VW Cross Coupé GTE
Der XL-Tiguan aus Chattanooga
Trotz sauberem Vorspiel – der Tiguan im Touareg-Format bleibt ein Amerikaner.
von Thomas Geiger
Dieter Zetsche strahlt, Rupert Stadler ist nicht minder zufrieden und auch die BMW-Manager kommen bei ihrem Besuch auf der Detroit Motor Show vor Lachen kaum in den Schlaf. Denn Amerika ist und bleibt für die deutschen Autobauer ein gelobtes Land und steht gleichermaßen für Rekordergebnisse im letzten und rosige Aussichten im neuen Jahr. Nur VW-Chef Martin Winterkorn muss gute Miene zum bösen Spiel machen. Denn ausgerechnet der größte deutsche Hersteller kommt auf dem wichtigsten Markt der Welt partout nicht recht voran. Zwar haben die Niedersachsen zumindest im Dezember ihr Vorjahresergebnis halten können. Doch insgesamt ist der Absatz 2014 noch einmal um zehn Prozent auf knapp 370 000 Autos gefallen – allein vom Camry verkauft Erzrivale Toyota in Amerika mehr als VW mit seiner ganzen Flotte. Und dass die Niedersachsen auf so einem wichtigen markt sogar meilenweit hinter einem Nischenanbieter wie Subaru stehen, dürfte die Laune in Wolfsburg kaum bessern.
Wir haben einen Plan
Aber VW hat die Probleme – mal wieder – erkannt, die Reißleine gezogen, den Chef und den Kurs gewechselt und zumindest einen Plan, wie die Marke den Markt ankurbeln soll. Schließlich kann Winterkorn den Marsch an die Weltspitze abhaken, wenn er sein US-Geschäft nicht in den Griff bekommt. Dabei ruhen die Hoffnungen vor allem auf einem großen Geländewagen für kleines Geld, der aus der US-Fabrik in Chattanooga kommen und den großen People-Movern der amerikanischen und asiatischen Marken Paroli bieten soll. Das Idee ist nicht schlecht und die Aussichten für so ein Dickschiff sind rosig – zumal bei einem Benzinpreis von weniger als 2,50 Dollar pro Gallone niemand mehr nach dem Spritpreis fragt. Doch die Sache hat einen Haken: Bis zum Produktionsstart dauert es noch fast zwei Jahre. Denn vor Ende 2016 wird der Hoffnungsträger nicht fertig.
Langes Vorspiel
Um die Wartezeit zu überbrücken, praktiziert VW ein fast schon peinlich langes Vorspiel und geht damit jetzt auf der Motorshow in Detroit in die dritte Runde: Eine weitere Studie soll die Amerikaner auf das Dickschiff einstimmen. Als viertüriges Coupé mit abfallendem Dach und stark geneigtem Heck ist das 4,85 Meter lange Schaustück zwar noch immer weit von der Serienfassung entfernt, die markanten Falze über den Radhäusern sind viel zu stark betont und obendrein fehlt der Studie die für den Erfolg in Amerika unabdingbare dritte Sitzreihe. Doch zumindest die Front und natürlich das Format, so hört man aus Wolfsburg, sind schon ziemlich nah am finalen Entwurf.
In allen anderen Gewerken liebäugeln die Niedersachsen dagegen mit der nahen Zukunft: Innen ist das Cross Coupé deshalb möbliert wie der Golf Touch von der Elektronikmesse CES und umgarnt die digital Natives mit einem virtuellen Cockpit, einem riesigen Navi-Bildschirm und einem zweiten Touchscreen für die Klimaregelung. Und unter der Haube steckt ein Plug-In-Antrieb, der das Kürzel GTE rechtfertigt.
Ein Benziner, zwei E-Motoren
Dafür kombinieren die Entwickler einen V6-Benziner mit 3,6 Litern Hubraum und 280 PS mit gleich zwei E-Maschinen. Die eine leistet 54 PS, ist vorn im Getriebe integriert und dient beim Rekuperieren oder bei leerem Akku als Generator; die zweite steckt auf mit 115 PS auf der Hinterachse und gewährleistet so den für einen Geländewagen noch immer unverzichtbaren Allradantrieb. Gespeist werden die Motoren aus einem aus einem Lithium-Ionen-Akku mit Steckdosen-Anschluss. Weil der zusammen 360 PS starke und maximal 209 km/h schnelle GTE bis zu 32 Kilometer ohne Verbrenner fahren kann, geht der Normverbrauch nach den US-Regularien auf umgerechnet rund 3,4 Liter zurück.
So spannend das Design der Studie auch sein mag und so verlockend die Aussicht auf einen Geländewagen im Format des Touareg zum Preis des Tiguan auch ist – viel mehr als ein paar Linien im Gesicht, die Idee vom aufgeräumten Cockpit mit virtuellem Kombiinstrument und doppeltem Touchscreen in der Mittelkonsole und das Konzept eines Hybrid-Pakets mit elektrischem Allradantrieb wird zumindest für die Europäer von dieser Studie nicht übrig bleiben. Denn den Export nach Europa schließen die Niedersachsen für den Hoffnungsträger bislang aus.