Er ist für die Japaner, was für uns der Porsche 911 und die Amerikaner die Corvette. Denn kein anderer Sportwagen aus dem Land der aufgehenden Sonne hat so einen Ruhm und so eine Tradition wie der Nissan GT-R. Und mit seiner Kombination aus einem anfangs spießigen Äußeren, radikaler Renntechnik und halbwegs bürgerlichen Preisen hat er sich auch bei den Schnellfahrern in der westlichen Hemisphäre einen Ruf erarbeitet wie Donnerhall: andächtig schwärmen sie von Godzilla und erfreuen sich am ungehobelten Underdog, der die eilige Elite aus England, Italien und Deutschland aufmischt.
Bislang auf Augenhöhe mit den Sportversionen des 911, der Corvette oder den Einstiegsmodellen von Ferrari oder Lamborghini, fühlt sich der japanische Heißsporn jetzt allerdings zu Höherem berufen. Denn statt in Rente geht es einmal mehr auf die Rennstrecke und Nissan hat gemeinsam mit Italdesign eine Sonderserie zum 50. Geburtstag aufgelegt, die in manchen Disziplinen selbst die meisten Ferrari überflügelt: 720 PS sind ein Wort, das auch bei passionierten Bleifüßen Gehör findet, maximal 50 Exemplare sorgen für Exklusivität und Preise von 1,2 Millionen Euro aufwärts machen diesen GT-R zum teuersten Nissan aller Zeiten.
Jetzt ist der große Jahrestag zwar eine Weile her – bei Italdesign war es 2018 und bei Nissan 2019. Doch gut Ding will Weile haben, erst recht, wenn der Umbau so gründlich ist. Denn bei der zwei Monate währenden Unmrüstung vor den Toren Turins gibt es nicht nur einen Technik-Mix aus dem GT-R Nismo und dem Rennwagen aus der GT3-Serie, mit dem zum Beispiel die Leistung des 3,8 Liter großen V6-Turbo um mehr als 100 PS gesteigert und das Fahrwerk zum Plombenzieher wird. Sondern vor allem gibt es eine komplett neue, weitgehend aus Karbon gebackene Karosserie mit einem Bug wie bei einem Haifisch auf Attacke und einem flacheren Dach, unter dem man sich selbst mit blankem Kopf fühlt, als stecke man in einem Helm.
Die Schokoladenseite ist allerdings das im weiten Bogen ausgestellte Heck mit hydraulisch bewegtem XL-Spoiler, einer senkrechten Finne samt dritter Bremsleuchte auf dem Dach und vier roten Tuben fürs Rücklicht, die aussehen wie die Nachbrenner einer Jet-Turbine im Mach1-Modus. Das passt. Denn bei einem Sprintwert von deutlich unter drei Sekunden und einem Spitzentempo von 315 km/h fühlt sich der Fahrer tatsächlich wie ein Pilot im Starfighter. Und für alle anderen ist das Heck die Perspektive, aus der sie den Nissan wohl die meiste Zeit sehen werden. Kein Wunder also, dass die Italiener darauf die meiste Mühe verwandt haben
Die Arbeit hat sich gelohnt. Wenn die speziell entwickelten Michelins mal auf Temperatur sind, wird das Biest zur Bestie, der GT-R frisst gierig jede Kurve mit einem lauten Schmatzen und beißt andere Sportwagen mit jedem Gasstoß aus dem Rennen. Weil es dazu noch ein neues Setup für den Allrad gibt, mehr Biss für die riesigen Brembos und ein schnelleres Stakkato für die Doppelkupplung kennt der GT-R kein Halten mehr und räubert durch die Turiner Berge, dass der Schnee von ganz alleine schmilzt, so heiß ist die Fahrerei. Von wegen Rentner – auch mit 50 Jahren ist der GT-R ein Raser, in dem man am liebsten sofort auf die Rennstrecke möchte.
Als Jubilar ist der GT-R zwar schärfer und stärker denn je. Aber selbst der millionenschwere Extremist kann nicht darüber hinweg täuschen, dass auch der aktuelle GT-R mittlerweile fast 15 Jahre auf dem Buckel hat. Die Kleinserie ist eine schöne Kirsche auf dem Geburtstagskuchen. Doch das beste Geburtstagsgeschenk wäre selbst mit etwas Verspätung endlich die überfällige Neuauflage das einzig echten Supersportwagen aus Japan. Nicht, dass der Renner doch noch in Rente gehen muss.