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VW ID.5: Knackige Kehrseite

Der Dieselskandal endlich abgewickelt, die Digitalisierung in Angriff genommen und bei der elektrischen Revolution ganz vorne dabei: Ausgerechnet jetzt gerät VW auf die schiefe Bahn – und ist auch noch stolz darauf. Denn nachdem die Niedersachsen den Trend zum SUV-Coupé in der alten Welt beständig ignoriert haben, machen sie jetzt zumindest in der neuen Welt mit bei der Mode und biegen deshalb das Heck des ID.4 zurecht. Wenn der Anfang nächsten Jahres zu Preisen ab etwa 47.000 Euro auch als ID.5 ins Rennen geht, wird er deshalb zum Schöngeist unter den Stromern und will auch all jene Kunden ansprechen, die bei BMW X4 oder Range Rover Evoque noch eine elektrische Alternative vermissen. 

Für rund 2.000 Euro Aufschlag zum ID.4 gibt es dann vor allem die coolere Kehrseite. Denn während die Länge auf 4,61 Meter wächst, duckt sich das Dach auf 1,61 Meter und das Heck fällt in einem schmucken Schwung. Während man im Rückspiegel kaum einen Unterschied erkennen wird, wird der ID.5 so aus allen anderen Perspektiven zum Schönheitskönig unter den Stromern aus der VW-Familie. 

Natürlich hat diese Schönheit auch ihren Preis, den wie immer die Hinterbänkler und Lademeister zahlen. Doch weil die ID-Modelle mit ihrer im Wagenboden versteckten MQB-Technik ohnehin das Platzangebot der nächstgrößeren Klasse bieten, lässt sich der Verlust hier ganz gut verschmerzen. Bei 2,77 Metern Radstand kann VW die Rückbank auch ohne Einbußen bei der Kniefreiheit so weit nach vorne ziehen, dass der Kopf vor dem Scheitelpunkt des Daches nach oben ragt und das Haupthaar nicht am Himmel schleift. Und der Kofferraum ist mit 549 Litern in der Grundkonfiguration exakt so groß wie im ID4. Nur wer hinter der auf Wunsch elektrischen Klappe bis unters Dach stapelt, verliert ein paar Liter. Doch weil am Ende noch immer 1.561 Liter im Datenblatt stehen, lässt sich das ganz gut verschmerzen. Zumal zur Not ja auch noch eine Anhängerkupplung aus dem Heck fährt und der ID.5 etwas an den Haken nehmen kann.

Technisch gibt es dagegen keine Unterschiede – erst recht nicht beim GTX, der als sportliche Speerspitze den Start macht und deshalb noch als Prototyp auch die ersten Testfahrten bestreiten musste. GTX, das steht in dieser Familie für zwei Motoren mit zusammen 220 kW/299 PS, ein vereintes Drehmoment von 460 Nm und einen Akku, der 77 kWh leistet und mit bis zu 125 kW geladen werden kann. Dass der ID.5 damit auf knapp 500 Kilometer WLTP-Reichweite kommt und wohl den ID.4 hinter sich lässt, ist ein schöner Nebeneffekt der lustvollen Linienführung – er hat schlicht den geringeren Luftwiderstand.

Was für den ID.5 spricht und vor allem für das Sportabzeichen GTX, das ist der spontane und lineare Antritt, zumal der Prototyp mit seinen zwei Motoren natürlich nochmal mehr Punch hat. Für die Generation E mag das selbstverständlich sein, und wegen der 6,3 Sekunden von 0 auf 100 bekommt dort keiner mehr Herzrasen. Doch wer sonst Tiguan fährt und den auch noch vollgeladen hat, der ist überrascht, wie flott dieser 2,5-Tonner in Fahrt kommt. Und um wenigstens ein bisschen aus der Reihe zu schlagen und ein wenig Sportsgeist auf die Electric Avenue zu bringen, ziehen die Niedersachsen erst bei 180 km/h den Stecker. So bekommt das SUV gar vollends ein Happy End.

Alternativ gibt es den ID.5 aber auch ohne GTX-Paket mit dann nur einem Motor an der Hinterachse, der im Basismodell auf 174 PS und in der mittleren Leistungsstufe auf 204 PS kommt. Beide fahren zwar etwas weiter, so dass VW bis zu 520 Kilometer Reichweite in Aussicht stellt, müssen sich dafür aber mit 160 km/h Topspeed begnügen. 

Gegen den ID.5 spricht dagegen sein stolzes Gewicht, das auch der stärkste E-Motor nicht komplett kompensieren kann. Ja, die MEB-Modelle sind ungewöhnlich handlich und überraschen im Stadtverkehr immer wieder mit ihrem winzigen Wendekreis, und natürlich macht der Fahrdynamikregler einen prima Job, in dem er alle elektronischen Regelsysteme orchestriert und immer für maximalen Grip der 21-Zöller sorgt. Doch die mehr als zwei Tonnen lasten schwer auf der Straße und bringen sich vor allem auf kurvigen Strecken doch ein wenig in Erinnerung. 

Zwar kommt der ID.5 erst Anfang nächsten Jahres in den Handel. Doch intern hat er offenbar schon eine große Welle gemacht und auch bei den Kollegen aus der alten Welt ein paar Vorbehalte davon gespült. Denn mittlerweile fühlt sich VW augenscheinlich ganz wohl auf der schiefen Bahn und bringt mit dem Taigo – zwei Nummern kleiner – bald auch ein SUV-Coupé für die Fraktion der Verbrenner.

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