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Ford Ranger Raptor: Die Wüste bebt

Die Wüste bebt

Der Ford Ranger Raptor

Man versteht vor lauter Motorengebrüll kaum sein eigenes Wort, der Dreck spritzt meterhoch, die Luft ist voller Sand, die Füße spüren im Boden ein feines Zittern und binnen zehn Minuten sehen die Dünen aus wie nach einer Militärübung der Alliterierten – doch hier probt niemand den Ernstfall, sondern es geht allein um den Spaß an der Freude. Denn Ford präsentiert den neuen Ranger Raptor und bittet deshalb zu Sandkastenspielen für Große. Schließlich ist die Sportversion von Europas erfolgreichstem Pick-Up in direkter Linie verwandt mit dem amerikanischen F150 Raptor, der für genau solches Terrain und die legendären Baja-Rennen entwickelt wurde.

Von Thomas Geiger
Auf dem Papier mag der Sportwagen für Dreckskerle, der im Sommer für Preise ab gut 70.000 Euro in den Handel geht, zwar ein ziemlich zahnloser Tiger sein. Denn auch wenn er stolz an der Spitze seiner Familie steht, fährt er mit seinem 213 PS starken Vierzylinder-Diesel im Wettbewerbsvergleich nur in der zweiten Reihe: Mercedes bietet die X-Klasse als 350d mit V6 und 258 PS an und den Amarok von VW gibt es sogar mit 272 PS. Und wo die Konkurrenz bei Vollgas an der 200er-Marke kratzt, ist für den Raptor schon bei 170 Sachen Schluss.
Doch um solche Quartettwerte geht es Leo Roeks überhaupt nicht. Sondern dem Ford Performance Director geht es um die Praxis, in der dieser Pritschenwagen unschlagbar ist: „Vergessen Sie alles, was Sie über Pick-ups zu wissen glauben“, sagt Roeks: „Der neue Ranger Raptor ist von einem ganz anderen Kaliber. Er ist ein echtes Vollblut und meistert die härtesten Herausforderungen – im Gelände, im Anhängebetrieb, jederzeit und überall“. Und zumindest hier in den Dünen am Strand von Afrika mag man dem Manager nicht wiedersprechen – wie auch, wenn man das Grinsen kaum mehr aus dem Gesicht bekommt.
Außerdem macht der Raptor unabhängig von seinen Fahrleistungen mächtig was her: Der Kühlergrill sieht aus wie bei einem Kampfwagen, die Kotflügel sind auf jeder Seite gute acht Zentimeter weiter ausgestellt, die Motorhaube ist bulliger, das Dach ist höher und die Innenausstattung erinnert ein wenig an die RS-Modelle aus der Pkw-Welt – allein dieser Auftritt sollte reichen, um die für Deutschland geplanten 800 Raptor unters Volk zu bringen.
Und es ist ja nicht nur Schein, sondern der Ranger bietet auch jede Menge Sein: Denn um aus dem Arbeitstier einen Sportwagen für Sand und Schlamm zu machen, haben die Kölner den ohnehin schon üppigen Leiterrahmen noch einmal verstärkt. Der Unterfahrschutz ist jetzt dick wie eine Panzerplatte. Die Bremsen, die jetzt rundum erstmals auf Scheiben setzten, packen zu wie die Kiefer eines Kampfsauriers. Und vor allem das Fahrwerk hat mit dem Serienmodell nicht mehr viel gemein. Denn mit rund 30 Prozent mehr Bodenfreiheit, extrem langen Federwegen und Rallye-Dampfern von Fox bügelt der Raptor durch die Pampa, als hätte man die Wüste gerade erst für ihn geteert: Er springt über die Kuppen wie ein Sandfloh, landet butterweich und stürmt danach über Bodenwellen, ohne mit der Wimper zu zucken. Und je schneller man fährt, desto ruhiger ist der Aufbau des über zwei Tonnen schweren Kraftmeiers – selbst wenn es einem schier das Herz zerreißt, wenn man dabei an die grobstolligen 285er Reifen auf den wuchtigen 17-Zöllern denkt.
Treibende Kraft dabei ist ein mit 2,0 Litern Hubraum vergleichsweise kleiner Vierzylinder-Diesel, der aber imposante 500 Nm mobilisiert. Und weil die neue Zehngang-Automatik immer den richtigen Gang findet und man von Heck- auch auf Allradantrieb mit und ohne Untersetzung schalten kann, kommt davon stets das Maximum an den Rädern an. Dazu noch sechs Fahrprogramme, die von Schlamm bis Straße so ziemlich jedes Anforderungsprofil abdecken – und schon werden selbst Laien am Lenkrad zu Rallye-Profis und die Wüste fängt gefühlt gleich hinter Wuppertal an.
Aber genau das ist das Problem für die Ford-Fahrer: Zumindest in unseren Breiten sind die Spielplätze für solche Spielzeugautos rar gesät und es dürfte für die meisten Kunden bei der grauen Theorie bleiben. Das haben sie auch in Köln begriffen und dafür eine smarte Lösung gefunden: Wen bei einem Normverbrauch von 8,6 Litern oder angesichts der Spuren im Sand das schlechte Gewissen gegenüber der Umwelt plagt oder wem der Spaß schlicht zu teuer ist, der kann mit dem Kampfsaurier auch ganz ohne Reue rasen – als Simulation im Videospiel Forza Horizon 4.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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