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Audi TT – Wisch und weg

Der neue Audi TT im Test

Sie wollen einen Sportwagen? Der aber auch als Kleinwagen durchgeht, nicht wahnsinnig auffällt, unaufgeregt ist, Kofferraum bietet und vielleicht noch eine zweite Sitzreihe irgendwo versteckt? Klar, vielleicht wollen Sie auch gleich warme Eislutscher im Handschuhfach mitnehmen.

Text: Rainer Behounek
Der Audi TT, so populär und dementsprechend oft er auf den Straßen fährt, ist ein außergewöhnliches Gefährt. In der Tat leitet sich der Name TT, wenn es denn ein Name ist, von der legendären Tourist Trophy ab, dem wohl gefährlichsten Motorradrennen der Welt auf der Isle of Man. Damals, 1938, gewann Ewald Kluge seine Klasse auf DKW (Auto Union), 1954 entschieden Werner Haas und Rupert Hollaus (beide NSU) ihre Klassen für sich.

Die erste Generation entstand noch unter der Designfeder von Peter Schreyer und wurde von 1998 bis 2007 gebaut. Kontrovers vom Beginn an, machte sie sich vor allem durch das im Grenzbereich recht eigenwillige Fahrverhalten einen Namen. Das bemerkte auch Walter Röhrl: „Ich bin eine Runde gefahren, kam zurück, sagte: ‚Nicht schlecht, aber für den normalen Menschen zu gefährlich. Wenn der bei 200 das Gas wegnimmt, fährt der rückwärts. Und das kann halt nur einer auf der Welt, der heißt Röhrl.‘ So habe ich ihm das Auto zurückgegeben und dann später kamen diese Unfälle.“ Audi lenkte ein und ab dem Jahr 2000 wurde jeder TT mit einem kleinen Heckspoiler und einem modifizierten Fahrwerk ausgestattet.
Bei der zweiten Generation (2006 bis 2014) sah man von außen gleich, dass Audi von der ersten Generation viel gelernt hat. Diesmal stand der TT nicht mehr auf der Plattform des Golf IV sondern auf der des A3. Erstmals gab es ein adaptives Dämpfersystem für den kompakten Sportler, außerdem wurde das Audi Space Frame weiterentwickelt, um bei hoher Steifigkeit noch mehr Gewicht einzusparen.

Und jetzt sind wir im Iron Man-Zeitalter angelangt. Der brandneue Audi TT ist scharf, richtig scharf. Alleine die Front ist doch bitte atemberaubend. Die Grundform wurde im Großen und Ganzen beibehalten aber die Linien und Ecken und Kanten sind viel stärker ausgeprägt als bei seinen Vorgängern. Die Spielereien sind nicht überdrüber, sondern dezent und sexy. Das Aufsperren wird von den Blinklichtern untermalt, die nicht mehr nur blinken, sondern jeweils nach außen wischen. Als es mir das erste Mal auffällt, mache ich 15 Minuten lang nichts anderes als auf- und zusperren.
Die Blinker wischen nur in Verbindung mit LED-Scheinwerfern. Der Motorblock-TT leuchtet sogar mit intelligenten Matrix-LED-Scheinwerfern und zwölf Leuchtdioden, die beim Fernlicht den Gegenverkehr aussparen. Funktioniert wirklich gut, wenngleich das Licht ohne Gegenverkehr von leichten Schatten durchzogen ist – stellen Sie sich vor, die Dioden wären hinter Gittern.

… Sie können sich den Iron Man-Krawallanzug nicht leisten? Dann versuchen Sie es doch mit dem TT – ob er großkalibrige Munition aushält, wissen wir nicht …





Die Scheinwerfer sind aber nur ein kleiner Teil, eines großen, coolen Gesamtkonzeptes, das sich innen in seiner vollen Pracht entfaltet. Als erster Audi erhält der TT das virtual cockpit, ein 12,3 Zoll großes Display anstelle des Kombiinstruments hinter dem Lenkrad. Anfangs etwas holprig zu bedienen, wird es nach und nach zum wohl spacigsten Teil in einem Auto nach dem Tesla Bildschirm. Das hochauflösende Display zeigt entweder Drehzahl- und Geschwindigkeitsmesser groß und die jeweiligen Infos wie Navi, Radio, Telefon und Co. klein an, oder umgekehrt. Dann verschwinden die kreisrunden Messinstrumente ins jeweils untere Eck und die Landkarte, das Telefonbuch legt sich über den kompletten Bildschirm. Irre! Richtig genial. Und richtig mies.

Vorteil mit Nachteil

Folgendes Szenario: Roadtrip. Von Wien auf einen Kaffee nach Triest, das perfekte Auto dafür ist der TT allemal. Der/die BeifahrerIn übernimmt in diesem Fall für gewöhnlich die Funktion des Co-Piloten, kümmert sich um – richtig wichtig – Musik und Navi und wird eingebundener Teil der Fahrt. Die Zeiten sind im neuen TT vorbei. Wurden früher die Plätze in vorne und hinten unterteilt, so gibt es jetzt den Fahrersitz, den Beifahrersitz und die Rückbank. Der Beifahrer kann praktisch nichts mehr machen, kann er schon, aber dafür muss er ständig hinters Lenkrad blicken und lenkt den Fahrer durch ständige Menübedienung ab. Auch wenn es genial aussieht, der Spaß und das gemeinsame Miteinander im Auto bleiben auf der Strecke.

Das Herzstück unseres Audi TT ist ein 2,0-Liter-Vierzylinder mit Benzindirekteinspritzung, 230 PS bei 4.500 bis 6.200 U/min und 370 Nm bei 1.600 bis 4.300 U/min. Je nach Vorliebe kann man schalten oder lässt und düst als Fronttriebler oder Allradler durch die Gegend. Die Top-Kombi ist S-Tronic (6-Gang-Doppelkupplung) und Allrad – quattro bei Audi. Nicht zu schnell, nicht zu bissig – genau richtig. Das Doppelkupplungsgetriebe schaltet herrlich unaufgeregt und kaum spürbar und macht stets das Richtige, ob im Eco- oder im Sport-Modus.

5,3 Sekunden auf 100 km/h stehen einem Gesamtverbrauch von acht Litern gegenüber (Norm: 6,4). Die 55 Liter Tankvolumen reichen gleich mal für knapp 700 Kilometer, das Kofferraumvolumen von 305 Liter für einen anständigen Wochenendtrip oder jeden normalen Einkauf.

Motorblock-Statements

Stalz: Unglaublich perfektionistisch und irrsinnig gut. Es fehlt ihm aber Seele und Emotion.

Behaunski: Ein Sportwagen, wie er in jeder Garage stehen sollte. Zurückhaltend, hoch alltagstauglich und tadellos. Schade nur, dass der Beifahrer von den interaktiven Einstellungen ausgeschlossen wird.

Greg: Dieser neue TT, egal ob Roadster oder Coupé hat das Zeug zur echten Fahrmaschine! Aber manchem könnte er tatsächlich mit all seinen Assets eine Spur zu glatt sein. Einen Deut zu wenig räudig, einen Hauch zu wenig brachial und den Wimpernschlag einer Libelle zu perfekt!

Rainer Behounek

War bis 2017 Teil der Motorblock-Redaktion.

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