht’s munter weiter. Nur: Souverän sieht anders aus. Er braucht schon Drehzahl, der Vierender.
Dafür ist man im urbanen Bereich nahezu emissionsfrei unterwegs, vorausgesetzt man lädt die Batterie regelmäßig auf. Doch auf der Langstrecke – und niemand kauft sich ein Automobil in dieser Größenordnung, nur um komfortabel durch die City zu cruisen – wünscht man sich nicht selten das bärige Drehmoment eines hubraumstarken Sechszylinder-Diesels her, wie man es beispielsweise vom BMW X5 30d kennt. Der beschleunigt zwar nicht signifikant besser, aber eben unangestrengter, smoother.
Was wiederum lobend erwähnt werden muss: Gibt man dem Vierzylinder nicht Vollstoff, sondern tritt das Gaspedal mit Bedacht, so ist der Motor so gut wie nicht hörbar – die Dämmung ist großartig. Wenn sich der Verbrenner zur Elektromaschine gesellt, ist das ebenso nicht merkbar. Nur der Drehzahlmesser gibt Auskunft darüber, ob der Strom momentan unterstützt wird. Erinnert ein bisserl an den Range Rover PHEV, und das heißt was.
Die Dämmung schützt aber nicht nur vom Motorgeräusch, sondern Außengeräuschen sämtlicher Art. In Kombination mit dem hervorragenden Luft-Fahrwerk vermittelt der XC90 ein fabelhaftes Gefühl des Schwebens.
Der Volvo XC90 ist 4950 Millimeter lang. Er zielt also auf den bereits erwähnten BMW X5 sowie Mercedes GLE ab. Zwar bekommt man bei der Konkurrenz mehrere Zylinder, in Sachen Fahrwerk, Verarbeitung und Hochwertigkeit steht der Schwede den deutschen Platzhirschen aber in nichts nach. Auch nicht in preislicher Hinsicht nicht: Mit mindestens 65.000 Euro findet sich der XC90 im unteren Spektrum der Premium-SUVs wieder.
Allerdings muss man die Infotainment-Bedienung schon bewusst wollen, das System ist zwar fein, doch selbst für Digital Natives etwas gewöhnungsbedürftig. Außerdem ist die ausschließliche Benutzung über Toucheingaben fahrsicherheitstechnisch ein totaler Nonsens. Interessant, weshalb gerade die so auf Sicherheit bedachten Schweden da keine Sekundärlösung anbieten.