Lange haben sich Alfa-Fans ausschließlich an Giulia und Stelvio ergötzen können. Wobei zugegebenermaßen in den beiden Modellen immer noch doppelt so viel Charakter steckt wie bei anderen Marken im ganzen Portfolio. Jetzt ist mit der trauten Zweisamkeit aber Schluss. Erstmals geht unter Stellantis ein neuer Alfa Romeo-Stern auf: der Tonale. Und weil das im Konzern so sein muss, gibt es den auch als Plug-in-Hybrid.
Das ist jetzt gar nicht so verdrießlich gemeint, wie es vielleicht zuerst klingen mag. Denn dass kein Hersteller mehr auf ewig nur Verbrenner produzieren kann, ist längst völlig klar. Da kommt das erprobte Technik-Know-how aus den Schwestermarken sehr gelegen. Und dass der Tonale Plug-in-Hybrid Q4 kein Verlegenheitsmodell ist, beweist die ehrgeizige Elektrostrategie Alfa Romeos: In den nächsten paar Jahren werden gleich mehrere vollelektrische Modelle auf uns zukommen. Welche Segmente sie bedienen, ist natürlich noch geheim. Aber es bedarf nicht allzu viel Fantasie, um sich auszumalen, dass es Pendants zu Giulia und Stelvio wohl bald mit einem großen E geben dürfte. Der Tonale Plug-in-Hybrid ist in diesen Plänen die Speerspitze. Außerdem ist er als PHEV vorerst der einzige Tonale mit Allradantrieb, daher das Q4.
Zugegebenermaßen lesen sich die technischen Daten des Tonale Plug-in-Hybrid nicht durchwegs typisch Alfa. 280 PS Systemleistung sind schon eine ordentliche Nummer, gar keine Frage. Aber die 1,3 Liter Hubraum des Vierzylinder-Benziners passen eigentlich nicht zum Image der feurigen Marke. Auch wenn er 180 PS leistet und somit auch ohne Strom brav anschieben kann. 6,2 Sekunden auf 100 km/h sind auch eine solide Marke und 206 km/h Topspeed übertrifft viele andere Plug-in-Hybride deutlich. Man muss aber bei aller Nostalgie auch ehrlich sein. Alfa Romeo baut diesen Plug-in nicht, um die Quadrifoglios auszustechen. Somit ist der Fokus auf Effizienz natürlich gerechtfertigt. Und die ist dank einer Gesamtreichweite von rund 600 Kilometern absolut gegeben. Um die 80 Kilometer davon liefert die 15,5 kWh große Batterie. Manch andere PHEVs schaffen da nicht einmal die Hälfte und insgesamt ist dann auch oft nach rund 450 Kilometern Schluss.
Doch jetzt weg vom Zahlensalat und ab ins Auto. Optisch trumpft der Tonale auch mit Stecker in bester Alfa-Manier auf. Muskulöse Formen, scharfe Leuchten und elegant geschwungene Linien. Er ordnet sich direkt als eines der schönsten Autos in seinem Segment ein, wie es bei den Italienern Pflicht ist. Das Interieur gefällt mit seinem sportlich-dezenten Look ebenfalls. Alfa ist mit dem Tonale natürlich digitaler geworden, aber nicht übermäßig. Die Bedienung gelingt immer noch blind, alles bleibt schön übersichtlich. Weiter mit an Bord ist der bekannte DNA-Drehschalter, mit dem sich der Hybridantrieb fast im Alleingang regeln lässt. Im Advanced Efficiency-Modus wechselt der Tonale ohne zu zögern in den reinen Elektromodus. Ist die Batterie komplett leer, steht der Modus dann natürlich nicht zur Verfügung. Im Natural-Trimm bewegt der Tonale PHEV sich wie ein klassischer Hybrid fort, Fahrwerk und Lenkung sind allerdings relativ leichtgängig – mehr als man von einem Alfa Romeo erwarten würde. Dreht man aber auf Dynamic, ändert sich das. Das Fahrwerk (das man per Knopfdruck innerhalb des Drehreglers extra bedienen kann) spannt sich merklich an und das Lenkung gibt sofort viel strafferes Feedback. So passt der Tonale gleich viel besser auf eine kurvige Landstraße und ins klassische Alfa Romeo-Bild. Auf der Teststrecke in Balocco fletscht er sogar ein wenig die Zähne und macht deutlich, dass er mehr drauf hat als der Durchschnitts-Plug-in. Erfreulich: Die coolen riesigen Schaltwippen aus Giulia und Stelvio haben es auch in den Tonale Plug-in-Hybrid geschafft.
Die Automatik macht bei entspanntem Betrieb einen unauffälligen Job, so soll es ja auch sein. Bemüht man das Gaspedal enthusiastischer, geht sie auch ordentlich mit. Fahrfreude zelebriert Alfa auch in seinem ersten Auto mit Stecker, auch wenn der Fokus nicht mehr ausschließlich darauf liegt. Clevere Extras wie die elektrische Bergabfahrhilfe zeigen aber, dass die Italiener sich eine Menge Gedanken über das bloße Brettern hinaus gemacht haben. Im Advanced Efficiency-Modus aktiviert sie sich mit einem kleinem Tipp aufs Bremspedal bei abfallender Strecke und das Auto hält dann automatische eine Geschwindigkeit von 50 km/h. Überschuss wird rekuperiert und in die Batterie eingespeist. Eine wirklich gute Sache, die auch bestens funktioniert.
Die beiden Monitore mit jeweils 12,3 und 10,25 Zoll Diagonale bieten selbstredend alles, was heutzutage gewünscht wird. Auch in puncto Assistenz macht dem Tonale niemand etwas vor. Dennoch schön, dass dieser Teil des Fahrzeugs sich nicht so aufdrängt wie bei einigen Konkurrenten. Dass praktisch der komplette Hybridantrieb nur mit dem DNA-Regler zu verwalten ist, ist ein gigantischer Vorteil und macht den Tonale Plug-in-Hybrid noch intuitiver. Da könnten sich zahlreiche Hersteller eine fette Scheibe abschneiden. Es geht auch ohne fünf verschiedene Knöpfe und Touchscreen-Menüpunkte. Preislich ordnet sich der Tonale Plug-in-Hybrid bei 52.500 für die Launch-exklusive Edizione Speciale und 54.900 Euro für den Veloce ein. Mitte 2023 folgt dann der Ti ab 51.900 Euro.
Dass Alfa Romeo sich mit dem Tonale Plug-in-Hybrid redlich Mühe gibt, die DNA der Marke mit der Zukunft in Einklang zu bringen, ist schon nach kurzer Fahrzeit offensichtlich. Dass man dem Wappentier kurzerhand einen Stecker als Kopf verpasst hat, sorgt für einen Schmunzler. Die Zeiten ändern sich und auch Alfa Romeo muss irgendwann mit dem Strom schwimmen. Dass die Italiener dabei ihre Identität aus den Augen verlieren, muss man spätestens nach der ersten Fahrt im Tonale Plug-in-Hybrid Q4 nicht mehr befürchten. Scheint so, als würde der neue Stern unter einem guten Stern stehen.