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Das Mercedes-AMG E 53 Coupé: Hart an der Grenze

Hart an der Grenze

Das Mercedes-AMG E 53 Coupé

Wir alle kennen Mercedes als Premium- bis Luxusmarke mit einer gehörigen Portion technologischem Weitblick. Doch die AMG-Jungs aus Affalterbach haben sich eher als rabiate Pistenrowdies einen Namen gemacht. Deshalb ist es bei jedem Mercedes-AMG-Modell wieder spannend, welche der beiden Seiten sich im Endeffekt durchgesetzt hat. Beim Mercedes-AMG E 53 Coupé fällt das Urteil besonders schwer, denn dieses Auto ist in vielerlei Hinsicht hart an der Grenze unterwegs.

Text: Jakob Stantejsky
Lasset uns bei den Zahlen und Fakten starten: 435 PS, 520 Newtonmeter Drehmoment und 4,4 Sekunden von null auf hundert. Zusätzlich noch 22 E-Boost-Pferdchen und 250 E-Boost-Newtonmeterchen. Hört sich doch nach einem ziemlich knallharten Sportwagen an, nicht wahr? Dann wäre da aber noch ein Eigengewicht von 1.980 Kilogramm. Klingt schon eher nach Luxuslimousine. Optisch befährt der E 53 AMG den normalerweise gar nicht so schmalen Grat zwischen diesen Welten, denn einerseits kommt das Coupé schön fetzig und dynamisch daher, schaut gleichzeitig aber auch sehr erhaben und elegant aus. Leicht macht uns Mercedes die Zuweisung also schon mal nicht.

Das ändert sich im Innenraum ein wenig, denn hier dominieren noble Materialien, Features im Überfluss und Infotainmenttechnologie vom Feinsten. Da wähnt man sich  schon viel mehr in einer edlen Businesslimo. Doch auch dieser Eindruck wird bald wieder getrübt. Denn sobald man das Gaspedal nicht mehr wie mit Federn streichelt, grollt plötzlich der Reihensechszylinder samt Turbo wütend los. Außerdem schießt das wildgewordene E-Coupé dank Allradantrieb wie von der Tarantel gestochen nach vorne. Fühlt sich verdammt geil an und zack – schon sitzt man doch wieder in einem Sportwagen.
Als echter Wiener würde ich jetzt ja gern über irgendetwas motzen, aber da gibt es ein Problem… – …chen. Denn das E 53 AMG Coupé beherrscht trotz seiner gespaltenen Persönlichkeit beide Welten überdurchschnittlich gut. Ein wilder Ritt auf kurviger Piste zaubert ebenso ein feistes Grinsen ins Gesicht wie ein arrogantes Rollen über den Boulevard. Großen Anteil daran haben die unterschiedlichen Fahrmodi. In den mit je mehr angehängten Kürzeln desto brutaler werdenden Sportmodi macht der Wagen zunehmend Remmidemmi und versteift sich so sehr, dass man statt auf Wölkchen plötzlich auf Nagelbrettern sitzt. Gut, ein reinrassiger Sportler massiert das Steißbein noch aggressiver, aber von Wischiwaschi-Kompromissen ist hier nichts zu spüren.

Ebenso verhält es sich im Komfortmodus, wenn die Außenwelt zum entfernt wahrgenommenen Beiwerk wird und man gaaaanz entspannt durch die Gegend cruist. Auch hier gilt: Eine dezidierte Luxussänfte kann es noch ein Stückchen besser, aber man fährt immer noch deutlich ruhiger als in einem Durchschnittsvehikel. Wir kommen also mit unseren vorgefertigten Kategorien nicht so recht zurande, dass wird immer deutlicher. Denn bizarrerweise rast das Mercedes-AMG E 53 4MATIC+ Coupé von beiden Seiten gleichzeitig auf die Grenze zwischen Premium und Sport zu, kollidiert aber nie mit sich selbst.
Denn es passt zusammen, dieses Auto. Wahrscheinlich ist es eher ein muskulöser Gleiter als ein bissiger Kurvenräuber und wohl auch eher ein durchtrainierter Businessman als ein gesetzter Herr. Aber auch wenn Kompromisse das Extrem in seinem Bereich nie schlagen können, wenn sie wirklich gut vollzogen werden, dann bekommt man das Gefühl, man habe das Beste aus mehreren Welten. Da ist es dann egal, dass es noch sportlicher und noch luxuriöser ginge. Denn beides zu haben und jederzeit den Schalter umlegen zu können, ist viel wert. Außer man kann sich einen Mercedes-AMG GT und eine Mercedes-Maybach S-Klasse leisten, dann sollte man vielleicht zu dieser Lösung greifen. Im Mercedes-AMG E 53 4MATIC+ Coupé wird jedenfalls ein Leben hart an der Grenze viel leiwander, als man es sich je vorgestellt hätte.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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