Ein Kleiner wird erwachsen
VW spendiert dem Polo eine Runderneuerung
Auf der Stirn von Klaus-Gerhard Wolpert steht Dank der südafrikanischen Sonne der Schweiß, obwohl der Chef der kleinen VW-Baureihen doch ruhig ganz cool bleiben könnte. Denn der Ingenieur ist unterwegs im neuen Polo, der im Sommer präsentiert wird und kurz nach der IAA in den Handel kommt. Und er hat allen Grund zur Gelassenheit: „Wir machen schließlich einen riesigen Sprung nach vorn“, sagt der Projektleiter und räumt insgeheim ein, dass es bald ein Argument weniger gibt, den Golf zu kaufen.Von Thomas Geiger
Nur die Motoren wollen nicht ganz zu diesem Gefühl passen. Denn zu laut und zu eindringlich ist das Schnattern des Dreizylinders, der bei den meisten Modellen zum Einsatz kommt. Und auch das Fünfgang-Schaltgetriebe verträgt sich nicht so recht mit dem selbsterklärten Premium-Anspruch, den VW für den Polo postuliert. Dabei sind die Motoren sonst auf der Höhe der Zeit. Denn die beiden 1,6-Liter-Diesel mit 80 und 95 PS werden erstmals im Kleinwagen mit einem SCR-Katalysator kombiniert und einige der Benziner vom Einstiegsmodell mit 65 PS bis zum GTI mit 200 PS bekommen künftig einen Partikelfilter. Und selbst wenn Wolpert wegen der hohen Aufpreise und der geringen Kaufbereitschaft trotz der theoretischen Möglichkeiten so schnell keinen elektrifizierten Polo sieht, hat er zumindest eine CNG-Version in der Pipeline.
Seine Platzreife in der Golf-Klasse verdankt der Polo vor allem dem Umzug in den modularen Querbaukasten, der für die neue Baureihe nach unten ausgerollt wurde und damit vollends zum Rückgrat des Konzerns wird. Nicht umsonst basieren auf ihm mittlerweile allein 28 VW-Modelle und noch einmal ähnliche viele Fahrzeuge der Konzerntöchter vom Skoda Kodiak bis zum Seat Ibiza, der den Modellwechsel des Polos in diesen Tagen vorwegnimmt. Die neue Plattform, die mittlerweile über acht Millionen Mal gebaut wurde, drückt das Gewicht, verbessert die Platzverhältnisse und verschafft dem Polo den Zugang zu sämtlichen Assistenzsystemen und Ausstattungsoptionen von Golf & Co – selbst wenn Wolpert zum Beispiel von dem digitalen Cockpit noch Abstand genommen hat.
Aber der Polo schaut nicht nur nach dem Golf aus, sondern lernt auch von seinem kleinen Bruder Up!. „Da haben wir uns abgeschaut, wie man ein lebenslustiges Auto baut“, sagt Wolpert. Die Karosserie wirkt unter der Tarnfolie trotz der etwas aufwändigeren Leuchten und der knackigeren Proportionen noch brav und bieder. Neben den neuen, sehr viel größeren Touchscreens mit Klavierlackrahmen, Black-Panel-Optik und Näherungssensor gibt es deshalb auf Wunsch auch bunte Kunststoff-Konsolen für den gewohnt nobel ausgeschlagenen Innenraum.
Er fährt sich wie ein Golf, bietet zumindest die Option auf beinahe die gleiche Ausstattung und ist dank seines größeren Radstands vor allem in der ersten Reihe kaum weniger geräumig. Nur in einem entscheidenden Punkt weist Wolpert für den Polo die Nähe zu seinem großen Bruder zurück. Beim Preis. Den will er zwar noch nicht genau verraten. Doch nennenswerte Sprünge sind nicht geplant. „Sondern wir wollen den Kunden deutlich mehr Auto für annähernd das gleiche Geld bieten“, sagt der Projektleiter. Viel mehr als 12 000 Euro dürfte das Einstiegsmodell deshalb kaum kosten. Klaus-Gerhard Wolpert kann also cool bleiben. Doch seinem Kollegen, der den Golf verantwortet, dürfte dabei langsam heiß werden unter dem Hemd – selbst wenn er in Wolfsburg sitzt und nicht durch Afrika fährt.