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Renault Alpine 110: Leichtes Mädchen

Leichtes Mädchen

Die Renault Alpine 110 ist endlich da!

Sie war der Stachel im Wohlstandsspeck der Nachkriegsdeutschen. Denn so viel sie sich in Zuffenhausen auf den Elfer eingebildet haben, so wenig Chancen hatte der Sportwagen gegen die Alpine: Vor 60 Jahren vom Renault-Händler und Rennfahrer Jean Rédélé Jahren entwickelt, federleicht und messerscharf, hat das kleine Coupé bei der Rallye Monte Carlo und in Le Mans so ziemlich alles in Grund und Boden gefahren, was sich ihr in den Weg gestellt hat. Dummerweise ist das leichte Mädchen über die Jahre ziemlich schwer geworden und als luxuriöser Keil Anfang der Neunziger ganz von der Bildfläche verschwunden. Doch jetzt ist sie wieder da.

Von Thomas Geiger
Nach einem halben Dutzend gescheiterter Anläufe bringt Renault die Legende nun tatsächlich wieder zurück und startet im Frühjahr zu Preisen ab 58.000 Euro mit der Auslieferung einer neuen Alpine A110, die gemeinhin als das beste und berühmteste Modell der echten Ära gilt.
Auf den ersten Blick sieht das kleine Coupé dabei tatsächlich aus wie früher – und zwar ganz ohne kitschigen Retrostyle. Denn es braucht nicht viel mehr als die LED-Knopfaugen, die kurze Haube, das flache Dach, die heißen Hüften und vor allem das tiefe Blau, um die Erinnerungen an die Vergangenheit zu wecken. Dazu ein paar liebevolle Details wie die Toggle-Leiste unter dem Touchscreen, die allgegenwärtige Tricolore und das Markenlogo mit dem von einem Blitz durchzogegen A – fertig ist ein Blickfang, der jedem Porsche Cayman, jedem Audi TT und jedem Nissan 370Z die Schau stiehlt.
Doch die neue Alpine sieht nicht nur aus wie einst, sie fährt auch beinahe so. Nicht umsonst ist der Zweisitzer mit 4,18 Metern so kurz wie ein Clio, wiegt im besten Fall keine 1.100 Kilo und tänzelt entsprechend leichtfüßig über möglichst enge und idealerweise ziemlich kurvige Landstraßen. Tief in den Karbonschalen hinter einem kleinen aber feinen Digital-Cockpit versunken und nach wenigen Kilometern in eine festen Verbindung zwischen Mensch und Maschine geschmolzen, führt man sie dabei präzise an der kurzen Leine, gewinnt in jeder Kurve mehr Vertrauen und lässt deshalb die Zügel immer lockerer. Erst im Normalprogramm, dann im Sportmodus und irgendwann ist man im Track-Programm und hat das ESP zu einem reinen Notnagel degradiert. Dann schwingt die Alpine mit den Hüften wie ein leichtes Mädchen im Hafen von Marseilles und verspricht dabei genauso viel verruchten Spaß.
Die Musik zu diesem alles andere als sittlichen Tanz spielt ein vermeintlich braver und biederer 1,8-Liter-Motor, den man aus dem Espace kennt. Allerdings hat der Vierzylinder-Turbo nach dem Tuning bei Renault-Sport all seine Unschuld verloren. Er klingt deshalb nicht nur laut und rotzig und dreht ein wenig höher. Sondern direkt hinter den Sitzen montiert und mit einer flotten Doppelkupplung gepaart, wuchtet er jetzt 252 PS auf die Kette und zerrt mit bis zu 320 Nm an der Hinterachse. Das reicht für einen Sprint von 0 auf 100 in für Renault ziemlich spektakulären 4,5 Sekunden und solide 250 Sachen, die auf der Autobahn nur gehobener Durchschnitt sein mögen. Doch wenn die Alpine auf der Landstraße zwischen zwei Kurven im Nu weit jenseits von 120 km/h ist und auf der Rennstrecke mit mehr als 200 km/h über die Start-Ziel-gerade fliegt, fühlt sich das in dieser Flunder schneller an, viel schneller.
Authentisch und aggressiv, schnell und scharf, mit dem Blick zurück und doch modern – so wird die neu Alpine zum mit Abstand leidenschaftlichsten Auto, das sie in Frankreich seit Jahren auf die Räder gestellt haben. Dummerweise haben sie das auch schon bei der Vollgasfraktion erkannt – und die 1.955 Exemplare der Startauflage war in wenigen Tagen vergriffen Wer jetzt eines der normalen Modelle fahren will, muss deshalb bis zum nächsten Herbst warten. Aber nach so einer langen Durststrecke kommt es darauf jetzt dann auch nicht mehr an.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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