Renault Sport R.S. 01 – Cirque du Soleil
Kein Bierzelt-Zirkus sondern pure Artistik – wir fuhren den neuen Renault Sport R.S. 01 unter der spanischen Sonne.
Text: Rainer Behounek, Fotos: Maximilian „Maquez“ Lottmann
Die Oktober-Sonne fühlt sich in Spanien wohler, alles was sie berührt, wird erfüllt von einer mediterranen Wärme, die alles ein paar Nuancen entschleunigt. Zum Glück hat Renault das passende Gegenmittel gegen die einschleichende Gemütlichkeit.
Er leuchtet auch golden, nur verströmt der Renault Sport R.S. 01 die wohlige Gemütlichkeit eines Level III Tornados. Vor uns steht also der neue Bolide, wartet ungeduldig wie die Schlange im Billa, weil die Oma an der Kassa einen Bon nicht findet, den sie letztens doch noch verlangt hat, weil sie dachte, sie brauche ihn vielleicht nochmal und das ist jetzt der Fall. Dabei ist der Motor abgedreht müssen Sie wissen. Das Design, das Chefdesigner Laurens van der Acker aus Kohlefaser, Kunststoff und Aluminium herausgeschnitzt hat, ist so scharf, dass die netten Damen am Empfang wirken wie vegane New York-Hipster mit Bart bis zum Bauchnabel.
Die Luft über Jerez de la Frontera ist frisch, am Vortag und in der Nacht hat es immer wieder geregnet, dunkle Flecken am Himmel erzählen noch davon. Ich freue mich: Auf der Liste, die uns temporäre Räiser genau einteilt, stehe ich auf Nummer zwei, was bedeutet, dass die Slicks jemand anderer auf Temperatur bringen muss. Uns allen liegt ein Gefühl von Müdigkeit und Aufregung im Magen als uns der Leiter die letzten Infos zuspielt. „Die Strecke und manche Kerbs sind zum Teil noch etwas feucht, wer sich also locker an den Sport R.S. 01 herantastet, hat sicher den meisten Spaß.“
… So wenig Angriffsfläche wie nötig, dabei so viel Anpressdruck wie möglich – so lassen sich Kurven fahren wie Gerade, nur mit mehr Genickweh …
Noch etwas feucht?! Und wir sollen alleine raus, mit einem Biest, das aussieht, als ob es einen gleich auffrisst? Die Moto-GP Strecke im Süden Spaniens ist schnell, 4,4 Kilometer Länge sind in fünf Links- und acht Rechtskurven und langen, breiten Geraden (die längste misst 607 Meter) unterteilt, die sich mit der Landschaft heben und senken.
Auf zwei Metern Breite und 1,19 Metern Höhe stehen dem Renault Sport R.S. 01 unzählige Lufteinlässe, Splitter, Flaps und Spoiler bereit, um die Luft bestmöglich auszunutzen. Die kann ganz schön bockig werden, wenn 550 PS und 600 Nm glauben, 1.100 Kilogramm auf über 300 km/h beschleunigen zu müssen. So wenig Angriffsfläche wie nötig, dabei so viel Anpressdruck wie möglich – so lassen sich Kurven fahren wie Gerade, nur mit mehr Genickweh.
Jetzt geht alles sehr schnell. Rennanzug, Hand- und Fußschuhe, Helm, HANS und rein in den Renault Sport R.S. 01. Das mag so easy klingen, ist es nicht. Die Lucke, die die Flügeltüren als Einstieg preisgeben, ist eng und klein. Dafür ist es innen geradezu gemütlich, die Sitzposition ist aufrecht, Lenkrad und Anzeigen nahe und ergonomisch korrekt vor einem. Die Sicht nach außen überrascht mich, von Beginn an kann ich den Sport R.S. 01 gut abschätzen und sehe alle wichtigen Spots, auch die A-Säule, die den vorderen Teil des fetten schwarzen Käfigs in petto hat, schränkt die Sicht nicht wahnsinnig ein. Ob das während der Fahrt auch so ist?
