Die Spannung steigt und das Ende ist in Sicht: Ob es die Petrolheads nun mögen oder nicht, läuft die Zeit für den Verbrenner zumindest in unseren Breiten so langsam ab. Doch BMW nimmt der Generation Bleifuß jetzt die Angst vor dem Wechsel. Denn während dezidierte E-Modelle wie ein Mercedes EQS, ein Audi e-tron GT oder auch der iX aus den eigenen Reihen neue Prioritäten setzen und andere Erlebnisse versprechen, setzen sie beim i4 auf die alten Werte. Wenn das Gran Coupé im November zu Preisen ab 58.300 Euro (D) in den Handel kommt, verspricht der Viertürer deshalb mehr Fahrfreude als jeder andere Stromer in dieser Leistungsklasse und fühlt sich so sehr nach Verbrenner an, wie es in diesen Zeiten nur eben geht.
Kein Wunder. Schließlich hat BMW dafür keine eigene Plattform entwickelt, sondern sich der Architektur von Dreier und Vierer bedient. Allerdings steckt in der bekannten Hülle jede Menge neuer Technik: Der i4 fährt mit der mittlerweile fünften Generation des E-Antriebs und macht bei Platzbedarf und Leistungsdichte von Motor und Akku noch einmal mal einen entsprechenden Sprung. So haben die Bayern erstmals den Motor, das Getriebe und die Leistungselektronik in einem Gehäuse integriert und zugleich die Effizienz des Pakets gesteigert: Wo ein Verbrenner mit einem Wirkungsgrad von weniger als 40 Prozent auskommt, reklamieren sie für das um 30 Prozent geschrumpfte E-Paket bis zu 92 Prozent. Auch der Akku wurde weiter verbessert und kann nun bei weniger Platzbedarf und Gewicht mehr Energie speichern. Um bis zu 20 Prozent wollen die Bayern diese gravimetrische Energiedichte gesteigert haben und bekommen so im beschränkten Bauraum des i4 immerhin eine Kapazität von gut 80 kWh unter. Und auch beim Laden sind die neuen Zellen flott und ziehen an der richtigen Säule binnen zehn Minuten den Strom für bis zu 164 Kilometer.
„Wir elektrisieren die Freude am Fahren“, gibt Projektleiter David Alfredo Ferrufino Camacho die Marschrichtung vor und bittet zu ersten Ausfahrt im Prototypen. Der überrascht schon beim Einsteigen. Denn wo man bei anderen Stromern meist auf einem dicken Akku-Paket sitzt und sich deshalb ziemlich abgehoben fühlt, geht es im i4 weit runter und man fühlt sich der Straße gleich eng verbunden. Dazu noch ein Schwerpunkt, der wegen der Akkus im Wagenboden fast fünf Zentimeter tiefer liegt als beim Dreier, ein adaptives Fahrwerk und eine bekannt präzise Lenkung – schon spürt man dieses nervöse Zucken im rechten Fuß.
Wer dem nachgibt, der startet im i4 zunächst einen 340 PS starken Motor, der mit bis zu 430 Nm an der Hinterachse reißt. Er beschleunigt den Viertürer in weniger als sechs Sekunden auf Tempo 100 und fühlt sich trotz seiner stattlichen zwei Tonnen überraschend leicht und handlich an.
Alternativ dazu gibt es als ersten Elektriker der M GmbH für solide 10.000 Euro Aufpreis einen dann mindestens 69.900 Euro (D) teuren i4 M50, der allerdings für einen M ein wenig enttäuschend ist. Nicht dass er schlecht fahren würde. Im Gegenteil. Schließlich stehen dann sogar 544 PS und 795 Nm im Datenblatt, auf allen Vieren ist das Zutrauen in die Traktion noch größer und der Spaß deshalb auch, und den Sprint von 0 auf 100 km/h schafft er in etwa vier Sekunden. Die Relation von 80 kWh Akku und 510 Kilometern WLTP-Reichweite geht auch in Ordnung. Und wem die aktuelle BMW-Designlinie gefällt, der wird sich auch für den etwas bulligeren Auftritt des M-Performace-Modells begeistern können. Doch dass ausgerechnet der erste Stromer der Sportabteilung beim Spitzentempo schwächelt und mit seinen 225 km/h weit vor der bis dato gesetzten 250er-Marke ans Limit kommt, dürfte der M-Kundschaft gar nicht gefallen.
Der i4 fühlt sich an wie jede andere Variante von Dreier und Vierer, ist knackig und handlich, agil und aggressiv. Und weil – so viel Zugeständnisse muss Projektleiter Ferrufino gegenüber der neuen Technik dann doch machen – das Spitzentempo auf 190 km/h limitiert ist, der i4 deshalb auf der Autobahn vergleichsweise oft von der linken Spur geblinkt wird und die Reichweite dort ohnehin schnell in die Knie geht, wird die Lust auf lange Umwege über die Landstraße immer größer. Selbst der Sound passt bei dieser Ausfahrt. Nein, nicht weil BMW eigens mit Hollywood-Legende Hans Zimmer einen Soundtrack für den i4 komponiert hat. Der ist sogar ziemlich albern. Sondern weil der Entwickler als Führungsfahrzeug einen M2 gewählt hat, dessen hungriges Dröhnen das Surren des Stromers locker übertönt und der Stille etwas mehr Gehalt gibt.
Für diese eigenwillige Ambivalenz aus alten und neuen Werten braucht es aber keinen Verbrenner voraus. Sondern auch der i4 selbst lebt diesen Widerspruch in vielen Disziplinen. So ist zum Beispiel das Layout im Cockpit mit der Orientierung zum Fahrer, der hohen Mittelkonsole und dem im Gegensatz zum iX kreisrunden Lenkrad ganz traditionell. Doch die Anzeigen stammen schon aus einer neuen Zeit. Denn statt der üblichen Instrumente gibt es für den Stromer genau wie für den iX das gebogene OLED-Dispplay, das sich ganz filigran hinter dem Lenkrad breit macht.
Auch die Karosserie wandelt zwischen den Welten: In Form und Format ist der i4 ein Kind der Mittelklasse-Familie. Doch Akzente wie die noch immer riesigen, jetzt aber geschlossenen Nieren oder die blauen Streifen unter den Türen rücken ihn von den Verbrennern ab. Dass unter dem Wagenboden allerdings noch ein riesiger Akku steckt, das sieht man dem Wagen kaum an. Weil BMW für sich das mit elf Zentimetern schmalste Batteriepaket in dieser Liga reklamiert, ist der i4 vergleichsweise flach und bietet auch eine entsprechend niedrige Sitzposition. Während der Fahrer von diesem Layout profitiert, zahlen die Hinterbänkler dafür einen hohen Preis. Anders als in dezidierten E-Autos ist der Fond des i4 deshalb kein bisschen geräumiger als bei einem Verbrenner.
Zwar ist der i4 ein rundherum überzeugendes Angebot für all jene, die ihre Erinnerung an die gute alte Zeit beim Wechsel auf die Electric Avenue nicht ganz löschen wollen. Doch weiß BMW auch um die ewig gestrigen und hält denen weiter die treue: Noch im Lauf des Jahres gibt es den i4 deshalb mit klassischem Cockpit und etwas retuschiertem Design auch als Vierer Grand Coupé mit ganz gewöhnlichen Verbrennern.