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Ford Ranger Raptor: Unbegrenzte Möglichkeiten im Land der begrenzten

Einen Pick-up kauft man sich eigentlich, weil man ihn braucht. Für Holz oder so. Erfrischendes Gegenbeispiel: Der Ford Ranger Raptor.

Nein, dieser Forstweg ist kein Problem für den Ranger Raptor.

Den braucht nämlich niemand. Oder zumindest niemand, der nicht quer durch die Sahara reisen oder an der Rallye Dakar teilnehmen will. Weil so hinüber sind die österreichischen Forststraßen jetzt auch nicht, dass es unbedingt einen Unterfahrschutz aus Stahl braucht. Oder Hochleistungs-Stoßdämpfer aus dem Hause Fox. Anderseits: Why the hell not?

So zumindest pflegt der Amerikaner zu sagen. Und der muss es wissen, immerhin ist das Volk in Übersee zwar in politischen Fragen tief gespalten, doch ob Karen aus der Vorstadt, der Kosmopolit aus LA oder der verwirrte Büffelmensch vom Kapitol: Sie alle eint die Liebe zum Pick-up, der dort einfach Truck genannt wird. 2020 war das meistneuzugelassene Automobil in Ami-Land die Ford F-Serie – und zwar zum 39. Mal in Folge! Was bei uns also der Golf ist, ist drüben ein 5,3 bis 6,4 Meter langer, immer über zwei Tonnen schwerer und im besten Fall etwas über zehn Liter Diesel saufender Pick-up.

Ja, wer A(merikanischer Traum) sagt, der muss unbedingt P(ick-up) sagen. In die Wüste fahren, sich auf der Ladefläche mit Bud Light besaufen und dann die leeren Dosen mit einem M16-Sturmgewehr wegballern – so geht Leben. Aber erstens gibt es in Österreich keine Wüsten, zweitens schmeckt Bud Light wie Pisse und drittens lautet der Artikel 2 in der Österreichischen Verfassung nicht: Erschieß ruhig, was bei Drei nicht am Baum ist.

Kein schlechtes Bier, keine Ödnis, keine Waffen – und Corona macht Reisen in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten doch unmöglich. Da kommt der Ford Ranger Raptor überaus gelegen, um ein bisserl amerikanischen Flair zu versprühen – und das, obwohl er ja ein europäisches Modell ist. Unter anderem macht sich das bei der Länge bemerkbar: Während der F-150 nämlich mindestens 5,3 Meter lang ist, misst der Raptor höchstens 5,3 Meter. Ein City-Flitzer, quasi.

Nein, dieser Abhang ist kein Problem für den Ranger Raptor.

Aber auch unter der Motorhaube weht ein sehr europäischer Wind: Dort werkelt nämlich nicht etwa einen Achtzylinder, sondern ein 2-Liter-Diesel mit vier Zylindern und Turboaufladung. Etwas durstig ist der Ecoboost, ob des Gewichts und der Form, die er über Sanddünen treiben muss, aber schon: Zehn Liter und mehr genehmigt sich der Motor, immerhin aber im echten Leben, nicht nur am Papier.

Der Motor ist gut, große Emotionen bleiben aber aus.

Im Austausch dafür bekommt man vom Triebwerk 213 PS und saftige 500 Nm zur Verfügung gestellt. Die lassen sich wiederum in eine Beschleunigung von 10,5 Sekunden verwandeln, was zwar nicht weltbewegend ist, aber hat man einmal das Tempo erreicht, muss man immerhin nicht mehr abbremsen. Umgestürzte Baumstämme, Felsen, VW up!s – der Ford Ranger Raptor mäht da einfach drüber.

Genau dafür wurde er nämlich gebaut: Um drüber zu mähen, und zwar nicht gemächlich, sondern mit Tempo. Wer flott über irgendwelche groben Unebenheiten pflügt, erahnt, was die Fox-Dämpfer alles wegstecken könnten, die fetten 285er-Reifen sowieso.

DAS sind Reifen.

Dann noch: 85 Zentimeter Watttiefe, 28,3 Zentimeter Bodenfreiheit, 32,5 Grad Böschungswinkel vorne – die meisten Kunden werden wohl niemals an den Fähigkeiten des Ford Ranger Raptor kratzen. Dass er dank 1,575 Metern Ladefläche-Länge und 2,5 Tonnen Anhängelast immer noch praktisch ist, wenngleich etwas unpraktischer als die zivilen Ranger, nehmen wir gerne mit.

Understatement: Der Ranger Raptor tritt grazil auf. Oder so.

Was wir auch noch mitnehmen: Die Onroad-Performance, über die wir ja eigentlich mehr zu sagen haben, weil unser Ranger Raptor überwiegend dort bewegt wurde. Mit Ausnahme eines kleinen Ausflugs ins Gemüse, der ihn aber etwa so unter Druck gesetzt hat, wie ein Zweijähriger den Schachweltmeister Magnus Carlsen bei einer Partie.

Also: Onroad. Klar, du hast die All-Terrain-Reifen, die schwergängige Servo-Lenkung, er fährt sich nicht wie ein Tiguan. Aber auch nicht unkomfortabler, als viele anderen Pick-ups. Dafür umso witziger – vor allem, wenn’s nass und kalt ist. Weil der Allradantrieb manuell zugeschalten wird, die Geländereifen mittelmäßige Traktion liefern und Drehmoment ohne Ende vorhanden ist, wird der Ranger Raptor mit deaktiviertem ESP zum BMW M3 unter den Pritschenwagen. Zumindest, wenn man es provoziert.

Apropos M3: Wie es sich für die Topversion eines Modells gehört, rüstet Ford auch den Innenraum des Ranger Raptor ordentlich auf: Es gibt fette Schaltwippen aus Magnesium, mit denen man die Zehngang-Automatik verwalten kann, Sportsitze und Armaturen- sowie Lenkraddesign machen einen martialischen Eindruck.

Martialisch ist wohl überhaupt das passendste Adjektiv, das das Wesen des Ford Ranger Raptor beschreibt: Mit Ausnahme des Motors vielleicht, der wohl auch die einzige Angriffsfläche bietet: Nicht, dass der Ecoboost irgendwas schlecht macht, aber man stelle sich mal den 5-Liter-V8 aus dem Mustang vor.

Anderseits: In nur wenigen Monaten werden wir es Ford vielleicht danken, denn ab 1. Juli wird die Nova auch bei leichten Nutzfahrzeugen fällig. Und unter diese Gattung (N1) fällt auch der Ranger Raptor – Fox-Dämpfer hin oder her. Aktuell startet dieser noch bei rund 62.000 Euro. Wer sich ein Stück Amerika nach Österreich holen möchte (das im übrigen sehr viel cooler als Bud Light oder eine Waffe ist), sollte sich also sputen.

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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