Bei der Technik unter dem Renault Sport R.S. 01 greifen die Entwickler auf bewährte Zulieferer zurück. Öhlins liefert Sportfahrwerk mit Dämpfer, ZF steuert die Rennkupplung bei, Sadev das sequentielle Siebenganggetriebe, Bosch sorgt mit dem zwölffach verstellbaren ABS-System für ein Herantasten an die 380 Millimeter großen Kohlefaserbremsen. Traktionskontrolle mit sieben Modi ist auch an Bord und nach ein paar Minuten habe ich das vertraute Gefühl, das auch ein Clio erzeugt. Bis der Mechaniker auf den Startknopf deutet. Der Sport R.S. 01 räuspert sich ungläubig und mir wird ein wenig anders, so als würde ich an der Bar dem 2-Meter-Bären neben mir versehentlich den Ellbogen ins Kreuz rammen und er sich langsam umdreht.
Dann plötzlich schreit er auf, der 3,8-Liter Biturbo-V6, der hinter mir sitzt und schon im Nissan GT-R für unzählige Schreie gesorgt hat. Ich drehe also jetzt mit 550 PS und 630 Nm meine Runden, warum auch immer wird mir das erst jetzt klar.
Der Biturbo-V6 schreit und hämmert mit 550 PS und 630 Nm auf die Hinterachse ein, dass mir ganz anders wird – BAAAAM BAAAAAM – Gänge rein und mitschreien. Runde zwei, Runde drei. Die Strecke ist scharf unterteilt in einen trockenen und einen leicht feuchten Bereich, der mir jedesmal ein wenig Temperatur aus den Reifen nimmt.
Zurück in der Box bin ich voller Schweiß und Adrenalin. Zeit zum Verschnaufen habe ich bis nach Mittag und dem zweiten Stint. Mittagessen, mit den Technikern quatschen. Die sind vom Sport R.S. 01 begeistert – bei 270 km/h generiert der Bolide einen Anpressdruck von 1.200 Kilogramm, bei 300 km/h schon 1.700 Kilogramm und übersteigt damit das Eigengewicht von 1.100 Kilogramm.
Sehen wird man den Renault Sport R.S. 01 in der Renault Sport Trophy-Meisterschaft, die in zwei Klassen im Rahmen der „Pro-Am“-Kategorie nach FIA WEC Standards unterteilt ist, „Elite“ und „Prestige“.
Stint zwei. Die. Strecke. ist. trocken. Und weil die Kollegen vor mir geheizt sind, wie die Berserker, behalten auch die Reifen ihre Temperatur. Das Rausfahren aus der Box geht nun flüssiger, der Innenraum ist aufgeheizt, der Asphalt auch. Herangetastet hab ich mir vorher schon und nehme die erste Kurve mit ein wenig mehr Druck. Die G-Kräfte ziehen am Sport R.S. 01 während sich die Geschwindigkeit immer mehr aufbaut und ich am leichtgängigen Lenkrad voll dagegenhalte.
Raus aus der Kurve und die Gänge voll ausdrehen. Links vorne kurz vor der Kurve nach der zweiten Geraden ist eine kleine Senke, vor der sie uns anfangs gewarnt haben, die ich jetzt voll nehme und sich stark im Rückenmark ausbreitet, so dermaßen hämmert der Sport R.S. 01 drüber. Hart anbremsen, Kurven eng nehmen und weit rausbeschleunigen. Sucht macht sich breit. Unfassbar, wie ausgewogen der Renault fährt und dabei habe ich das Gefühl, dass da noch viel viel mehr ginge, wäre ich nur einer der Rennfahrer-Jungs, die uns mit dem Renault Trafic die Strecke gezeigt haben. Für mich macht er gigantisch viel Spaß, für einen Pro ist er das Rasiermesser, dass er/sie braucht, um eine Rennstrecke fachgerecht aufzufiletieren und auf Runden-Rekordjagd zu gehen. 290.000 Euro und der Spaß kann beginnen!