Es war einmal vor langer, langer Zeit im Land der aufgehenden Sonne. Ein Jahr vor der Gründung des WIENER, also 1978, baute Toyota das erste Exemplar des Supra. Dieser Sportwagen sollte weltweit zur Legende werden, bevor er 2002 im Dornröschenschlaf versank. 2019 wurde er endlich wachgeküsst.
Text: Jakob Stantejsky
Man sollte meinen, wenn eine Ikone nach 17 Jahren wieder auf die große Bühne zurückkehrt, jubiliert man weit und breit. Aber nein, so manches Rumpelstilzchen fand ein Haar in der Suppe. Denn fast die komplette Hardware des neuen Supra stammt von BMW und er wurde mit dem Z4 gemeinsam entwickelt. Doch auch wenn Motor, Chassis etc. aus München kommen, unterschiedlicher könnten die zwei Vehikel kaum sein. Das lasse man sich gesagt sein, von einem, der sie beide ausgiebig testen durfte.
An der Abstimmung hat Toyota so viele Schrauben gedreht und die eigene Software ist so grundsätzlich anders als jene aus Deutschland, dass der Supra locker als eigenständiges Auto durchgeht. Abgesehen vom BMW-Interieur. Aber wer beschwert sich schon über einen knackigen Innenraum mit hochwertigen Materialien?
Außerdem fokussieren wir uns beim Toyota Supra liebend gern auf äußere Werte. Das Original wird gekonnt zitiert, was dem Traditionalisten Freude bereitet. Aber unser Testwagen hat auch einen eigenen, völlig unverwechselbaren Look. So geschwungen die Karosserie auch ist, so zackig steht sie da. Unser knallroter Japaner hat Lust auf Radau, das macht er unmissverständlich klar. In diesem Märchen frisst Rotkäppchen den Wolf, und wir sind live dabei.
Toyota ist sich offensichtlich bewusst, dass ein Supra ein Supra bleiben muss. Deshalb hat die sonst so auf Sicherheit fokussierte Marke ihrem Sportler auch ordentlich Spielraum mit auf den Weg gegeben. Vor allem dem Heck. Das schwanzelt nämlich so aufgeregt durch die Gegend, dass man schnell mit einem fetten Grinsen die Traktionskontrolle auf die etwas lockerere Stufe 2 dreht und den Kräften an der Hinterachse freie Bahn gewährt. Wo das DSC sich nämlich recht konservativ gibt und etwaige Quergänge blitzschnell abfängt – was ja normalerweise auch nichts Schlechtes ist –, radiert der Supra im Traction Control Mode fröhlich durch die Kurve und bleibt dabei perfekt beherrschbar. Er gibt dem Fahrer das Gefühl, alles zu können. So perfekt schaltet die Automatik und so präzise wird jeder noch so winzige Lenk- und Gasimpuls umgesetzt. Und wehe, jemand sagt jetzt „Go-Kart-Feeling“. Den dieser wilde Ritt durch den verwunschenen Wald hat mit dem Im-Kreis-Knattern auf der Kartbahn original genau gar nichts zu tun.
Zu souverän ist der Toyota Supra nämlich, trotz seiner leichten Aggressionsbewältigungsprobleme – die wir ganz besonders lieben. Hier sitzt man in keinem Spielzeug, sondern in einem ernsthaften Sportwagen. Vom Scheitelpunkt walzt der Japaner in furioser Rage auf die Gerade und die Geschwindigkeitsanzeige schraubt sich rasend schnell in die Höhe, während der digitale Drehzahlmesser eskaliert. Und so bewegungsfreudig das Heck auch ist, so haarscharf lässt sich der Supra auf der Ideallinie führen. Noch nie war ein Tanz auf Messers Schneide so verrückt und präzise zugleich. Dennoch bleibt stets die Leichtigkeit des Seins erhalten, neben dem Wort „mühelos“ sollte ein Bild dieses Wagens im Lexikon zu finden sein.
Nicht nur der Supra selbst, sondern auch die Subkultur rund um ihn ist glücklicherweise wiederauferstanden. Überall auf der Welt wird schon fleißig getunt und modifiziert, auch Toyota selbst arbeitet teilweise mit ambitionierten Schraubern zusammen. Nachdem wir diesen nigelnagelneuen Supra gefahren sind, wissen wir auch warum. Dieses Auto entfacht Leidenschaft beim Fahrer und Furcht beim (ungeübten) Beifahrer. Da ist ganz egal, wie genau dieses Fahrzeug entstanden ist und wer was beigesteuert hat. Der Toyota Supra ist hundert Prozent echt, das Märchen hat ein Happy End. Und wenn er nicht gestorben ist, dann lebt er noch heute.
Und wenn doch, dann erweckt ihn Toyota einfach wieder zum Leben. Und wieder. Und wieder. Denn genug werden wir von diesem geilem Auto nie kriegen.
Toyota Supra GR
Hubraum: 3.0 Liter
Leistung: 340 PS
Verbrauch: 7,5 Liter
Drehmoment: 500 Nm / 1.600–4500 U/min
Beschleunigung: 0–100: 4,3 s
Spitze: 250 km/h
Gewicht: 1.495 kg
Preis: ab 71.900 Euro