Der Chevrolet Camaro der sechsten Generation versucht den Sprung, den Ford mit dem neuen Mustang machte, auszuweiten. Auf den ruppigen Straßen von L.A. haben wir ihn getestet!
Von Thomas Geiger
Er trägt zwar die Engel im Namen, aber in einem amerikanischen Sportwagen war der Angeles Crest Highway in den Hügeln hinter Hollywood bislang meist die Hölle: Zu eng die vielen hundert Kurven, zu ruppig die Fahrbahn und zu wellig der Asphalt, als dass man den grandiosen Aufstieg so richtig hätte genießen können. Doch damit ist es so langsam vorbei. Nachdem schon Ford mit dem neuen Mustang einen gewaltigen Sprung gemacht hat, legt Chevrolet jetzt beim Camaro noch einmal nach: Aus dem stolzen aber ungehobelten Muscle-Car wird mit der sechsten Generation ein erst zunehmender Sportwagen, in dem selbst Straßen wie der Angeles Crest Highway zu einem himmlischen Vergnügen werden. Möglich macht das der Umzug auf eine neue Plattform: Bislang buchstäblich Heavy Metall und deshalb ebenso roh und ungehobelt wie schwer und schlicht, teilt sich das Muscle Car jetzt die Technik mit dem vornehmen Cadillac ATS und bekommt so spürbar mehr Finesse. Der Beat bleibt schnell und der Ton rau, aber die feine Verwandtschaft adelt den einstigen PS-Proleten nicht nur mit einer neuen Vorderachse, einer Achtgangautomatik und der Option auf das Magnetic Ride Fahrwerk mit bis zu 1 000 Feder-Anpassungen pro Sekunde bringt. Sondern vor allem wird der Sportwagen damit steifer und leichter, schwärmen die Amerikaner und sprechen von fast 100 Kilo Diäterfolg, die man in jeder Kurve spüren kann. Musste man den Camaro früher bezwingen wie ein wildes Pferd, lässt er sich jetzt kinderleicht führen, ist handlich, agil und giert nur so nach Kurven: Er kratzt deshalb enger am Scheitelpunkt entlang, taucht tiefer in die Kehren ein und beschleunigt besser wieder heraus. Das einzige, was einem dabei fehlt, das ist der Nervenkitzel, wenn das Heck nicht mehr bei jedem Gasstoß wackelt wie der Puschel an der Kehrseite eines Playboy-Bunnies auf dem Weg von der Bar zum Bett. Aber wer solch laszive Gelüste hat und dem verruchten Camaro von einst nachtrauert, der kann ja das ESP ausschalten, den schärfsten Drive-Mode wählen und das Schicksal durch Unvernunft herausfordern. Oder er aktiviert die Launch Control und sichert sich mit perfekten Burnouts die ewige Freundschaft des örtlichen Reifenhändlers. Der einzige wahre Motor für solche pubertären Spielchen ist natürlich ein V8. Zwar gibt es für Sparfüchse in Amerika auch einen 2,0-Liter-Turbo mit 279 PS und einen mit reichlich Vorschuss-Lorbeeren bedachten V6-Turbo, der aus 3,6 Litern 340 PS holt. Doch wenn der Camaro als Corvette des kleinen Mannes zu Schätzpreisen ab 45 000 Euro im Lauf des Jahres nach Europa kommt, schenken sich die Amerikaner solche Albernheiten und belassen es deshalb für Coupé und Cabrio wahrscheinlich beim Achtzylinder. Tatsächlich wieder eine Leihgabe aus der aktuellen Corvette, lacht der Smallblock mit soliden 6,2 Liter Hubraum über den Trend zum Downsizing und sichert sich mit 461 PS einen Spitzenplatz in den Camaro-Chroniken: Mehr Leistung gab es ab Werk noch nie in einem „Supersport“-Modell.